5.Brief - Naondag, 2. Trideade Schlangenmond
Liebste Mutter,
ich dachte, die letzten Tage unserer Reise seien besonders ereignisreich gewesen und die restliche Reise würde sicher ruhiger verlaufen. Wie sehr hatte ich mich mit diesem Gedanken getäuscht. Wie ich schon erzählt hatte, eröffnete uns Begor am nächsten Morgen, dass er für musikalische Begleitung gesorgt hatte. Außerdem hatte er einen weiteren Söldner angeheuert, da die anderen alle den Wagentrack verlassen hatten. Es tut mir sehr leid, ihm wegen meiner Dummheit solche Umstände bereitet zu haben. Es ist ein Mann aus Chryseia, Iros sein Name. Ein mürrischer Zwerg mit dem Namen Krund Pöttenschmeißer begleitete uns ebenfalls.
Als Gray und ich gerade einen fragenden Blick austauschten, bog Dylan MacBeorn, der Barde um die Ecke. Er hatte seinen Hut mit der Feder an und ein Lächeln auf dem Gesicht, welches sofort erstarb, als er Gray erblickte. Ich konnte es nicht glauben, warum musste gerade dieser Barde uns begleiten? Er war sehr erfreut mich wiederzusehen, ich hingegen hatte einfach nur das Bedürfnis, mich bei ihm zu entschuldigen, da ich mein Verhalten, welches ich auf dem Marktplatz gezeigt hatte, ihm gegenüber ziemlich unverschämt fand. Das tat ich auch, doch er winkte ab und meinte, ich sei nicht diejenige, die sich entschuldigen müsste, sondern Gray.
Wir hatten uns kaum vorgestellt, als wir eine vertraute Stimme hörten. Bernardo kam uns winkend entgegen. Er bot Begor seine Begleitung an und so brachen wir schließlich in Richtung Süden auf, da der Händler noch einen kleinen Umweg machen wollte, um mehr Pfeifenkraut für seinen Handel zu bekommen. Unser Ziel hieß Leaslund, ein größeres Dorf, nicht unweit von Twineward. Bernardo hatte kein Pferd weshalb ich ihm anbot, mit mir gemeinsam Bernesse zu reiten. Bruna lag immer noch darnieder. Ich erzählte ihm, wie es uns auf unserer Reise ergangen war und er berichtete, was er inzwischen erlebt hatte. Ich versuchte auch mit Gray zu reden und bat ihn, sich bei dem Barden zu entschuldigen, doch er weigerte sich. Ich hatte eine böse Vorahnung und wünschte mir, dass es jemand anderes gewesen wäre, der unsere Reise musikalisch unterstützt hätte. Auch wenn man sein Talent kaum leugnen kann. Es ist nicht so, dass ich etwas gegen Dylan habe, ich schätze ihn sowohl als Musikant als auch als Weggefährten, doch ich machte mir Sorgen um die Feindschaft zwischen Gray und ihm und ihren Einfluss auf die Harmonie unserer Gruppe.
Nachdem Dylan und ich ein Duett gesungen hatten, stimmte er ein weiteres Lied an, welches uns alle in äußerst gute Stimmung versetzte. Ich weiß nicht, ob er seine Bardenmagie angewandt hat, jedenfalls war es ein Spottlied über Gray. Er nannte seinen Namen nicht, doch es war offensichtlich. Es war wirkliche in hervorragendes Lied, aber von seinem Inhalt war ich wenig begeistert.
