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  • Philosophie in Chryseia - Unterschiede zur Philosophie auf der Erde


    Der_Rabe

    Liebe Leute,

    in Folge der interessanten Diskussion in einem anderen Strang habe ich es gewagt, mir Gedanken über den Unterschied der chryseischen Philosophie zur irdischen Philosophie zu machen.

     

    Ich bin gespannt auf Eure Meinungen,

    und krächze,

    Der_Rabe

    *der schon seit einiger Zeit versucht, einen wissensdurstigen Chryseer durch Midgard zu begleiten*

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    Allgemeine Unterschiede der Philosophie auf Midgard zur irdischen Philosophie

     

    Metaphysik

     

    * Es ist auf Midgard schlichtweg gegeben, daß es Seelen gibt (und zwar in Menschen, Menschenähnlichen, extrasphärischen Gästen und sogar Orten) - das Leib-Seele-Problem stellt sich also nicht auf die aus der irdischen Diskussion bekannte Weise.

    Materialismus stellt auf Midgard keine auf den ersten Blick überzeugende Position dar (wohl aber eine hypothetische), da die Behauptung, daß Menschen bloß Maschinen seien, offensichtlich kontrafaktisch ist (Beobachtungen, die das Gegenteil belegen, sind alltäglich). Angriffe auf den Freien Willen können dennoch unter Hinweis auf den Plan der Götter oder auf das Schicksal oder auf bekannte Zeitparadoxa geführt werden. Ausserdem eröffenen sich ganz neue Felder der praktischen Ethik.

     

    * Es ist auf Midgard gegeben, dass Götter existieren. Gottesbeweise werden somit unwichtig (ich beweise ja auch nicht die Existenz meines Esels). Atheismus wird so als Position unhaltbar, und Agnostizismus wird zu einer lebenspraktischen Haltung gegenüber den Autoritäten. Eine Rede wie „Gott ist Tod!“ kann jedoch trotzdem eine sinnvolle Rede sein - das gebildete Gegenüber wird bloss fragen: „Welcher denn?“

     

    * Es ist auf Midgard gegeben, das es unsichtbare Kräfte gibt, die in der Welt wirken - die Vorstellung der Welt als Mechanismus (also als berechenbare Maschine mit eindeutigen und diskreten Zuständen) wird Nebenposition bleiben. Eine Newtonsche Mechanik („Billiard-Modell“) ist auf Midgard weniger welthaltig als eine Feldtheorie. Vermutlich wird somit auch Geometrie wichtiger als Arithmetik. Weltbilder, in denen ein Vakuum vorkommt, werden ausserordentlich selten und ungewöhnlich sein, vielleicht wird ein Vakuum sogar verlacht („Die Leere? Du kommst schon wieder mit der Lehre von der Leere? Die gibt´s doch nur zwischen Deinen Schädelwänden!“)

     

    * Eine Trennung zwischen Aberglauben und Wissenschaft wird auf Midgard anders verlaufen als auf der Erde. Alchemie, Magie, Wahrsagerei, Beschwörungen funktionieren gut, wenn man sie korrekt betreibt (was erlernt werden kann). Geister, Drachen, Halbmenschen, Elementare bevölkern die Sphäre. Eine Wissenschaftstheorie auf Midgard wird dennoch großen Wert auf die Trennung von Glaubhaften und Unglaubhaften Aussagen legen, wobei die Bedeutung der Sinne im Verhältnis zur Bedeutung der Vernunft hervorgehoben werden wird (es gibt eben mehr zu beobachten als auf der Erde). Illusionen zu erkennen und mit ihnen zu arbeiten wird zentraler Teil der Erkenntnistheorie und nicht nur amüsantes Nebengebiet.

     

     

    Naturphilosophie

     

    * Auf Midgard sind Wahre Namen bekannt und ihre Macht ist überprüfbar. Die Auswirkungen auf die Sprachphilosophie sind unübersehbar. Als Folge sind sowohl Sprachreinigungsprogramme als auch Sprachforschungsprogramme möglich. Es stellen sich Fragen nach Auffindbarkeit, Ursprung und Veränderung Wahrer Namen (Naturphilosphie und Ethik).

