Von den Problemen eine freie Runde zu leiten - Die liebe Not beim Sandboxing
Da beschäftigt man sich eingehend mit den diversen Techniken zum Spielleiten, überlegt sich, wie man den Einfluss von Spielern auf den Lauf der Geschichte erhöhen und den Einfluss des Spielleiters verringern kann. Man liest was von Sandboxing und denkt sich: "Cool! Das will ich auch machen!".
Ok, dann fängt man an. Man Überlegt sich die coolste Kampagne unter der Sonne, man denkt sich ein geniales Setting aus (@Steven Spielberg, George Lucas, Peter Jackson: I am selling the film rights) und dann so was. Die Spieler stehen rum und machen nix. Wie das Kaninchen vor der Schlange hocken sie wie hypnotisiert da und warten dass was passiert.
Sie schaun mich an, ich schau sie an. Es fühlt sich an wie Zwölf Uhr Mittags, als Kane gegenüber der Millerbande steht. Natürlich bin ich Kane. Meine Spieler die Millerbande. Ich bin der Gute, sie die Bösen. Klar, oder?
Was macht also der geniale Spielleiter wenn seine Spieler nicht spuren und die gewährte Freiheit nicht nutzen wollen? Er überlegt sich, ob es nicht doch an ihm liegt. Verdammt! Dahin ist der Nimbus der Unfehlbarkeit. Dahin ist die Selbstsicherheit, dahin ist die Erkenntnis, aus dem heiligen Gral getrunken zu haben.
Ist es etwa so, dass Sandboxing so ganz alleine doch nicht funktioniert? Ist es so, dass grenzenlose Freiheit zu grenzenlosem Hilflos sein führen kann? Ja, kann es. Zumindest ist das meine Lehre, die ich aus meiner Runde ziehe. Wenn man genauer drüber nachdenkt ist es sogar recht plausibel:
Spieler sehen ihre Umwelt nicht mit den Augen ihrer Charaktere. Spieler können nicht einschätzen welche Herausforderung schaffbar für sie ist und welche nicht. Ihre Charaktere können das (ok, meistens). Funktioniere echte Sandboxen deswegen nicht? Oder gibt es eine Lösung für dieses Dilemma?
Ich hab einiges probiert. Ich hab den Spielern die Einschätzung der Lage aus Charaktersicht geschildert (was doof war. Ist ihr Charakter, nicht meiner), ich habe Abenteuer auf sie zukommen lassen, hab Abenteuer ihnen in den Weg gelegt (was auch doof war, ich wollte ja eine Sandbox leiten) - nichts hat so richtig funktioniert.
Bis ich auf die genialste Idee von allen kam. Mit den Spielern reden! Ja! Erstaunlich. In einem kommunikativen Spiel wie Rollenspiel kann man mit Spielern reden. Sie mögen Metadiskussionen über ihre gerade laufende Kampagne. Sie mögen es gefragt zu werden, was sie denn gerne als nächstes machen würden. Ganz außerhalb ihrer Rolle. Ganz einfach als Spieler, der sagt was er denn gerne erleben, bzw. erledigen möchte. Hier kann ich dann als Spielleiter auf die Spieler eingehen, ihnen auch mal 'ne doofe Idee ausreden (Uhm, Du, versuchen könnt ihr es, aber glaubt ihr wirklich, dass Drachenjagd eine gute Idee für eine Grad 2 Gruppe ist?). Aber auch bei der doofen Idee: Wenn sie es trotzdem machen wollen, weil sie 'ne coole Idee haben wie es klappen könnte: Ja prima! Sollen sie es versuchen. Ich lass mich da als Spielleiter gerne überraschen.
Und siehe da: Ab diesem Zeitpunkt hat die Sandbox wunderbar funktioniert. Die Spieler konnten sogar Flag Framing betreiben und mir mitteilen was sie denn gerne erleben würden.
Ich denke, dass das was wir Theoretiker als Sandboxing beschreiben nicht funktioniert, ohne dass man den Spielern (nicht den Charakteren) ein paar Anhaltspunkte in die Hand gibt, bzw. sich mit ihren Zielen und Wünschen auseinandersetzt. Ich denke auch, dass hier der größte Unterschied zu herkömmlichen Kampagnen und Einzelabenteuern liegt. Die Kommunikation auf der Metaebene ist von größerer Bedeutung wie bei herkömmlichen Stilen.
Ja natürlich ist Kommunikation immer wichtig. Aber in althergebrachten Kampagnen reicht es als Spielleiter ab und an mal zu fragen: "Und, wie gefällt es Euch bisher? Soll ich was ändern? Habt Ihr Wünsche?". Beim Sandboxing aber muss dieser Austausch viel Regelmäßiger, mit mehr Einfluß durch die Spieler erfolgen.
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