Am Abend kamen wir an eine Taverne. Dort saßen wir noch gemeinsam und redeten über das eine und andere. Hier schnappte ich Gerüchte über eine weiße Frau auf und befragte die Männer, die davon gesprochen hatten. Sie berichtet mir von eben dieser Frau und einem Ungeheuer, wobei sie sich nicht so ganz einigen konnten, was dieses Ungeheuer war und ob es nicht die Frau selbst sei, die irgendwo im Wald von Tureliand zu finden sei. Ich kehrte zum Tisch zurück und berichtete Mira von den Gerüchten. Danach fragte ich Dylan, ob er noch einmal mit mir singen würde, er war begeistert. Er schlug vor, das Lied über Gray zu singen, jedoch weigerte ich mich und bat ihn, ein anderes zu wählen. Auch Mira gab ihre Singkünste zum Besten. Wieder bei Tisch bemerkte ich eine komische Stimmung und hier und da Getuschel. Irgendjemand hatte das Gerücht in die Welt gesetzt Dylan stehe auf Männer. Mein Verdacht viel sofort auf Bernardo, der schon vorher von einem anderen Mann, den er getroffen hatte, solche Geschichten erzählt hatte. Auch bei Iros und Mira spürte ich eine Abneigung gegen den Barden. Bei den Göttern, für Grays Missmut hatte ich Verständnis, aber bei den anderen konnte ich es nicht nachvollziehen. Was hatten sie gegen diesen Mann, den sie noch nicht einmal kannten? Als dann Mira und Bernardo auch noch eine gute Partie für ihn finden wollten – natürlich meinten sie ein Mann – hatte ich genug. Ich lief zu Dylan, der etwas abseits an der Wand gelehnt saß und sprach ihn an. Ich fühlte mich verantwortlich, dafür, dass die Gruppe gegen ihn gestimmt war und suchte nach einer Möglichkeit, dies gut zu machen. Ich erzählte ihm von den Gerüchten und sagte ihm, er solle sich überlegen, was er dagegen tun würde. Als Mira zu uns kam und neben uns lauthals anfing zu grölen, verließen wir das Gasthaus. Die Möglichkeit, mich als Beweis gegen das Gerücht zu benutzen, hing unausgesprochen in der Luft. Er meinte jedoch, er mache sich keine Sorgen, ihm sei es egal was die Leute reden. Und ja, Mutter er sprach auch von seinen Gefühlen mir gegenüber. Warum musste das alles so kompliziert werden? Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte, also bat ich ihn um Bedenkzeit. Diese ließ er mir freilich. So begaben wir uns wieder zurück in die Taverne, in der Bernardo gerade dabei war, einen Streit mit einem Mann anzufangen. Ich ging dazwischen und er beruhigte sich wieder. So hatte ich ihn noch nicht erlebt. Ich war ohnehin schon misstrauisch und das verstärke mein Misstrauen noch. Bernardo…Ich war mir sicher, dass er uns nie sein wahres Gesicht zeigt und sich mehr hinter dem freundlichen, einfältigen Küstenstaatler verbirgt.
Ich fasste einen Entschluss. Ich wollte Dylan auf jeden Fall vor der Gruppe schützen – was auch immer sie gegen ihn hatten – bis sich die Lage wieder beruhigt und ich den anderen diesen Unsinn und ihre unangebrachte Abneigung ausgeredet hatte. Ich hielt die Stimmung kaum aus und wünschte nichts sehnlichster, als dass wieder Ruhe und Einigkeit in die Gruppe einkehrte.
Ich ging zum Wirt und fragte nach einem Doppelzimmer. Ich bezahlte und er gab mir den Schlüssel. Damit ging ich zu Dylan und zusammen begaben wir uns in unser Zimmer. Kurz darauf klopfte Mira an die Tür und als ich öffnete, erzählte sie mir unter Tränen von irgendwelchen Männern im Gemeinschaftsschlafraum, die sie lüstern anstarrten. Ihre schauspielerischen Künste waren nicht besonders gut und ich durchschaute augenblicklich ihr Spiel. Hinzu kam die Tatsache, dass sie ein Halblingsmaid war und Männer, sofern keine Halblinge, nicht an ihr interessiert waren. Ich war irritiert und konnte ihr Verhalten nicht verstehen. Als sie weiterhin auf ihrer Aussage beharrte, reagierte ich ziemlich ungehalten. Sie stapfte beleidigt davon und ich machte die Türe mit einem Seufzer zu. Ohne weitere Unterbrechungen unterhielten wir uns bis spät in die Nacht hinein. Ich erfuhr über sein Leben, das bereits 26 Sommer zählte und seinen Reisen, die ihn schon durch viele Teile Albas geführt hatten. Dylan machte keine Anstalten, sich mir zu nähern und ich konnte beruhigt neben ihm schlafen. Zuvor hatte er mich jedoch gefragt, ob ich wünschte, dass er den Wagentrack verlässt, damit der Gruppenzusammenhalt nicht unter seiner Anwesenheit leidet. Es wäre eine leichte Lösung gewesen, doch irgendwie war ich damit nicht zufrieden und meinte, er solle das tun, was er für richtig halte. Er betonte, dass er von den anderen keine Angst habe, sondern, dass es ihm um mich ginge. Ich schlug vor, dass wir bis Leaslund abwarten und dann noch einmal schauten, wie es mit der Stimmung in der Gruppe aussehe.