     

    * Auf Midgard werden Zahlen so behandelt, als ob sie mystische Kräfte hätten - auf der Erde haben wir uns daran gewöhnt, diese Vorstellung als Zuschreibung zu behandeln. Die Praxis der Be- und Abschwörer bestätigt aber die immantente Kraft der Zahl, die über bloße Vorstellung hinausgeht. Die unterschiedliche Bewertung der Rolle und des Wesens bestimmter ganzer Zahlen führt auch zu einer ganz anderen Entwicklung der Sprachtheorie, die mehr Wert auf bestimmte vorgefundene Wesenheiten legt als auf Konstrukte (der Nominalismus hätte es in bestimmter Hinsicht schwerer auf Midgard).

     

    * Auf Midgard sind Zeitreisen möglich. Ein spezifischer philosophischer Schwerpunkt auf Zeitparadoxien ist zu vermuten.

     

    * Auf Midgard gibt es eine bestimmte Art des Schicksals - es gibt ja auch eine bestimmte Art der zuverlässigen Wahrsagerei. Von dem Vorhandensein zuverlässiger Wahrsagerei ist nicht nur die Ethik betroffen, sondern es sind auch tiefgreifende Einflüsse auf die Naturphilosophie anzunehmen.

     

    * Auf Midgard gibt es reine Materialien als tägliches Arbeitsmaterial der Alchemie. Die Vorstellungen vom Getrennt-sein- und Durchmischt-sein, vom Ganz-sein und vom Geteilt-sein werden sich an diese Phänomene anpassen müssen - und damit nicht nur die Naturphilosophie, sondern auch die Metaphysik.

     

    * Auf Midgard gibt es mehr Sinne, die zur Wahrnehmung der Welt zuverlässig herangezogen werden können, als auf der Erde - vor allem Sinne, um die nicht-physische Welt wahrzunehmen (Auren, Ebenen). Die Erkenntnistheorie wird das berücksichtigen müssen, und vermutlich wird das Paradigma des „Sicheren Blicks“ als wichtigstem aller Sinne dadurch verstärkt und der Tastsinn ein wenig entwertet (immerhin sind Seelenreisen möglich).

     

    Ethik

     

    * Auf Midgard sind Wesen anderer Sphären zu Gast oder werden sogar Siedler oder Kolonisten. Diese Wesen erzählen von vollständig anderen Welten, auch mit anderen physikalischen Gesetzen. Die Bereitschaft zu Zweifel, Streit und Offenheit gegenüber anderen Meinungen wird durch diese Überfülle von Weltordnungen wohl erhöht, und die Begriffe der Natur, des Gesetzes und des Kosmos werden deutlich von den irdischen Abweichen. Ein Universum wird sicherlich nur als hypothetisches Phänomen diskutiert werden. Die Liste der Naturgesetze, die unhinterfragbar überall gelten sollen, wird mit Sicherheit eine andere sein als auf der Erde, und die Diskussion um diese Liste lebhaft und faktengesättigt.

     

    * Auf Midgard ist der Mensch nicht das einzige vernunftbegabte Wesen (dem er selbst Vernunft zuschreiben kann) - es gibt menschenähnliche Völker, Halbmenschen, extrassphärische Gäste und sogar Götter und ihre Boten. Eine Philosophie, die den Kosmos bloss auf den Menschen hin deutet, würde gradezu lächerlich wirken. Der Mensch kann nicht Maß aller Dinge sein, und er kann auch nicht im Mittelpunkt des Kosmos stehen (Positionen dieser Art wären in der Wirklichkeit Midgards geradezu radikal und aggressiv). Den Mensch als Mitte des Universums zu sehen, oder als Höhepunkt der Schöpfung, wäre auf Midgard entweder ein satyrischer Witz, oder eine ernstzunehmende und gefährliche politische Forderung.

