Es ist bereits eine Stunde nach Sonnenuntergang als noch ein paar weitere Gäste das gutgefüllte Gasthaus betreten. Unter ihnen befindet sich ein Mann, welcher eine Laute auf dem Rücken trägt. Er geht direkt zum Wirt und wechselt ein paar Worte mit ihm. Der Wirt zeigt auf ein kleines Podest auf der anderen Seite des Raumes, woraufhin der Mann nickt, sich umdreht und nach einem Hocker greift. Bei dem mittlerweile einzig freien Platz in der Taverne angekommen, stellt der Mann den Hocker ab, lässt seine Laute vom Rücken gleiten und setzt sich. Er zupft vorsichtig an ein paar Saiten, dann beginnt er mit tiefer Stimme zu singen. Erst erklingen wohl bekannte Lieder, bei denen es zwar leiser wird, aber bei weitem nicht alle Gespräche verstummen. Nach einiger Zeit geht die Tür zum Gasthaus auf und ein Knecht, welcher vor wenigen Momenten die Taverne verlassen hat, kommt mit einem großen in Stoff eingewickelten Gegenstand zurück. Er geht auf das Podest zu und stellt die Last vor dem Barden ab. Dieser nickt ihm zu, legt seine Laute zur Seite und beginnt den Stoff zu entfernen. Zum Vorschein kommt eine schlichte Harfe. Vorsichtig, fast wie als würde der Mann die Saiten wie eine Geliebte liebkosen, streicht er darüber und Harfenklänge erfüllen den Raum. Dann beginnt er wieder mit tiefer Stimme zu singen. Langsam verstummen die Gäste immer mehr und lauschen gebannt der Musik.
"Ein hoher Herr lebte einst in den Nordlanden
Er hatte zwei Töchter, schöner keine Frau zu finden
Eine rabenschwarzes, eine goldenes Haar
Als Schwestern ein ungleiches Paar
Einen Mann galt es zu finden um sie als Fraun zu binden
Doch wie es kam, sie schienen für den Gleichen zu empfinden
Das Haar, welches leuchtete wie Sternenlicht
Die blauen Augen, das liebliche Gesicht
Diese Schönheit hatten den Mann gebannt
So fiel er auf die Knie und reichte nach ihrer Hand
Am Tage vor der Hochzeit schritt die Braut im Garten
Lachte, sang und konnte die Vermählung kaum erwarten
Weiß war ihr Brautkleid, weiß die Blumen in ihrem Haar
Aus dem Schatten ein Messer blitze, ein böses Augenpaar
Rot befleckte das reine Weiß als das Messer fand sein Ziel
Und die Braut stumm darnieder fiel
Die Augen gefüllt mir Tränen erblickte sie in ihrer Not
Welch böses Wesen ihr gebracht den Tod.
Du kannst mir bringen die ewigen Nacht“
Doch nicht meiner Liebe in ihrer Pracht
Weder der Liebe zu meinem Gemahl
Noch der Liebe zu dir bleibt diese Wahl
Denn in der Musik der Welt werden sie erklingen
Und so Sieg über den Tod erringen"
Als die Frau im Lied singt, verstummt die tiefe Stimme des Barden, stattdessen erklingt eine weibliche Stimme, welche von den Saiten der Harfe zu kommen scheint.
"Mit diesen Worten auf den Lippen starb sie bald
Und ihre Schwester trug sie in den düstren Wald
Rot tränkte die grüne Erde als sie den Körper legte neben einen Dornenbusch
Rot färbte das klare Wasser als sie sich sorgsam die Hände wusch
Da lag nun der tote Körper der holdenen Maid
Und vergessen war der Hochzeitseid
Doch es kam ein Barde auf seinem Pferde
Vorbei an der blutgetränkten Erde
Geladen war er zum Hochzeitsfeste
Als einer der Ehrengäste
Als sein Blick fiel auf das rot-weiße Blumenkind
Stieg er von seinem Pferde ab geschwind
Noch nie zuvor hatte er solch Schönheit gesehn
Und konnt nicht mehr als verwundert da zu stehen
Dann sank er zu Boden unter dieser Bürde
Und weinte um seine Liebe, welche er nie kennen würde
Er nahm seine Harfe und riss an den Saiten
Zog und zerrte bis sie entzweiten
Er nahm von den Strähnen der Frau
Und begann den neuen Seitenbau
Von seiner Arbeit sich erhoben
Stellte er die Harfe auf den Boden
Strich über die Saiten aus goldenem Haar
Und lauschte den Tönen, lieblich und klar
Doch siehe! Es begann die Harfe von selbst zu spielen
Und in die Musik der Saiten Worte fielen
Habt Dank, dass Ihr meiner gedacht
Ein wahres Wunder Ihr vollbracht
Wenn Ihr nun eure Zügel schwingt
Und mich zum Ort der Hochzeit bringt"
"Er ritt in Erwartung einer freud‘gen Feier
Doch was er fand war der Herr in Tränenschleier
Seine liebste Tochter war entschwunden
Da wurd’s dem Mann gewahr, er hatte die Braut gefunden
Erneut begann Gram in seinem Herz zu ringen
Er nahm die Harfe um seinen Verlust zu besingen
Doch siehe! Es begann die Harfe von selbst zu spielen
Und in die Musik der Saiten Worte fielen
Dort sitzt mein Herr, mein Vater
Und an seiner Seite meine Mutter
Ach, mit viel Schmerz muss ich an sie denken
Ich werde ihnen nie einen Erben schenken
Dort hat mein Geliebter seinen Platz
Er soll wissen was er für mich ist, ein Schatz
Neben ihm sitz meine Schwester, als einzige ohne Tränen
Für einen Mann hat sie mich erschlagen um sich als seine Frau zu wähnen
Mich, welche sie immer lieben wird, mich hat sie erschlagen
Für einen Mann welcher nie nach ihrer Hand wird fragen
Die Stimme stach der Schwester in ihr dunkles Herz
Und ihr Gesicht verzog sich vor bittrem Schmerz
Von Reue erfüllt sank sie darnieder
Zum Leben erhob sie sich nie wieder"
Als die Musik endet ist es ganz still im Raum. Der Barde deutet eine Verbeugung an und beginnt dann wieder die Harfe in Stoff einzuwickeln. Es dauert einige Momente, dann setzt leises Getuscheln ein, welches almählich lauter wird. Doch bevor die Gäste es wirklich bemerkt haben, ist der Barde mitsamt Harfe und Laute wieder verschwunden...
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