Am nächsten Morgen, der letzte im Hirschmond, begaben wir uns zum Frühstück. Gray und die anderen hatten ebenfalls von den Gerüchten über die weiße Frau gehört und wollten diesen nachgehen. Begor meinte wir hätten in Leaslund drei Tage zur Verfügung, in denen er uns aus seinem Dienst entließe. Wir beschlossen uns der Sache anzunehmen. Auch Dylan wollte uns begleiten, ich bat ihn zurückzubleiben. Doch er beharrte auf sein Geleit, der Grund dafür war mein Wohlergehen, um das er sich sorgte. Ich konnte ihn mit keinem Argument umstimmen, schließlich bot er an, seinen Stolz herunterzuschlucken und sich bei Gray zu entschuldigen. Diese Aussprache hielt ich für eine gute Idee und hoffte auf Grays Einsicht. Etwas überrascht war ich schon, als die beiden zurückkehrten und Gray meinte, dass sie sich ausgesprochen und geeinigt hatten. Nachdem die Fässer wieder auf den Wägen waren, brachen wir auf. Nach einiger Zeit kam Mira zu mir geritten und fragte mich, wann ich Dylan heiraten würde. Verwundert, erklärte ich ihr, dass ich nicht wüsste, von was sie rede. Daraufhin meinte sie, Dylan hätte ihr gesagt, er würde mich heiraten. Ich antwortete, dass ich da auch noch ein Wort mitzureden hätte. Da kam der Barde zu uns geritten und warf mir einen erklärenden Blick zu. Ich nickte ihm zu und er versuchte es noch einmal Mira zu erklären, doch diese meinte er hätte sie angelogen und ritt beleidigt davon. Da ich dies vor ihr schon kannte, schenkte ich ihr keine weitere Beachtung.
Gegen Mittag kam uns ein Wagen entgegen, ähnlich wie der von Meister Cleobolus. Der Mann stellte sich als Merstonix, ein fahrender Alchimist vor. Ich fragte ihn nach den Gerüchten über die weiße Frau und er willigte ein uns zu davon zu erzählen, wenn wir dafür seine Tränke probierten. Er beschrieb uns die verschiedenen Wirkungen der Tränke. Erst zögerte ich, doch ich war neugierig, sowohl auf die Geschichten der Frau, als auch auf die Wirkung der Tränke. Zudem fand ich nichts Bösartiges an dem Mann. Ich wählte den Trank, der mich schnell laufen lassen würde und vereinbarte mit dem Alchimist, dass ich ein Fläschchen davon bekäme, wenn die Wirkung tatsächlich eintreten würde. Er willigte ein und gab mir den Trank. Ich stieg vom Pferd und rannte ein Stück, dabei bemerkte ich, dass ich viel schneller war als sonst. Begeistert gab Merstonix mir ein Fläschchen von dem Beschleunigungstrank. Gray trank ebenfalls einen, woraufhin Eislanzen aus seinen Händen schossen und er begeistert jubelte. Überzeugt, dass die Wirkung der Tränke tatsächlich so war, wie es der Alchimist behauptete, nahm ich einem zweiten, diesmal den Heiltrank. Zuvor schnitt ich mir leicht in den Finger, trank die Flüssigkeit und schaute gespannt auf meine Hand. Hatte ich den Vorfall mit Magie und den Dorfbewohnern bisher als meine größte Dummheit gesehen, beging ich in dem Moment einen noch größeren Fehler. Der Schnitt verheilte nicht, dafür spürte und sah ich, wie sich auf meiner Haut langsam bronzefarbene Schuppen abbildeten. Ein entsetzter Schrei entfuhr mir, dann packte ich den Alchimist und schrie ihn an, verlangte nach einem Gegenmittel, woraufhin er mir noch einen weiteren Trank entgegenstreckte. Ohne zu zögern trank ich ihn und merkte, wie sich etwas in meinen Körper veränderte, ich fühlte mich besser, irgendwie stärker. Doch angesichts meines Entsetzens beachtete ich dieses neue Gefühl kaum, denn die Schuppen waren immer noch da. Ich konnte nicht klar denken, die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf, Tränen füllten meine Augen und ich sank verzweifelt zu Boden. Doch der Alchimist schien im Gegensatz zu mir begeistert und wollte mich untersuchen. Ich konnte es nicht glauben, das war zu viel, ich sprang auf und rannte in Richtung Leaslund. Der erste Trank wirkte immer noch, weswegen ich ziemlich schnell lief. Nach einiger Zeit wurde ich langsamer und blieb stehen. Ich