Die verfluchte Harfe –
Beitrag zum Thema das Monats August 2013
Die Legende besagt, dass einst ein Prinz lebte, der von einem großen Zauberer vor den Machenschaften seiner Stiefmutter gerettet und von ganz normalen Bauern in einem fernen Dorf großgezogen wurde.
Während die böse Stiefmutter nach dem Tod des wahren Königs und dessen Söhnen die Herrschaft an sich riss, wuchs der kleine Prinz in Sicherheit und Geborgenheit auf und ahnte nichts von seinem Schicksal.
Sein Aufwachsen wurde von dem Zauberer und seinen besten Freunden überwacht und gelenkt, damit der Prinz später zu einem guten König werden würde.
Dabei fand der Knabe besonderen Gefallen an allen schönen Dingen des Lebens und ganz besonders an der Musik und Erzählkunst eines wandernden Barden, der ebenfalls ein Freund des Zauberers war und das entlegene Dorf mit den Neuigkeiten der Welt versorgte. Der Mann nahm den jungen Prinzen unter seine Fittiche und brachte ihm während seiner Aufenthalte in dem Dorf alles bei, was der Junge wissen musste, um ein guter Barde zu werden.
Die anderen Wissenden betrachteten dies zwar mit Skepsis, aber dem Knaben konnte man schwerlich etwas abschlagen und er schien Gefallen an der Bardenkunst zu finden – also ließ man ihm dieses Steckenpferd.
Als der Knabe zum Manne herangewachsen war, das erste Mal das Dorf verlassen musste und schließlich seine wahre Bestimmung erkannte, war er nicht gerade begeistert. Eher im Gegenteil – er wollte viel lieber durch die Lande ziehen, seine Musik unter die Leute bringen, mit den verschiedensten Frauen anbändeln und das Leben schlichtweg in vollen Zügen genießen. Leider war ihm das ab dem Moment, in dem die böse Stiefmutter und aktuelle Königin erkannte, dass er noch am Leben war, nicht mehr vergönnt.
Nun musste er tagtäglich auf der Hut sein, sich verstecken, Verbündete suchen und ganz allgemein das Königreich retten, indem er den Thron zurückeroberte.
Dies alles bietet wahrlich genug Stoff für zahlreiche Heldenepen, diese Erzählung aber beschäftigt sich mit einem ganz anderen Aspekt der Geschichte:
Der Prinz und wahre König wollte gar kein König oder Prinz sein. Er hatte sich so sehr an das einfache Leben gewöhnt, dass er sich betrogen und überrumpelt vorkam und eher aufgrund von Pflichtgefühl und Drängens von Seiten seiner Begleiter überhaupt erst die Rolle des Königs übernahm.
Als dann aber die böse Königin besiegt und die Lage beruhigt war, konnte er sich kaum an das Leben im goldenen Käfig gewöhnen.
Es wurde immer schlimmer und er immer rastloser. Er sehnte sich danach, zu entkommen. Aber seine Freunde und Berater passten zu genau auf, erinnerten ihn immer wieder an seine Pflichten und wollten ihm – so kam es ihm vor – nicht das kleinste bisschen Freude und Freiheit gönnen.
So kam es, dass er in seiner Not dem Alkohol immer mehr zusprach und sich vor allen möglichen Entscheidungen drückte. Zu Beginn fiel es gar nicht großartig auf, mit der Zeit aber war er immer häufiger betrunken und nicht in der Lage an den ach so wichtigen Ratssitzungen, Konferenzen und Verhandlungen sinnvoll teilzunehmen.
Lieber verbrachte er seine Stunden damit, auf Harfe, Laute und Flöte zu spielen, Geschichten zu erzählen und eben dem Alkohol zuzusprechen. Fühlte er sich zu sehr gestört, griff er zur Bardenmagie, um sich ein wenig Freizeit zu verschaffen.
Langsam wurden seine Berater und Freunde unruhig. Was sollte man mit einem König anfangen, der kein König sein wollte? Der keine Entscheidungen treffen mochte und ohnehin recht ungeneigt schien, Befehle zu erteilen?
Dem König war dies alles – nach genug Alkoholkonsum – recht egal. Immer häufiger zog er sich zurück, spielte stundenlang auf seiner magischen Harfe und hielt sich so gleichzeitig seine Aufpasser und Berater vom Leibe.
So konnte es nicht weitergehen. Und so ging es nicht weiter:
Eines Nachts, der König war gerade eingeschlafen, erschien ein Geist in seinem Zimmer. Der Geist sah dem unwilligen König sehr ähnlich, schien nur etwas älter zu sein. Er trug sogar eine durchscheinende Krone auf dem Haupt und seine ganze Haltung strahlte majestätische Autorität aus.
Die Erscheinung weckte den Schlafenden und sofort erkannte dieser, dass es sich dabei nur um seinen längst verstorbenen Vater handeln konnte.
