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  • Palabrion, Stadt am Koiphissos


    Orlando Gardiner
    • Der erste Teil meiner Stadtbeschreibung ist im Gildenbrief 47 als "Palabrion - Stadt der Düfte und Farben" zusammen mit einem einfachen Stadtplan erschienen. Die folgende Beschreibung befindet sich im Forum im Strang "Palabrion" (Landeskunde und andere Sphären/Chryseia). Ich wollte einfach mal den Artikelbereich antesten, habe aber auch ein bisschen editiert.

      Palabrion - Stadt am Koiphissos.pdf

    Palabrion

    Dem Reisenden bietet sich, wenn er die Stadt zum ersten Mal, noch aus der Ferne erblickt, ein fantastisches Bild: es scheint als hätten die Wellen des schäumenden Meeres vor langer Zeit innegehalten und so die Mauer der Stadt der Neun Hügel geformt. Der Sage nach hat der Held Lemnos, Sohn des Meeresgottes Nothunion und der Tochter des Königs Mydeiraos, Nausikaa, den nach ihm benannten Wall auf eben solche Weise erschaffen. Freilich sind heute nur noch Reste der ersten Mauer erhalten. Nirgendwo sonst scheinen die Elemente eine so ästhetische Ehe eingegangen zu sein wie in Palabrion: Im Übergang von Wasser zu Land manifestiert sich das Feuer der Sonne auf den roten Schindeln der Dächer und in den Kaminen der Häuser; die Winde wehen den süßen Duft der Pinien und die salzige Luft des Meeres durch die Straßen.

    In Sillybos dominieren mehrgeschossige Mietskasernen das Bild, für deren Bau abwechselnd Hau- und Ziegelsteinbänder verwendet werden. Die Etagen werden sichtbar durch halbrunde Gesimse voneinander abgestuft, das Erdgeschoß öffnet sich zur Straße und zum Hof hin in Arkaden. Selten werden diese Gebäude, deren Walmdächer schindelbesetzt sind, verputzt. Es gibt einige Gasthäuser wie der Rote Korsar, in denen Fremden im besten Fall misstrauisch begegnet wird.
    Viele der Häuser sind baufällig oder heruntergekommen, die ungepflasterten Straßen strotzen vor Dreck, da die Kanalisation des Bezirkes schon lange zerstört ist und niemand sich um die Reparatur kümmert oder dazu im Stande wäre. Hin und wieder treffen Wind und Regen die Stadt und spülen den ganzen Dreck davon, der sich dann zumeist Richtung Stratagoia aufmacht und von hier in den Koiphissos gespült wird.

    Der Bezirk des Militärhafens Stratagoia beginnt südlich der Straße der Lauernden Köter und ist, sowohl an Fläche wie an Einwohnern, der Kleinste der Stadt. Dominiert wird das Viertel von der trutzigen Seeburg am Dokischen Hügel, das Hauptquartier der Palabrischen Marine. Zimmermänner, Schiffbauer, Segelmacher, Seiler und natürlich Söldner haben hier ihre Werkstätten, Geschäfte und Wohnungen. Die Bettler halten Stratagoia für den einträglichsten Teil der Stadt; die wenigen guten Plätze sind hart umkämpft. Eine Handvoll mieser Spelunken, unter anderem Zum zahnlosen Kentauren und zwei Gasthäuser mittelmäßiger Qualität (An der Goldenen Glocke und Zum Hungrigen Kapitän) lassen sich hier noch finden.

    Der schläfrige Pilger ist eine Herberge an der Grenze zu Taelimnion, einem Viertel, welches von vielen Stadtbewohnern auch Anarcheia genannt wird, und in dem es, wie der Name schon vermuten lässt, oft hoch hergeht. In diesem Hafenviertel, dem heimlichen Herz der Stadt, treffen Fernhändler aus den Küstenstaaten auf Seeleute aus Erainn und Alba, Glücksritter und Spitzbuben versuchen naiven Handwerkern das Geld aus der Tasche zu ziehen und ihnen die Herzen ihrer Mädchen streitig zu machen. Hier befindet sich auch die berüchtigte und verruchte Gasse der Grünen Witwen, auf der zahlreiche Amüsierbetriebe zum Verbleib einladen. Jedes Lokal hat hier mindestens eine Bühne und zwei gut besuchte Hinterzimmer, in vielen Etablissements sind auch Übernachtungen möglich. Immer wieder gibt es kuriose und sexistische, völlig pervertierte Aufführungen von alten Klassikern des chryseischen Dramas und Huren en masse auf den Straßen.
    Das Piratennest ist wahrscheinlich die übelste Kaschemme an den Gestaden der Bucht der Blauen Wellen und wer hier alleine reinspaziert, hat schon so gut wie verloren. In dem verwinkelten Gebäude gibt es unzählige Hinterzimmer und eine Hahnenkampfarena. Einst verfügte das Piratennest auch über eine Bühne, auf der allerdings keine Bardin je eine Chance hatte; es wird geschrien, gepöbelt, gewettet und gewürfelt, Armdrücker messen ihre Kräfte und Halunken wetzen ihre Dolche bei einem Gläschen billigen Fusels. Doch irgendwann ist jede noch so gesellige Nacht zu Ende und der Wirt Ajax Langarm gönnt den Überlebenden ein wenig frische Luft.