konnte noch immer keinen klaren Gedanken fassen, die Tränen hörten nicht auf. Warum von allen Dingen war gerade dies geschehen? Ich versuchte auch noch meine restliche Haut zu verdecken, als Dylan auf seinem Pferd neben mich geritten kam. Er stieg ab und trat schweigend an meine Seite. Ich ließ zu, dass er mich umarmte und weinte in seinen Armen, bis meine Tränen versiegt waren. Es verging einige Zeit, doch der Track tauchte nicht auf. Ich hatte mich mittlerweile völlig bedeckt und mir die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Mit Entsetzten malte ich mir aus, wie auch die anderen von den Tränken probiert hatten und meinte, dass wir lieber nachschauen und unsere Kameraden davon abhalten sollten, noch mehr zu trinken. Auf unserem Weg kam uns der Tross entgegen. Besorgt schaute ich nach den anderen und sah, dass Gray völlig vermummt auf seinem Pferd saß. Er hatte sich nicht beherrschen können und hatte noch einen Trank getrunken, woraufhin seine Haut sich eisblau gefärbt hatte. Ansonsten schien nichts weiter passiert zu sein.
Den Rest des Weges nach Leaslund verbrachte ich schweigend. Dylan hatte so viel Feingefühl und ließ mir Zeit für mich. Ich versuchte zu fassen, was mir widerfahren war und suchte verzweifelt nach einer Lösung. Vielleicht half mir ein Bannzauber, vielleicht auch nicht. Ich hatte keine Ahnung, was ich da zu mir genommen hatte und ich glaube, der Alchimist wusste es ebenso wenig. Gegen Abend kamen wir an das Dorf. Dylan lenkte die Gäste mit seiner Musik ab und wir konnten unbemerkt in unsere Zimmer gehen. Mira besorgte mir ein Einzelzimmer und Gray teilte sich eines mit Bernardo. Etwas später kam Dylan zu mir, brachte mir etwas zu essen und redete mit mir. Doch ich war nicht besonders gesprächig und so verließ er mein Zimmer bald wieder.
Am Ljosdag, 1. Trideade Schlangenmond verließ ich früh das Gasthaus und begab mich an die Stelle, von der aus wir unsere Suche beginnen würden. Bald kamen auch die anderen und wir begaben uns in den Wald. Es war nebelig und düster, das Wetter passte zu meiner Stimmung. Ich sprach kaum ein Wort während unseres Weges durch den Wald. Mira war so nett und aufmerksam gewesen, mir etwas zu Essen mitzubringen, ich verzieh ihr Verhalten der letzten Tage und war einfach nur dankbar. Gen Abend kamen wir an eine Lichtung mit einem kleinen Teich. Ich freute mich schon auf eine Möglichkeit mich zu waschen, jedoch war das Wasser trüb und als Gray es probierte, brannte es ihn seinem Mund. Ich hatte ein ungutes Gefühl, doch bei der ersten Wache, die Mira und ich übernahmen, sah oder spürte ich nichts Besorgniserregendes. Erst in den frühen Morgenstunden wurden wir von Gray geweckt, der einem furchtbaren Tier gegenüberstand. Es hatte Ähnlichkeit mit einem Salamander, doch war es wesentlich größer und seine rußige Haut mit seltsamen, sternförmigen Warzen bedeckt. Als wir es mehrmals getroffen hatten, explodierte es plötzlich. Gray und Dylan wurden verwundet, die anderen, auch ich, konnten der Explosion entgehen. Nachdem wir noch ein paar Stunden geschlafen hatten, setzten wir unseren Weg am ersten Tag im zweiten Schlangenmond fort. Regen setzte ein und wir fanden auf unserem Weg zwei Skelette, eines davon im Sumpf. Es hatte einen Rucksack an, aus dem ein Buch, ein Stab und ein Fläschchen zum Vorschein kamen. Gray holte mit Magie den Stab zu sich und ich das Buch. Einige Passagen waren noch zu entziffern und ich erfuhr, dass wir das Fläschchen, welches im Sumpf versunken war, brauchen würden. Gray tauchte danach im Sumpf und fand es tatsächlich. In dem Buch war von einer Frau die Rede und einem Ungeheuer, welches ihr Geliebter sein sollte. Das Fläschchen nahm Bernardo an sich. Ich war mir nicht sicher, ob er wirklich verstand oder verstehen wollte, was er damit machen sollte – das Ungeheuer mit der Flüssigkeit benetzen – aber er weigerte sich es wiederherzugeben.
