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  • Stadtentwicklung für Spielleiter und Gruppen


    Eleazar

    Vor Jahren hat unser Spielleiter als Ausgangsort für unsere Abenteuer am Beginn der Kampagne zusammen mit der ganzen Gruppe eine Stadt entwickelt. Das war zwar ziemlich aufwändig, aber mir hat es einen Riesenspaß gemacht und für die Kampagne und den Hintergrund der Spielfiguren hat es sich als ziemlich gut erwiesen.

     

    Schritt 1: Die Spieler würfeln ihre Charaktere aus. Wichtig ist, dass sie alle einen gewissen städtischen Hintergrund haben und ihnen diese Stadt am Herzen liegt. Sonst lohnt sich der ganze Aufwand schließlich nicht. Auch einen Waldläufer kann man da ansiedeln, wenn in der Stadt seine kranke Tante mit ihren 11 halbwüchsigen Kindern lebt, bei denen er auch noch Pate ist und er sie regelmäßig besucht und lindernde Kräutertees blablabla ...

     

    Wenn es sich irgendwie anbietet, sollten sich etliche der Abenteurer einfach schon mal kennen. Das heißt ja nicht, dass alle Freunde sein sollen, aber man kann ja auch locker über eine andere Person bekannt sein.

     

    Schritt 2: Zusammen mit einem interessierten Spieler - wäre toll, wenn er auch eine gelehrte Spielfigur spielen würde - wird in groben Zügen die Stadtgeschichte und - entwicklung festgelegt.

     

    Im konkreten Fall haben wir uns auf einem Haufen Schmierzettel zunächst den Fluss mit eine Insel, Furten, Hügeln, Sumpfgebieten aufgemalt. Dann ging es los mit einem Gasthaus, das entwickelte sich zu einem Handelsstützpunkt mit einem kleinen Dorf dabei, es folgte eine Kirche/Fluchtburg, eine kleine Garnison, ein Hafen wurde ausgebaut mit Lagerstätten, irgendwann gab es einen Brand (wunderbare Möglichkeit, die Bausünden der Vergangenheit loszuwerden), eine Burg mit Stadtmauer wurde gebaut (Fluchttunnel zum Wald vor dem Städtchen), die Stadt breitete sich aus über die Wälle hinaus, in einem Krieg wird einiges zerstört, die Stadtmauer wird nach außen gezogen, die Burg wird abgetragen (wo war noch mal der Fluchttunnel?) die Sümpfe werden entwässert, das Wasser in Rohrsystemen abgeleitet, Schmuggler und Diebesgilden schaffen sich Bewegungsmöglichkeiten in den verschütteten Kellern zerstörter Keller, wovon die neuen Bewohner nichts ahnen. Vielleicht kommt es zu einer Pestepedemie, die dazu führt, dass einige Viertel vorübergehend unbewohnt sind. Die Leichen werden irgendwo vergraben, 10 Jahre später baut man darüber neue Wohnhäuser. Hier und da wird ein Großbauprojekt verortet (Magiergilde, Tempelbezirk, Herrschaftssitz usw.).

     

    Ihr werdet euch wundern, auf welche Ideen man an einem bieseligen Abend mit 2-3 Leuten kommt.

     

    Das alles muss ja nicht im Detail gezeichnet werden, aber Skizzen sind schon gut. Vor allem sollte man die Stadt wirklich "historisch" entwickeln, sie sieht einfach anders und wesentlich besser aus!

     

    Am Schluss hat man zwei DIN A4 Zettel: Einen kurzen allgemein bekannten Abriss der Stadtgeschichte und eine Skizze mit der Lage der wichtigen Komplexe und Viertel.

     

    Schritt 3: Nun besorgt man sich einen Zeichenkarton, skizziert die Grenzen der Stadt, die geographischen Gegebenheiten (Flüsse, Berge, Wälder). Bereitet eine kleine Legende aus für Symbole, die man beim Kartenzeichnen verwenden will und drückt jedem Spieler einen Stift in die Hand, damit er sein eigenes Viertel ausgestaltet. Man kann den Spielern einige Vorgaben machen, sollte ihnen aber auch etliche Freiheiten lassen. Wenn man den Spielern fortlaufend 20 Nummern zuteilt, können sie 20 Gebäude namentlich benennen und in ihrem Bereich platzieren. Wahrscheinlich kriegt man so Abenteuerschauplätze für ein Jahr. Man sollte den Spielern auch ruhig gestatten, "Geheimnisse" in ihrer Stadt unterzubringen

     

    Schritt 4: Im Einzelgespräch gibt der Spielleiter jeden Spieler passend zu seiner Spielfigur Detailinformationen über bestimmte Dinge, die nur dieser Charakter weiß. Eventuell hat sich der Spieler vieles davon gerade selber ausgedacht.