Der Vater des Königs war nicht gerade glücklich darüber, wie sein jüngster Sohn und Nachfolger sich benahm und teilte ihm dies eindringlich mit. Als wieder die üblichen Erwiderungen, Ausflüchte und Wünsche nach Freiheit kamen, verlor der ehemalige König seine Beherrschung und fuhr in die Harfe seines Sohnes.
„Nun, wenn du nicht hören willst, so musst du fühlen!“, sprach der Geist und verschwand in dem Instrument, „Bis du gelernt hast ein wahrer König zu sein, bleibe ich dein ständiger Begleiter und sorge dafür, dass du dich benimmst!“. Die Harfe leuchtete vor den entsetzten Blicken des Unwilligen blau auf, dann verblasste das Licht wieder und die Nacht kehrte ins Zimmer zurück.
Am Morgen hielt der König die Erscheinung nur noch für einen merkwürdigen Traum. Als er ein Glas Wein zum Frühstück genießen wollte, spuckte er die Flüssigkeit angeekelt wieder aus – der Wein war zu Essig vergoren, irgendjemand hatte seine Arbeit nicht gut genug gemacht! Frustriert ließ er einen neuen Krug Wein kommen, aber auch dieser war schon zu Essig geworden.
Langsam wurde es ihm unheimlich, als seine Freunde von dem Getränk kosteten und feststellten, dass es erstklassiger Wein sei. Selbst wenn der König aus den gleichen Gläsern wie seine Freunde trank, schmeckte er immer nur Essig.
Gleiches geschah mit allen anderen alkoholischen Getränken, die er im Folgenden ausprobierte. Mit der Zeit fiel ihm auf, dass jedes Mal, wenn er einen Schluck Alkohol zu sich nehmen wollte, die Harfe schwach aufleuchtete. Also brachte er sein geliebtes Instrument seufzend auf sein Zimmer. Aber kaum hatte er einen Schluck Alkohol im Mund, wurde es zu Essig – egal wie weit seine Harfe weg war.
Und es kam noch schlimmer – er konnte nicht mehr musizieren! In seiner Verzweiflung wollte er sich zurückziehen und wenigstens in der Musik Erleichterung finden, aber seine Instrumente gehorchten ihm scheinbar nicht mehr – Saiteninstrumente rissen, Flöten waren verstopft und die Harfe brachte keinen Ton hervor, was auch immer er versuchte.
Da musste er einsehen, dass der Geist tatsächlich da gewesen war. Und ihn offenbar verflucht hatte!
Drei Tage und Nächte versank der König in Gram und Verzweiflung. Drei Tage und Nächte haderte er mit seinem Schicksal und verfluchte seinen Vater, der ihm dies angetan hatte. Drei Tage und Nächte dachte er schließlich über sein Verhalten, seine Pflichten, das Königtum, seine Herkunft und die Gründe seines Vaters nach.
Und schließlich kam er zu einer Erkenntnis:
Sein Vater war König gewesen und wenn man den Erzählungen seiner treuen Vasallen – unter anderem dem Zauberer – glauben schenkte, ein sehr guter König. Er würde seinem einzigen lebenden Sohn sicher nichts Schlechtes wünschen. Und sicher würde der Geist seines Vaters den Fluch aufheben, wenn der Sohn sich als würdig erwiesen hätte.
Und tatsächlich – nach anfänglichen Schwierigkeiten mauserte sich der ehemals unwillige König doch noch zu einem guten Anführer, der gewissenhaft seinen Pflichten nachging und sich nie wieder vor Entscheidungen und den Notwendigkeiten seines Amtes drückte.
Dafür konnte er dann nach und nach auch wieder alkoholische Getränke – in Maßen – genießen, Musizieren und allgemein seinem Steckenpferd nachgehen. Der Fluch schwand aber nie ganz – tagtäglich musste der König sich beweisen und zeigen, dass er ein guter Herrscher sein konnte.
Seine Freunde, die Berater und seine Untertanen waren hochzufrieden.
Allein der verhinderte Barde – nun König im goldenen Käfig – war nie wirklich glücklich mit seiner Situation, riskierte aber nicht, auch noch das letzte Bisschen Musik und Spaß in seinem Leben durch Aufmüpfigkeit einzubüßen.
Auch Jahre nach seiner wundersamen Wandlung konnten Nachtwächter und diejenigen Bediensteten, die spät Abends noch zu tun hatten, aus der Zimmerflucht des Königs tieftraurige Harfenklänge und dazu passenden Gesang vernehmen.
Darauf angesprochen, gab der König jedoch zeitlebens vor, nichts gehört zu haben.
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Dieser Artikel beruht auf einem Einfall zu einer meiner Figuren, den ich nachts kurz vor dem Einschlafen hatte. Irgendwie hat mich das Thema des Monats dann wieder daran erinnert und hier ist nun die kleine Geschichte, bei der es sich um eine "verfluchte" Harfe handelt.
Ich hoffe es hat euch gefallen,
LG Anjanka
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