Das Turnier-Finale
[spoiler=Turney zu Adhelstan]
Das gleiche Vorgehen wie am vorigen Tag war Tagesordnung. Erst Terras erster Kampf brachte das durcheinander. Dieser war… Naja, wie soll ich sagen… dramatisch vielleicht. Bei ihrem Gegner handelte es sich um einen sehr arroganten Haudrauf, der ihr vorher groß ankündigte, er werde sie fertig machen, sie solle lieber gleich aufgeben. Zu Beginn sah es auch echt nicht gut aus, beim ersten Anreiten traf er Terra am Bein, und bei der Wucht wäre sie sicher heruntergefallen, wäre sie nicht festgeklebt gewesen. Beim zweiten Anreiten war sie geistesgegenwärtiger und griff zuerst an, traf ihn jedoch nicht, und sie rauschten ohne Schlagabtausch aneinander vorbei. Noch einmal wendeten sie die Pferde. Terra setzte sich gerade auf, die Sonne blitzte hell auf ihrer Rüstung, als sie wieder anritt, sie legte ihre Lanze an, konzentrierte sich ganz auf diesen einen Angriff, und mit einem ekelhaften Knirschen drang ihre Lanze in den Helm ihres Gegners, der zerplatzte. Einen Augenblick herrschte vollkommene Stille, auch Terra, die ihr Pferd wieder gewendet hatte, starrte entsetzt und ungläubig auf das Ergebnis ihres letzten Angriffs. Lautes Getöse brach los, Frauen kreischten, einige vielen in Ohnmacht. Offenbar völlig durcheinander kam Terra zu uns geritten, als das Gefolge des Ritters zu ihm trat, um ihn auf eine Bahre zu legen und davonzutragen.
Ich war ziemlich erschüttert, ärgerte mich aber auch über die großen Leute: Was dachten sie sich denn auch, mit Pferden aufeinander zuzupreschen und dabei aufeinander einzustechen? Kein Wunder, dass da schonmal jemand durchbohrt wurde! Selbst Schuld, aber echt! Ich murmelte auf dem Weg und beim Kochen zornig vor mich hin, wagte aber nicht, in Terras Anwesenheit etwas laut zu äußern, die ein wenig apathisch hinter uns her trottete. Herewald war im Gegensatz zu uns anderen einfach nur begeistert, dass Terra ins Finale gekommen war. ‚Wir als ihr Gefolge‘ müssten doch stolz auf sie sein! Ganymed nahm das gleich zum Anlass, ihn einmal mehr anzupampen, was auch auf der Reise nicht selten vorgekommen war. Im Wesentlichen ging es immer nur darum, dass keiner von uns Terras Gefolge war, sondern dass sie sich uns vielmehr angeschlossen hatte, weil sie sonst alleine unterwegs gewesen wäre. Er schien schon ein bisschen schwer von Begriff zu sein, dieser Herewald.
Als das Finale heranrückte, hatte sich Terra wieder gefasst, war aber wesentlich nachdenklicher als zuvor. Ich mochte gar nicht hinsehen, es konnte ja genausogut sein, dass Terra einmal von einer Lanze aufgespießt wurde. So bekam ich nicht viel vom Kampf mit. Nur ein dumpfer Aufprall und anschließend lautes Jubeln verrieten mir daher, dass es zuende war. Ich wagte einen kurzen Blick auf den Platz: Da saß Terra eben von ihrem Pferd ab, um ihrem Gegner vom Boden aufzuhelfen, der sich schnell trollte. Wir alle drängelten uns rasch zu Terra durch, um sie zu beglückwünschen, allen voran natürlich Herewald, der sie mit Dank und Lob überschüttete. Eine Fanfare wurde geblasen – man, war die laut! – und der Syre bat Terra und Herewald zu sich, während er seiner Tochter bedeutete aufzustehen. Die hatte ein merkwürdig ausdrucksloses Gesicht, dafür dass es hier um ihre Hochzeit ging, wenn ihr mich fragt.
Während der Syre noch Terras Geschick und Tapferkeit lobte, hörte ich, wie etwas in der Nähe einschlug. Ein rascher Blick umher ließ mich auch erkennen, wo: Auf das eben noch so ausdruckslose Gesicht der Prinzessin war auf einmal ein überraschter Ausdruck getreten, auf ihrer Stirn war ein dicker schwarzer Punkt zu sehen, aus dem jetzt langsam eine rote Flüssigkeit quoll. Auf den Bänken um den Platz brach Panik aus, alle versuchten, so schnell wie möglich wegzukommen. Niphredil drängte sich zur Prinzessin durch, wurde erst von Wachen aufgehalten, dann jedoch nach einem Wink von Terra durchgelassen. Ithilwen, Reina und Ganymed spurteten schon in die Richtung, aus der der Bolzen gekommen war. Reina kehrte recht bald erfolglos zurück. In der Zwischenzeit hatten wir uns um die Prinzessin gescharrt, um ein wenig zu verdecken, dass Niphredil ihr den Bolzen aus der Stirn zog, und sie hatte festgestellt, dass sowohl der Bolzen als auch die Prinzessin eine Aura hatten, was Cliona zum Anlass genommen hatte, zu überprüfen, ob die Prinzessin verzaubert war. Dem war wohl so – ein Priester wurde herbeordert, um den Zauber zu bannen, was es auch immer sein mochte. Elwedritsch besah sich den Bolzen genauer und stellte fest, dass er mit Zielsuche versehen war. Außerdem bemerkte er noch, dass eine schwarze Flüssigkeit am Bolzen klebte, die Reina nach eingehender Untersuchung als irgendein Gift deklarierte, welches genau konnte sie nicht sagen.