    Verbrechen sind im gesamten Viertel an der Tagesordnung. Der Widerstand gegen die gottlosen und vor allem gefährlichen Verhältnisse in Anarcheia formiert sich vor allem in der Priesterschaft der NeaDea, doch jene, die wirklich etwas zu sagen haben und diesen Zustand zumindest beeinflussen könnten, schalten auf stur. Ausländische Kaufleute haben indes nicht so viel zu befürchten wie es den Anschein hat. Denn es gilt das ungeschriebene Gesetz, dass ihnen nichts zu Leide getan werden darf. Für die Einhaltung dieses Prinzips sorgt eine Art Diebesgilde, die unter dem Namen "Die Elstern von Istramos" bekannt ist, im Viertel aber einfach als "die Familie" bezeichnet wird. Mit Sicherheit fließt coruanisches Blut in den Adern ihrer Elite. Die Macht dieser Gruppe ist aber auf Anarcheia beschränkt.

    Nur eine, zugegeben breite, liebevoll gepflasterte und gepflegte Straße trennt das Hafenviertel vom Bezirk der Goldenen Gärten, das ausgedehnte Refugium der Reichen, Schönen, Fleißigen und Mächtigen. Riesige Grundstücke, gepflegte Parks, ordentliche Stadtwachen, und durch die Straßen schlenderndes Dienstpersonal prägen das Bild des Viertels. Es gibt hier elegante Villen mit Fußbodenheizung und eigenen, kleinen Thermen, deren Mosaike in verschwenderischer Vielfalt und glitzernder Farbenpracht das Auge der Besucher entzücken (und vor Neid erblassen lassen) sollen. Es sind nicht zuletzt die reichen Kauffahrer, die den Namen "Stadt der Farben" populär machten.
    Der Gasthof An der Alten Mauer ist prachtvoll eingerichtet und verfügt über kulinarische Kostbarkeiten aller Herren Länder. Zum selbstverständlichen Service gehören ein Badehaus, schöne Mädchen und Jungen. Um hier auch nur einen Tisch zu bekommen benötigt man eine Empfehlung von einer der adligen Familien Palabrions (Ausnahmen bestätigen die Regel). Chef des Hauses ist Philaret von Lankassos, ein umtriebiger Geschäfts- und Lebemann, der mit Athanasios "die Zunge" und der Halblingsdame Rosalie Bedevers die wohl besten Köche Chryseias auf seiner Lohnliste stehen hat. Handelfürst Ithomis ist einer der Sorte von Auftraggebern, die die Abenteurer normalerweise nie zu Gesicht bekommen; die Reichtümer seines Palastes spotten jeder Beschreibung. Eine Kleinigkeit aus Ithomis Hause zu entwenden, gilt unter den Dieben und Spitzbuben Palabriens als Meisterstück. Die Gilde der palabrischen Fernhändler hat ihren Sitz in einer altehrwürdigen Burg inmitten des größten Parks der Stadt an der Grenze zum Färberviertel.

    Im Norden des Gartenviertels liegt der Bezirk Purpureia, in dem folgende Handwerksgemeinschaften ihr Gildenhaus haben, welches häufig auch gleichzeitig Wohnung und Werkstatt des Gildenoberhauptes ist: Parfumeure und Parfumhändler, Färber, Glasbläser, Weber und Tuchmacher, Schneider, Ärzte und Apotheker, Kürschner und Pelzhändler, Steinmetze und Baumeister, Zimmermänner und Tischler, Gastwirte, Wagner, Weinhändler und Ölhersteller, Schlachter; Sattler, Lederhändler, Gerber und Schumacher. Die Handwerker leben und arbeiten auch überwiegend im Viertel. In der Luft liegt ein Gefühl von Arbeitsamkeit und Kreativität. Natürlich wollen auch die fleißigen Bürger Purpureias nach getaner Arbeit ein Bierchen trinken oder professionell unterhalten werden. Dafür begeben sie sich in Gaststätten wie Jakchos' Abendmahl und Fliegende Fische oder in das geräumige Tanzlokal Das Flinke Schneiderlein. Die meisten Häuser des Viertels haben zwei Stockwerke, sind weiß gekalkt und mit bunten Ornamentbändern bemalt.