Bis wir am nächsten Tag, Daradag, 2. Trideade Schlangenmond zu einer Lichtung kamen, auf der Silberfäden in der Luft flogen, entdeckten wir noch ein anderes Skelett in einem Kokon, der oben in den Bäumen hing. Uns wurde klar, um was für ein Ungeheuer es sich wahrscheinlich handelte. Auf der Lichtung entdeckten wir eine Spur aus Silberfäden die uns zu einem seltsamen Labyrinth aus Spinnwebenwänden führte. Auf unserem Weg durch das Labyrinth entdecken wir verschiedene Dinge, unter anderem auch ein Abendkleid, welches ich anzog, für den Fall dass die Spinne uns angreifen würde. Man hatte die Hoffnung, dass sie mich für die Frau halten würde, doch ich war wenig überzeugt von dieser Annahme. Bernardo fand auch einen goldenen Spiegel, den er mir geben sollte, damit ich noch mehr der Geliebte der Spinne glich, doch er weigerte sich ein weiteres Mal. In einem Raum hörten wir Getrappel und kurz darauf wurden wir von einem Schwarm Spinnen angegriffen. Sie waren überall, unter den Kleidern, in den Schuhen. Ihnen war kaum beizukommen, ich geriet in Panik, packte meine Fackel und schlug mit ihr nach den Spinnen. Das Kleid fing augenblicklich Feuer und verbrannte zusammen mit den Spinnen. Natürlich konnte ich nicht verhindern, dass die anderen das sahen. Schnell versuchte ich aus dem Licht der Fackeln herauszutreten. Ich holte meine Kleider aus dem Rucksack und riss mir die Überreste des Kleides vom Leib. Entsetzt sahen mich die anderen an. Ich sagte nichts und verfluchte ein weiteres Mal meine Reaktion. Ich hatte panisch und instinktiv gehandelt und nicht wie ein normaler Mensch es getan hätte. Kurz darauf spürte ich etwas Warmes an meinem Arm, ich zuckte zurück und sah Gray, der mir eine Fackel an die Haut gehalten hatte. Ich versuchte wütend zu klingen als ich ihn anfuhr, jedoch zitterte ich am ganzen Körper vor Schreck. Schließlich gelangten wir in dem Labyrinth in einen Raum, in dem ein Himmelbett stand. Als wir uns näherten, verwandelte sich dieses in eine große Spinne, die Frau, die vorher auf dem Bett gelegen hatte, war nun mit Spinnweben am Bauch befestigt. Nach mehreren Versuchen von Mira auf die Spinne zu klettern, gelang es ihr schließlich. Ich stellte mich währenddessen vor die Spinne und versuchte sie abzulenken. Als Iros einen seiner Wurfspeere in das Auge der Spinne warf, versuchte ich ihn aufzuhalten, die Spinne noch weiter zu verletzten. Ich konnte nicht verstehen, warum er das Tier so angriff, handelte es sich doch wahrscheinlich um einen Menschen. Endlich hatte Mira es geschafft mit dem Fläschchen, das ihr Bernardo nun doch gegeben hatte, die Spinne hoch zu klettern und es über ihr auszuleeren. Sogleich verwandelte sie sich und ich konnte gerade noch den Speer aus dem Auge ziehen, bevor das Tier als nackter Mann zu Boden fiel. Doch er war nicht bei Sinnen und griff uns weiter an. Da spielte Dylan auf seiner Laute und Bernardo und der Mann sanken zu Boden. Ich stürzte zu dem Mann und fing an seine Wunden zu verbinden. Doch ich hatte kaum angefangen, als das Lautenspiel plötzlich endete, er erwachte und aufsprang. Bernardo wachte ebenfalls auf und versuchte den Mann zu schlagen. Einen Moment saß ich da, erschrocken und verwirrt, dann suchte ich notdürftig meine Verbände und Salben zusammen. Währenddessen