     

     

    Spezielle Unterschiede der chryseischen Philosophie zur irdischen Philosophie

     

    * Chrysea wurde auf den Ruinen eines untergegangenen Großreiches größenwahnsinniger elitärer Beschwörer errichtet. Ein gewisses Grundmißtrauen zur politischen Macht und zum Zentralismus sollte bis heute üblich sein, und das Verhältnis von politischer Macht und arkaner Macht wird mit Sicherheit deutlich und kontrovers diskutiert. „Ethik der arkanen Künste“ ist sicherlich Pflichtfach der Magierakademien, und eine gute Vorlesung zum Thema eine sichere Einnahmequelle reisender Philosophen.

     

    * Zur Zeit des Wiederaufbaus Chryseas war der Glaube an NeaDea und Wredelin den Überlebenden hilfreich (auch bei der Reorganisation der Gemeinwesen und im Kampf gegen die Reste der Geschöpfe der Seemeister). Eine grundsätzliche Dankbarkeit einer wohlmeinenden Priesterschaft gegenüber kann sich also auch durchaus in der Philosophie wiederspiegeln, allerdings immer im Gleichgewicht mit einem gesunden und auf Erfahrung beruhenden Mißtrauen den in Midgard real existierenden Dienern Finstrer Götter gegenüber.

     

    * In Chrysea gingen viele alte Götter verloren oder „starben“. Der Gedanke des Götterkrieges und die Folgen der Veränderungen eines Pantheons sollten Eindruck auf chryseische Denker gemacht haben, vor allem, was Vorstellungen der Stabilität, der Ewigkeit und Zuverlässigkeit angeht.


    Benutzer-Feedback

    Empfohlene Kommentare

    Nikomedes

    Geschrieben (bearbeitet)

    Wenn du über Götter und Seelen philisophierst (Abschnitt Metaphysik), dann vergiß nicht, dass die Wredelin Geistlichen da ein gewichtiges Wörtchen mitzusprechen haben. Die Patriachen und Matriarchinnen versuchen in ihrem jeweiligen Einflussbereich ihre Vorstellungen zu verbreiten und dies kann, mit allzu freigeistigen Philosophieschulen, zu Konflikten führen. Im weiteren Verlauf auch zu Schließungen der Schulen, denn wenn es zum Konflikt kommt steht der Wredelin Priesterschaft (auch wenn sie nicht unbedingt chryseiaweit zentralisiert organisiert ist, sondern sich möglicherweise nur auf eine Polis oder Region erstreckt) sicher mehr Macht und Einfluß zur Verfügung als einer Philosophieschule. (* Anm. Absatz geändert aufgrund DiRis Anmerkung weiter unten)

     

    Auch bezweifle ich, dass die Informationen zu Wahren Namen derart verbreitet sind, dass sich Philosophieschulen damit wie selbstverständlich beschäftigen. Was nicht heißt, dass nicht ein spezieller Meister einer Schule mit diesem Thema jonglieren mag, aber als eigene "Studienrichtung", ich glaub eher nicht. Etwas abgeschwächter gilt das auch für den restlichen Naturphilosophie- und den Ethik-Abschnitt. (Als Metadiskussionen (also nicht auf Spielweltebene) sind die Themen aber natürlich passend, falls ich dich falsch verstanden habe.)

     

    Insgesamt habe ich mir die chryseischen Denkfabriken nicht so freigeistig vorgstellt wie du sie skizzierst und wie sie vielleicht im klassischen Griechenland gewesen sein mögen, sondern viel eingeschränkter (durch den mächtigen Kirchenapparat) und profaner angelegt. Zum Beispiel würden die heutigen "Philisophenschulen" (sofern sie überhaupt noch so genannt werden dürfen) sich eher mit Verwaltungsfragen, Geschichte und Staatskunde beschäftigen. Bei diesen Themen kann man der Kirche nicht auf den Fuß treten. Was natürlich (wiederum) nicht einzelne Ausnahmen ausschließen soll, aber eben nicht als Schule organisiert.

     

    Beachte zu diesem Thema auch die Erklärung aus dem Regelwerk warum es in Chryseia keine Magister gibt, die dortige Umgebung sei nicht geeignet genug solche Freigeister zu entwickeln die nicht in das starre Denkkorsett der Kirche passen.

    Bearbeitet von Nikomedes
    SMH

    Geschrieben (bearbeitet)

    Hallo Rabe,

     

     

    das Leib-Seele-Problem stellt sich also nicht auf die aus der irdischen Diskussion bekannte Weise.

