Der erste Reisetag
Gleich am nächsten Tag musste ich feststellen, dass meine Reisegefährten nicht gerade einfach waren, was das Essen anging. Als ich mich zum zweiten Frühstück am Straßenrand niederlassen wollte, fragten sie völlig verständnislos, was ich vorhätte. „Es ist Zeit für das zweite Frühstück“, sagte ich ihnen, „schaut mal, wie hoch die Sonne schon steht.“ Verwirrung machte sich scheinbar breit, nur der Gnom, Elwedritsch, stieg ab und wollte sich dazugesellen. „Nichts da“, hieß es dann von Ganymed, dem Fian. „Wir wollen schließlich rechtzeitig zum Turnier in Adhelstan ankommen. Schließlich sind wir ja angeblich Terras ‚Gefolgsleute‘“ – er warf ihr einen etwas beleidigten Blick zu – „und sie muss ja für ihren Jugendfreund Herewald am Turnier teilnehmen, da er ja einen verletzten Arm hat!“ Es folgte ein genervter Blick zu genannter Blechbüchse. Dieser quasselte ununterbrochen, und auch wenn ich nichts gegen ein gelegentliches Schwätzchen habe, muss ich doch zugeben, dass er ein wenig nervig war, und ich ihm gerne mal einen guten Rat gegeben hätte.
Doch jetzt stand ich vor einem ganz anderen Problem: Einige schienen Ganymed Recht zu geben. „Aber wir müssen doch was essen! Wir können doch nicht ohne Frühstück weiterreiten!“ „Wir haben doch schon gefrühstückt…“, kommentierte Ganymed. „Ja, aber was ist mit dem zweiten Frühstück?“ „Wir reiten weiter bis heute Abend. Da gibt’s dann im Gasthaus wieder was zu essen.“ „Also ich könnte auch was essen“, merkte Elwedritsch an. „Also gut, stimmen wir ab. Wer ist dafür, dass wir jetzt eine Pause machen und was essen?“ Elwedritsch, Farand und ich hoben die Hand. „Wer ist dagegen?“ Fünf Hände hoben sich. Ich brummte mürrisch, aber da ließ sich wohl nichts machen. „Ihr könnt euch ja auf meinen Karren setzen und da was essen“, schlug Marcello vor. Ziemlich eingeschnappt über die Ignoranz der großen Leute kletterte ich auf den Wagen und packte ein großzügiges Picknick aus, auf Elwedritsch’s Wunsch zauberte ich auch noch einen Krummbeerekuchen, zu albisch einen Kartoffelkuchen herbei. Der Hund, Balian, der sich bei der Gruppe befand, bekam selbstverständlich auch ein großes Stück Schinken.
Gegen Mittag versuchte ich noch einmal, die Leute zu überzeugen, dass es doch viel schöner und sinnvoller sei, zum Essen anzuhalten. „Sag mal, wie willst du denn was erleben, wenn du die ganze Zeit nur isst?“, wurde ich gefragt. „Na ganz einfach – die Abenteuer kommen doch zu mir, wenn ich an einer Stelle bleibe. Wenn ich dauernd vor ihnen wegreite, dann holen sie mich doch nie ein.“ „Aber es wäre doch blöd, wenn du beim Essen von Räubern überfallen wirst?“ „Nee, das wäre doch spannend. Außerdem würden sie mich ja nicht überraschen, weil ich warte ja quasi auf sie.“ „Naja, aber du weißt ja nicht, dass sie kommen. Es ist doch besser, wenn man selber das Abenteuer findet, als wenn das Abenteuer einen findet. Dann ist man wenigstens vorbereitet.“ Diese Logik gefiel mir zwar ganz und gar nicht; welchen Sinn hatte es, Abenteuer zu suchen, wenn sie doch von selber kamen und man gemütlich bei einem Picknick auf sie warten konnte? Aber ich verzehrte auch mein Mittagessen auf dem Karren.
Die restlichen Tage murrte ich noch ab und zu, freundete mich aber langsam mit der Karren-Lösung an, da ich einsah, dass Widerspruch zwecklos war.
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