In der Zeit kehrten auch Ithilwen und Ganymed zurück. „Da hinten liegt ein zerbrochenes Fläschchen mit irgendeiner Flüssigkeit drin. Zumindest war sie mal drin…“, bemerkte Ganymed. „Zufällig schwarz?“, fragte Reina. Ithilwen nickte. „Es gibt zwar Spuren, aber die sind schon viel zu zertrampelt, um sie weiter als einen Meter verfolgen zu können.“
Der Priester, der dann auch bald kam, machte sich ans Werk, und nach 10min begannen sich die Konturen der Prinzessin langsam zu verändern. Zuerst nahm die Haut einen ungesunden Grünstich an, dann verformte sich ihr Körper, wuchs ein wenig in die Breite, vor allem die Schultern wurden kräftiger, ihre Gesichtszüge wurden gröber, bis wir zu guter Letzt – Na, was wohl? - einen Ork vor uns liegen hatten. Wir waren alle recht verblüfft, der Syre hingegen war entsetzt. Terra überredete ihn, den Ork erstmal beseitigen zu lassen, wir würden uns darum kümmern, dass die Prinzessin wieder auftauchte. Also begleiteten wir alle den Syre auf die Burg, wo wir uns das Zimmer der Prinzessin vornahmen.
Dort standen das Bett, ein Schreibtisch, ein Schrank, und ein Regal mit einer ganzen Menge Büchern. Guineth untersuchte das Regal und die Bücher, blätterte ein wenig durch und stieß plötzlich einen überraschten Laut aus. „Schau mal, Niphredil!“ Niphredil, die sich ebenfalls ein paar Bücher angesehen hatte, blickte ihr über die Schulter: „Hm. Nicht gerade Lektüre für eine sechszehnjährige Prinzessin.“ Auch Reina war inzwischen fündig geworden. „Schau mal einer an.“ Sie hielt in der einen Hand ein großes Pergament mit einem Hexagon darauf, dass sie unter einem doppelten Boden im Schrank gefunden hatte, in der anderen Hand einen kleinen Stapel Pergament, scheinbar Briefe, die sie eben aus einem doppelten Boden in einer der Schreibtischschubladen geholt hatte. Niphredil stellte das Buch wieder ins Regal, nahm die Briefe entgegen und las vor.
„Tja, ich würde sagen, wir haben unseren Finstermagier!“, war Marcellos Kommentar dazu. „Ja, und wir wissen auch, wie die Prinzessin abgehauen ist…“ Das war Guineth. „Und warum, wissen wir auch. Die Frage ist nur, wie finden wir sie?“ „Ist doch klar!“ Herewald, der bis jetzt nutzlos in der Ecke herumgestanden hatte, trat vor. „Wir folgen ihr auf dem gleichen Weg!“ Unterdrücktes Seufzen. „Na schön, dann stell dich mal auf das Pergament da mit dem Hexagon und rede einfach weiter, irgendwann wird das Schlüsselwort schon dabei sein.“ Der immer (noch) von Herewald genervte Ganymed. Herewald beäugte misstrauisch das Hexagon, stellte sich dann vorsichtig darauf. „So, und was soll ich jetzt sagen?“ „Irgendwas halt.“ „Wie wärs mit ‚Gwyn‘ oder ‚Geliebter‘ oder so?“, schlug Guineth vor. „Oder mit dem Namen von dem Finstermagier - weiß den eigentlich jemand?“ Ganymed schüttelte den Kopf, „Nein, den wusste Ringol auch nicht. Wir wissen jetzt nur, dass er mit W anfängt, den Briefen nach zu urteilen.“
Es war sehr amüsant, zu beobachten, wie Herewald die nächsten 10 Minuten damit verbrachte, im Brustton der Überzeugung Worte zu rufen, die ihm andere sagten. Irgendwann fiel aber keinem mehr was ein, und so begannen wir, uns andere Gedanken zu machen. „Dieses Versetzen-Hexagon hat doch eine bestimmte Reichweite, oder?“, fragte Elwedritsch. Cliona dachte kurz nach, dann meinte sie: „Ja, im Normalfall sind das 500m.“ „Nehmen wir mal an, er war in einem Gasthaus einquartiert, als sie abgehauen ist. Dann suchen wir nach einer zwielichtigen Gestalt in einem Gasthaus in 500m Umkreis – das grenzt die Suche doch schon etwas ein“, stellte Reina fest. „Allerdings wissen wir nicht, ob das ganze heute passiert ist, die Kammerzofe hat ja gesagt, die Prinzessin sei die letzten paar Tage schon sehr ruhig gewesen. Ausschließen können wir es aber auch nicht, da sie ja wohl schon immer sehr ruhig war.“ „Also ist es wahrscheinlich am besten, wenn wir einfach mal die Gasthäuser absuchen – eine bessere Spur haben wir im Moment jedenfalls nicht“, tat Marcello seine Meinung kund. Alle nickten. „Und was mach ich jetzt?“, fragte Herewald, der immer noch auf dem Hexagon stand. „Du packst das Pergament wieder dahin, wo wir es her haben. Und du“, Niphredil wandte sich an die Kammerzofe, „rührst am besten nichts an.“ Die Zofe nickte verschreckt, ich gab ihr beim Hinausgehen noch den Rat, sich erst einmal eine kräftige Brühe zu holen und dann ins Bett zu gehen, was sie auch gleich befolgte – zumindest eilte sie in Richtung Küche davon, dem Duft nach zu urteilen.
0 Kommentare
Empfohlene Kommentare
Keine Kommentare vorhanden