     

    Ich sehe hier Parallelen zur antiken Leib-Seele-Problematik. D.h., die Existenz der Seelen gilt als ausgemacht, aber die Frage ist, wie Seele und Leib wechselwirken. Außerdem: Ist die Seele nun Substanz oder Qualität?

     

    Materialismus stellt auf Midgard keine auf den ersten Blick überzeugende Position dar (wohl aber eine hypothetische), da die Behauptung, daß Menschen bloß Maschinen seien, offensichtlich kontrafaktisch ist (Beobachtungen, die das Gegenteil belegen, sind alltäglich).

     

    Wie Du schon sagst, "auf den ersten Blick". Zur Idee des Maschinismus führte daher der Weg weg vom alltäglichen Blick hin zur philosophisch methodischen Reflexion. Und dann wurde er auch plötzlich sehr plausibel. Ich teile hier Deine Ansicht, dass maschinistisches Denken in Chryseia keine Rolle spielen dürfte, da es auch bei den historischen Vorbildern keine Rolle spielte (siehe unten).

     

    Angriffe auf den Freien Willen können dennoch unter Hinweis auf den Plan der Götter oder auf das Schicksal oder auf bekannte Zeitparadoxa geführt werden. Ausserdem eröffenen sich ganz neue Felder der praktischen Ethik.

     

    In Chryseia ist für die Willenstheorie weniger die Spielerei von Zeitparadoxa (die übrigens in Midgard gar nicht existieren) ausschlaggebend, als vielmehr das Paradigma des Neadeismus. Es ist ausgemacht, dass jeder Mensch die Last der Erbsünde trägt, sonst wäre er ja nicht in der Welt. Die chryseischen Philosophen dürften daher zwei Strukturen miteinander wechselwirken lassen müssen - so dass sich das Leib-Seele Problem hier auf diffizile Weise wieder in den chryseischen Diskurs zurückbringt -, nämlich: Wie hängt der freie Wille des Einzelnen, der sich entschließen kann, asketisch den Weg zur Erlösung zu gehen, mit dem faktischen Schicksal zusammen, das NeaDea darstellt und für alles Lebendige bereithält?

     

    * Es ist auf Midgard gegeben, dass Götter existieren. Gottesbeweise werden somit unwichtig (ich beweise ja auch nicht die Existenz meines Esels).

     

    Du schließt hier etwas vorschnell. Verbleiben wir in Chryseia, so müssen trotzdem Fachleute eruieren, ob ein Wunder tatsächlich ein Wunder ist oder nicht vielmehr Einbildung, Natureffekt oder ähnliches. Der Schwerpunkt der Gottesbeweise verschiebt sich leicht zum Nachweis des Übernatürlichen und des Wunders.

     

     

    Es ist auf Midgard gegeben, das es unsichtbare Kräfte gibt, die in der Welt wirken - die Vorstellung der Welt als Mechanismus (also als berechenbare Maschine mit eindeutigen und diskreten Zuständen) wird Nebenposition bleiben.

     

    Das sähe ich ähnlich, vor allem weil der Mechanismus eine Erfindung der Neuzeit ist und bei den Vorbildern Chryseias gar nicht auftaucht. Der Materialismus ist organizistisch oder zumindest kosmologisch.

     

    Weltbilder, in denen ein Vakuum vorkommt, werden ausserordentlich selten und ungewöhnlich sein, vielleicht wird ein Vakuum sogar verlacht („Die Leere? Du kommst schon wieder mit der Lehre von der Leere? Die gibt´s doch nur zwischen Deinen Schädelwenden!“)

     

    Ich würde auch sagen, dass in Chryseia vielmehr das ontologische Prinzip gilt, dass Etwas ein Etwas durch Etwas bewirkt. Andererseits dürften demokritische Spekulationen über leere Räume als Skurrilität auftauchen. Da der antike Atomismus mehr oder weniger aus dem Atheismus kommt und/oder in ihn mündet, dürfte diese Position im theologisch orientierten Chryseia eine Minoritätenmeinung darstellen.