    Im Bezirk der Schmiede, welcher auch Schilderviertel genannt wird, gehen Plattner, Helmmacher, Waffen-, Gold- und Silberschmiede, Juweliere und Schlosser ihrem Handwerk nach und sorgen für eine typisch untypische palabrische Luft. Wohl kaum ein Reisender erwartet zwischen den rußgeschwärzten Gebäuden Thyreias eine gastronomische Perle wie das Meknesch zu finden. Der Inhaber Abdelmalik hat inmitten all des Schmutzes eine kleine Oase der Ruhe geschaffen. Anhänger Ormuts genießen hier ein Wasserpfeifchen, ein Dampfbad oder ein opulentes Mal, doch auch immer mehr Einheimische erfreuen sich der scharidischen Kochkünste ("Solange sie nur kochen..."). Abdelmaliks Position im Viertel ist aber keineswegs unumstritten und ohne einflussreiche Fürsprecher wie Echelion Bagratides, Gildenoberhaupt der Juweliere und Mitglied des Hohen Rates, wäre er wohl schon längst das Opfer fanatischer Patrioten geworden.

    Im Herzen der Altstadt Parasinikia, am Skylaischen Platz, befindet sich das Konventshaus der Magiergilde der Versammlung der Arkanen Vernunft. Die Gilde hat etwa 50 feste Mitglieder. Das ursprüngliche Gebäude des Konvents ist vor 80 Jahren abgebrannt, nur die Katakomben blieben erhalten. Der berühmte tevarrische Architekt Alessandro da Reggiana entwarf den umstrittenen Neubau. Das Gebäude hat bunte Mosaikfenster, die Ausmaße eines kleinen Schlosses, vier Innenhöfe und zahllose Erker und Türmchen. Die meisten braven Bürger schütteln den Kopf bei so viel Extravaganz. Der Hochmeister Lukas Kontostephanes (hinter vorgehaltener Hand liebevoll "Konto Sturmschnauze" genannt) wohnt nicht im Konvent sondern besitzt eine Villa im Viertel der Goldenen Gärten. Er und der Hofmagus des Tyrannen, Honorios von Ipairos können sich überhaupt nicht leiden, haben aber einen gewissen Respekt voreinander. Die fünf Thaumaturgen der Gilde leben und arbeiten nicht im Konvent, sondern haben eigene Labore und Werkstätten, die sich meistens im Keller ihrer Wohnhäuser überwiegend in der Altstadt befinden. Die Zauberhandwerker Thoros von Taprobane und Katakalon Ketaumenos (Schild: golddurchwirktes Kettenthaumagramm, kunstvoll verziert) haben einen Verkaufsraum im Erdgeschoß ihres burgartigen Hauses, indem sie beide mit ihren Familien und ihren Bediensteten wohnen. Ihre Burg ist ein typischer Vertreter der Gebäude der Altstadt: Eine Gruppe von 8 oder 12 kleineren Turmhäusern ist so angeordnet, dass sie einen Block mit Innenhof bilden. Die äußeren Galerien, die früher zur Verteidigung dienten, sind aus hölzernen, beweglichen Elementen gebaut. Palabrion wurde in der Vergangenheit oft überfallen und verwüstet. Die alten Stadtmauern entsprachen kaum der Legende und haben die Angreifer nicht lange aufgehalten. Heutzutage dienen jene Galerien den Bürgern als friedliche Balkone.
    Die Kneipen, Tavernen und Gasthäuser Parasinikias sind zahlreich. Im Gasthof Zum Zaudernden Zauberer trifft man zwar selten auf magiebegabte Menschen, kann aber für wenig Geld formidabel speisen. Berühmt ist der Koch und Inhaber Daniel Bryennios vor allem für seinen einzigartig zarten und delikaten Tintenfisch. Die Zimmer sind durchgehend gut ausgestattet und nicht besonders teuer.

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