     

    Natürlich weiß der historisch interessierte Bürger, dass es früher mal eine Burg mit einem Fluchttunnel gegeben haben soll. Die Burg habe irgendwo am heutigen Pferdemarkt oder den umgebenden Straßenzügen gestanden und man munkelt, dass der Tunnel noch begehbar sei. Der Dieb hingegen kennt 12 Einstiegsmöglichkeiten in das Tunnelsystem der Gilde. usw.

     

    Schluss: Die Auswirkung auf unser Spiel war sehr erstaunlich: Erstens kannten sich die Spieler tatsächlich in den ihrer Spielfigur vertrauten Umgebung aus. Das schlug tatsächlich organisch bis ins Rollenspiel durch: Man übernahm dort die Führung und konnte das auch im Spiel direkt umsetzen. Zweitens: Den Spielern lag tatsächlich was an "ihrer" Stadt. Wir haben irgendwann mit der DSA-Greifenfurt-Kampagne angefangen und natürlich haben wir Abenteurer uns sofort freiwillig bei der Bürgerwehr gemeldet - wér will schon Orks in seinen öffentlichen Parks haben. Drittens gab es eine großen Vorrat an Abenteuerideen, die letzten Endes von der Gruppe aus den Gegebenheiten selbst entwickelt wurden - der Spielleiter musste die Spieler nur anticken (z.B. beseitige mal als Diebesgilde eine Untotenplage in einem Tunnelsystem, von dem kein Nicht-Dieb was wissen soll). Viertens: Die Ausführung der Stadt ist zwar nicht so detailliert wir in einem Quellenbuch, aber dafür haben der SL und die Spieler alle maßgeblichen Informationen direkt im Kopf.

     

    Vor allem aber hat es sehr viel Spaß gemacht.


    Benutzer-Feedback

    Empfohlene Kommentare

    Kataphraktoi

    Geschrieben (bearbeitet)

    Ich glaube, dass die Idee sehr inspiriert. Sicherlich eine Bereicherung für das Spielerlebnis.

     

    Kata

    Bearbeitet von Kataphraktoi
    Ma Kai

    Geschrieben

    Der nächste Schritt wäre, es aufzuschreiben. Das könnte für eine Stadtbeschreibung wie Thame schon reichen...

    Eleazar

    Geschrieben

    Ich würde fast widersprechen: Das wirklich gute an der Methode ist, dass die Spielgruppe und die Spieler, die jeweils für sie wichtigen Belange im Kopf haben. Dazu gehört auch Expertenwissen, dass in der Gruppe nicht unbedingt Allgemeingut ist. Außerdem entwickeln Spieler und Spielleiter ein Feeling für den Schuplatz, wovon ausgehend sie neue Bereiche erschließen können.

     

    Im Prinzip ist es doch unerheblich, ob der Spieler oder der Spielleiter die 08/15 NPCs in der Gerbergasse, der Nachbarschaft des Onkels des Spitzbuben ausmalen.

     

    Schreibt man alles nieder, ist es entweder zu banal, zu starr, man muss ständig nachschauen oder man offenbart Geheimnisse an jedermann, der es liest.

     

    Verschriftlichung als Gedächtnisstütze ist aber okay.

     

    Da könnte ich mir dann aber auch wieder Arbeitsteilung vorstellen: Der Dieb beschreibt seine Gilde, der Priester seinen Kult, der Magier die Universität ... Eventuell gibt es eine A5-Seite mit allgemeinem Wissen, das alle haben. Und der Rest liegt nur dem Spieler und jeweils dem Schreiberling vor.

    Bernward

    Geschrieben

    Wie greifts Du dann als SL ein, wenn Du ein Abenteuer in einem dieser Spezialschauplätze ansiedelst? Gibt es dann ein "Das habe ich mir aber ganz anders vorgestellt?"

    Eleazar

    Geschrieben

    Also, zuerst ist man ja miteinander im Gespräch. Dann hat der SL das letzte Wort bezüglich der Dinge, die nicht gehen. Durch das Gespräch sind die Vorstellungen sehr ähnlich, was viele Probleme von vornherein beseitigt. Ganz klar ist natürlich, dass die Eigenkreationen der Spieler im Rahmen bleiben müssen. Vor allem soll man sich so nicht unbedingt gerade Vorteile erarbeiten.

     

    Und dann ist es ganz normal: Wenn ich einen NPC spiele, dann bestimme ich sein Verhalten. Und auch die Diebe kennen z.B. nicht jedes Geheimnis ihrer Gilde.

    Shadow

    Geschrieben

    Klasse Idee! Das ist mal was ganz neues. :thumbs:

     

    Da steckt sicherlich eine Menge Arbeit drin, aber es hört sich nach einer Stadt an, bei der die Spieler das Gefühl von "mittendrin, statt nur dabei" haben. Je mehr Spass es macht, umso besser wird die Stadt.

     

    Respekt für diese geniale Idee! :clap::männlicherhändedruc

     

    Gruß

    Shadow



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