     

    Eine Wissenschaftstheorie auf Midgard wird dennoch großen Wert auf die Trennung von Glaubhaften und Unglaubhaften Aussagen legen, wobei die Bedeutung der Sinne im Verhältnis zur Bedeutung der Vernunft hervorgehoben werden wird (es gibt eben mehr zu beobachten als auf der Erde). Illusionen zu erkennen und mit ihnen zu arbeiten wird zentraler Teil der Erkenntnistheorie und nicht nur amüsantes Nebengebiet.

     

    Wobei hier der menschliche Pragmatismus wichtiger sein dürfte. Anstatt erkenntnistheoretische Spekulationen anzustellen, nutzt man schlicht die Magischen Rituale des Zweiges des Wissens. Der rationale Umgang der magischen Wissenschaftler wird daher eher im Bereich der Magietheorie als der Erkenntnistheorie stattfinden. Was der profane Chryseier so räsonniert und der theologisch verbrämte Chryseier: siehe unten.

     

     

    Auf Midgard sind Wahre Namen bekannt und ihre Macht ist überprüfbar. Die Auswirkungen auf die Sprachphilosophie sind unübersehbar. Als Folge sind sowohl Sprachreinigungsprogramme als auch Sprachforschungsprogramme möglich. Es stellen sich Fragen nach Auffindbarkeit, Ursprung und Veränderung Wahrer Namen (Naturphilosphie und Ethik).

     

    Wie Nikomedes bereits schrieb, halte ich solche Disziplinen des Wissensmanagements in Chryseia für falsch am Platze. An der Multiversität in Crandanor gehören diese Themen sicherlich in die Kolloquien.

     

    * Auf Midgard werden Zahlen so behandelt, als ob sie mystische Kräfte hätten - auf der Erde haben wir uns daran gewöhnt, diese Vorstellung als Zuschreibung zu behandeln. Die Praxis der Be- und Abschwörer bestätigt aber die immantente Kraft der Zahl, die über bloße Vorstellung hinausgeht.

     

    Ich verstehe es eher so, dass der wissenschaftliche Grundtenor Midgards eher die Theorie "natürlicher Korrespondenzen" darstellt. Die Kunst der Beschwörungen operiert mit Ähnlichkeiten, so dass es gerade die "bloßen Vorstellungen" sind, die hier eine Rolle spielen. Sprachphilosophisch würde ich mich hierbei übrigens überraschenderweise an der Sprachtheorie von Walter Benjamin orientieren.

     

     

    Auf Midgard sind Zeitreisen möglich. Ein spezifischer philosophischer Schwerpunkt auf Zeitparadoxien ist zu vermuten.

     

    Es sind keine Zeitreisen möglich, sondern nur ein Blick in die Vergangenheit. Aus dieser Kuriosität der Magie auf einen "spezifisch philosophischen Schwerpunkt" zu schließen, halte ich für übertrieben.

     

    * Auf Midgard gibt es eine bestimmte Art des Schicksals - es gibt ja auch eine bestimmte Art der zuverlässigen Wahrsagerei.

     

    Ich habe mit Deinen "Es gibt"-Sätzen arge Probleme. Es "gibt" eine "bestimmte Art" des Schicksals im Regelwerk, ja (SG), aber dies ist keine Abbildung der tatsächlich in der Spielwelt existierenden Schicksalstheorien. Darüber hinaus gilt das Primat der Göttlichkeit insofern, als dass ja NeaDea selbst eine Schicksalsgöttin darstellt. Die "zuverlässige Wahrsagerei" besteht in der Orakelkunst, die ein priesterliches Vorrecht darstellt.

     

    Auf Midgard gibt es reine Materialien als tägliches Arbeitsmaterial der Alchemie. Die Vorstellungen vom Getrennt-sein- und Durchmischt-sein, vom Ganz-sein und vom Geteilt-sein werden sich an diese Phänomene anpassen müssen - und damit nicht nur die Naturphilosophie, sondern auch die Metaphysik.

     

    Witzigerweise spielen die Vorstellungen vom Getrennten, Durchmischten, Ganzen und den Teilen in der Antike eine zentrale Rolle, da die gesamte Relationtheorie darauf basierte. Aus diesem Grund wäre dies kein Unterschied zu Chryseia, man bräuchte nur "abschreiben".

     

    Auf Midgard gibt es mehr Sinne, die zur Wahrnehmung der Welt zuverlässig herangezogen werden können, als auf der Erde - vor allem Sinne, um die nicht-physische Welt wahrzunehmen (Auren, Ebenen). Die Erkenntnistheorie wird das berücksichtigen müssen, und vermutlich wird das Paradigma des „Sicheren Blicks“ als wichtigstem aller Sinne dadurch verstärkt und der Tastsinn ein wenig entwertet (immerhin sind Seelenreisen möglich).

     

    Die Erkenntnistheorien werden recht banal ausgestaltet sein, wie sie es auch bis in die frühe Neuzeit der irdischen Geschichte gewesen sind. Das Wunder der Aurenwahrnehmung oder ähnliche Informationszauberei dürften die Chryseier nicht unter die menschlichen Sinne ordnen (wie es auch nicht in der Magietheorie des MDS getan wird). Ich könnte mir vorstellen, dass Abbildtheorien die Runde machen, ähnlich denen Epikurs. Dies dürfte für die meisten Denker Chryseias allerdings Spielerei darstellen, da die Erkenntnis in diesem Land mystisch strukturiert ist. Über den Weg der Askese wird quasi die Erkenntnis, und die höchste Erkenntnis ist die Erkenntnis des Göttlichen, gesucht. Überlegungen zur chryseischen Erkenntnistheorie sollten darüber hinaus bedenken, dass die Materie schlecht ist. Besonders gut passen daher Platonismen, wie die Vorstellung, dass das materielle Prinzip doxa hervorruft, während das geistige Prinzip wahre Erkenntnis liefert.

     

    " und die Begriffe der Natur, der Gesetzes und des Kosmos werden deutlich von den irdischen Abweichen. Ein Universum wird sicherlich nur als hypothetisches Phänomen diskutiert werden. Die Liste der Naturgesetze, die einfach überall gelten sollen, wird mit Sicherheit eine andere sein auf der Erde, und die Diskussion um diese Liste lebhaft und Faktenreich."

     

    Ich finde es seltsam, dass Du den Naturbegriff ohne historische Dimension verstehst. Erstens unterlagen "irdisch" die Konzepte 'Gesetz', 'Natur' und 'Kosmos' Bedeutungswandlungen und zweitens ignorierst Du den theologischen Hintergrund, vor dem chryseisches Denken und auch Philosophieren stattfindet. Um an Deine Begriffsvorschläge anzuschließen: Das Konzept des "Universums" wird es nicht geben: Erstens wissen die Gelehrten vom multiversalen Charakter der Wirklichkeit und zweitens darf die chryseische Kosmologie nicht außer Acht gelassen werden: NeaDea erschuf die Welt als Gefängnis der sündigen, vom Licht abgefallenen Seelen.

     

    In bezug auf die Spekulationen über Naturgesetztlichkeit würde ich den Reflexionsstand des MDS mit seiner Affinitätentheorie als verbindlich betrachten. Allerdings dürften die chryseischen Denker die wertneutralen Theorien der valianischen Magier in das neadeistische Paradigma transferiert haben. Sie werden vom Kosmos sprechen, statt vom Multiversum, dessen Ordnung dadurch gegeben ist, dass die Materie das Prinzip des Bösen darstellt und aus dem Licht emanierte (jedoch nicht auf Grund des Überflusses der Schöpfergottheit NeaDea, sondern als Tat der Demiurgin selbst, die aus rationalen Beweggründen die Welt erschuf).

     

    Eine Philosophie, die den Kosmos bloss auf den Menschen hin deutet, würde gradezu lächerlich wirken.

     

    Anthropozentrismus ist eines der zentralsten Merkmale der ancilla theologiae, als die ich auch die chryseische Philosophie sehe.

     

    Den Mensch als Mitte des Universums zu sehen, oder als Höhepunkt der Schöpfung, wäre auf Midgard entweder ein satyrischer Witz, oder eine ernstzunehmende und gefährliche politische Forderung.

     

    Es ist etwas anders: Die verschiedenen theologischen Schulen werden sich wohl darüber streiten, ob der Mensch das größte Übel der Materie darstellt, oder ob die vernunftlose und bewusstlose Materie (wie Tiere, Pflanzen, Steine et cetera) verderbter sind. Worin sich aber alle einig sind, ist, dass speziell den Menschen von NeaDea die Möglichkeit offenbart wurde, aus der Materie in den Geist/das Licht zurückzukehren: Sie schickte den Menschen ihren Sohn Wredelin, der die Weisheit verkörpert und Bedingungen zur Rückkehr in den Schoß der Großen Mutter bereithält, sofern man seinen Idealen nacheifert.

     

    „Ethik der arkanen Künste“ ist sicherlich Pflichtfach der Magierakademien, und eine gute Vorlesung zum Thema eine sichere Einnahmequelle reisender Philosophen.

     

    Das Kirchenrecht sowie die Theologie diktieren soetwas wie die "Ethik der arkanen Künste". Ich verweise nur auf die Institution der Heiligen Katharogene, die definiert, was als Theurgie und Goetie gilt. Über diese Bestimmungen werden sich die Magiergilden nicht hinwegsetzen können. Dozenten an Magiergilden, welche diesen Bereich unterrichten, sind daher theologisch geschulte Rechtsgelehrte, keine Philosophen.

    Bearbeitet von Slasar
    Triton Schaumherz

    Geschrieben

    Hallo Slasar,

     

    mir fällt auf, dass Du in dieser Diskussion bestimmte Dinge als gegeben annimmst, die nicht Teil des Midgard-Kanons sind. Vielleicht einigt ihr euch erst einmal, auf welcher Grundlage ihr diskutieren wollt:

     

    Es ist ausgemacht, dass jeder Mensch die Last der Erbsünde trägt, sonst wäre er ja nicht in der Welt.
    Den Begriff "Erbsünde" habe ich noch nie im Zusammenhang mit der chryseischen Religion gelesen. Woher beziehst Du diese Information?

     

    Darüber hinaus gilt das Primat der Göttlichkeit insofern, als dass ja NeaDea selbst eine Schicksalsgöttin darstellt.
    Falls Du damit auf die drei Schicksalsaspekte in B&R anspielst, dieser Artikel gilt mittlerweile als überholt und darf ignoriert werden.

     

    Sie werden vom Kosmos sprechen, statt vom Multiversum, dessen Ordnung dadurch gegeben ist, dass die Materie das Prinzip des Bösen darstellt und aus dem Licht emanierte (jedoch nicht auf Grund des Überflusses der Schöpfergottheit NeaDea, sondern als Tat der Demiurgin selbst, die aus rationalen Beweggründen die Welt erschuf).
    Ich vermute, das geht auf meinen [thread=7640]Beitrag im QB-Forum[/thread] zurück. Dieses gnostische Weltmodell hat es bis jetzt aber auch nicht in den Kanon geschafft, darf also auch ignoriert werden.

     

    Herzliche Grüße,

    Triton

    • Like 1
    SMH

    Geschrieben

    mir fällt auf, dass Du in dieser Diskussion bestimmte Dinge als gegeben annimmst, die nicht Teil des Midgard-Kanons sind.

     

     

    Hallo Triton,

     

    da mir der Midgard-Kanon bzgl. Chryseia mehr oder weniger unbekannt ist und nur am Rande mal so in die spekulativen Gespräche dieses Unterforums schimmert, hast Du völlig recht. Mein Chryseia-Bild ist geprägt durch das Forum und das meiner eigenen Gruppe (welches allerdings auf den Entwicklungen der inoffiziellen und offiziellen Midgard-Macher aufbaut) sowie meiner Lektüre der historischen Vorbilder der Region.

    Den Begriff "Erbsünde" habe ich noch nie im Zusammenhang mit der chryseischen Religion gelesen. Woher beziehst Du diese Information?

     

    Aus der gnostischen Kosmologie des Neadeismus. Vielleicht ist der Terminus allzu christlich, das kann sein. Mir geht es darum, dass im Neadeismus der Mensch als gefallene Existenz in die Welt geboren wurde. Da dieser sündige Zustand aus einer Ursünde resultiert, die - Gründe dafür sind nur abstrakt formuliert bisher - im Abfall der guten Geister vom Lichte NeaDeas besteht, empfinde ich den Begriff der Erbsünde als treffend, auch wenn er - das gebe ich zu - Unpassendes konnotiert.

     

    Falls Du damit auf die drei Schicksalsaspekte in B&R anspielst, dieser Artikel gilt mittlerweile als überholt und darf ignoriert werden.

     

    Nein, diesen Artikel ziehe ich auch nicht mehr zu Rate. Meine Überzeugung basiert auf den Beschreibungen der NeaDea im Forum, wie sie Kazzirah mal für eine Ausarbeitung hinsichtlich der Inspirationsquellen erörtert hat. Hierbei traf ich auf den Schicksalsaspekt, der sich wiederum sehr gut mit der anscheinenden Grundidee NeaDeas als Schicksalsgottheit (wenn auch nicht als Trinitas) und den historischen Vorlagen in Einklang bringen lässt. Dies ist natürlich nicht offiziell abgesegnet.

     

    Ich vermute, das geht auf meinen Beitrag im QB-Forum zurück. Dieses gnostische Weltmodell hat es bis jetzt aber auch nicht in den Kanon geschafft, darf also auch ignoriert werden.

     

    In Ordnung, allerdings finde ich es hochspannend, absolut passend für Chryseia und nutze es fortan als Diskussionsgrundlage. Vielleicht hätte ich meine persönlichen Meinungen sauberer von offiziell bereits zementierten Fakten differenzieren sollen, das wäre redlicher gewesen.

    DiRi

    Geschrieben (bearbeitet)

    Die Kirche versucht in ganz Chryseia ihre Vorstellungen zu verbreiten und dies kann, mit allzu freigeistigen Philosophieschulen, zu Konflikten führen.

     

    Nur zur Klarstellung: Im offiziellen Midgard gibt es in Chryseia keine Kirche!

     

    Die Gläubigen an Nea Dea, Wredelin und Jakchos sind in diesem Glauben vereint, und es ließe sich daraus auch eine Glaubensgemeinschaft ableiten. Diese Koinodoxia ist aber keinesfalls eine institutionalisierte Kirche. In jeder Herrschaft in Chryseia regeln die Patriachen und Matriarchinnen ihre Belange selbst. Alle paar Jahre wird sich auf einem Synodos um eine einheitliche Linie bemüht - ein Mehr hin zu einem kirchlichen Überbau gibt es nicht.

     

    Die einzige religiöse Organisation, die landesweit auftritt bzw. vorhanden ist, ist die Hl. Katharogene.

     

    Ciao,

    Dirk

     

    Nachtrag:

     

    • Natürlich sind auf Midgard und nach den Midgardregeln Zeitreisen möglich und es gibt selbstvertsändlich auch Zeitparadoxa! Wer hier etwas anderes behauptet, irrt und sollte sich in diesem Zusammenhang sachkundig machen.
    • Nea Dea und Wredelin sind nicht Maria und Jesus (auch wenn dies auf den ersten Blick als naheliegend erscheint).
    • Christliche Elemente in der chryseischen Religion sind eher marginal. Ob z.B. so etwas wie "Sünde" überhaupt bekannt ist, ist zumindest fraglich. Eine "Erbsünde" wird es nicht geben.
    • Und lasst nicht in euren Überlegungen Jakchos unter den Tisch fallen; er gehört mit dazu.
    • Dies sind wie immer lediglich die offiziellen Sichtweisen; in euren Runden kann und darf es auch anders aussehen.

    Bearbeitet von DiRi
    • Like 1
    Nikomedes

    Geschrieben

    Die Kirche versucht in ganz Chryseia ihre Vorstellungen zu verbreiten und dies kann, mit allzu freigeistigen Philosophieschulen, zu Konflikten führen.

     

    Nur zur Klarstellung: Im offiziellen Midgard gibt es in Chryseia keine Kirche!

     

    Danke für den Hinweis, hätte nicht (gewohnheitsmäßig) Kirche schreiben sollen, hab meinen Kommentar etwas abgeändert.



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