schlugen Dylan und Iros auf einander ein und Bernardo versuchte mit Miras Hilfe den Mann bewusstlos zu schlagen. Ich wandte mich an die zwei kämpfenden Männer, um sie aufzuhalten, als Dylan zu Boden ging. Wut stieg in mir auf und ich verlor die Beherrschung. Mit einem Schrei stürzte ich mich auf den Söldner. Er hielt mich an den Armen fest und versuchte mich zu beruhigen, doch ich war so außer mir, dass ich nicht auf ihn hörte. Schließlich ließ ich doch von ihm ab und wendete mich an Dylan, um ihn zu verarzten. In der Zwischenzeit hatte Bernardo es endlich geschafft, den Mann zu „beruhigen“. Auch die Frau kam langsam wieder zu Sinnen und rief nach Aldwyn. Dieser rief nach Melodyn. Schließlich erkannten die beiden sich, krochen aufeinander zu und lagen einfach nur still auf den Waldboden. Dylans Wunde überstieg meine Fähigkeiten, doch tat ich das Nötigste. Während ich mich um ihn kümmerte, trat Iros an uns heran und versuchte sich zu erklären. Ich war immer noch wütend und fauchte ihn an, wie er Dylan einfach hatte angreifen können, obwohl er uns helfen wollte. Der Söldner zeigte kein Verständnis und ich zischte ihm zu, er solle einfach gehen. Als alle sich wieder gesammelt hatten und so gut es ging verarztet waren, machten wir uns auf den Rückweg. Es war schon dunkel und so suchten wir uns bald einen Schlafplatz.
Der nächste Tag verlief ereignislos. Wir kamen nur sehr langsam voran. Gray stütze Dylan, der nicht wirklich laufen konnte. Nach einiger Zeit hatten auch Melodyn und Aldwyn sich wieder an das Mensch-Sein bzw. Wach-Sein gewöhnt und am Abend, als wir am Feuer saßen, erzählten sie uns ihre Geschichte. Melodyn war die Tochter eines Grafen und in Aldwyn verliebt. Doch ihr Vater war gegen die Verbindung, den Aldwyn war nicht von adeligem Blut. Der Hofmagus des Grafen hatte auch ein Auge auf Melodyn geworfen und so verwandelte er Aldwyn im Wald von Tureliand in eine Spinne. Melodyn erfuhr davon und machte sich zusammen mit zwei Kriegern und einem Zauberlehrling auf, um ihren Geliebten mit Hilfe des Trankes zurück zu verwandeln. Doch es gelang ihnen nicht, sie wurden von der Spinne aufgehalten. Im letzten Moment erkannte Aldwyn seine Geliebte und erbaute ihr ein Heim im Wald. Sie war in einen tiefen Schlaf gefallen. Als wir die Jahreszahlen verglichen, stellten wir fest, dass die beiden sieben Jahre im Wald verbracht hatten.
Sie dankten uns, dass wir sie erlöst hatten und fragten uns um Rat, ob sie zu Melodyns Vater zurückkehren sollten, denn sie besaßen nichts mehr. Wir rieten ihnen davon ab und erwähnten, die Schätze die wir gefunden hatten und die den beiden gehörten.
Ich forderte Iros und Bernardo auf den Schmuck an Aldwyn und Melodyn zu geben. Die beiden schienen davon wenig begeistert und wollten sich zurück ziehen, um sich zu besprechen. Ich fragte mich, was es da zu besprechen gab und forderte auf Bernardo den Schmuck hier zu lassen. Er weigerte sich und stand auf. Gray signalisierte mir sitzen zu bleiben und zauberte kurz darauf Schlaf auf die beiden. Iros unterlag seinem Zauber, doch auf Bernardo wirke er nicht. Daraufhin wollte er im Wald verschwinden und ich murmelte einen Verwirrenzauber. Gray versuchte es noch einmal mit einem Schlafzauber. Doch wieder schlief nur Iros, der gerade wieder aufgewacht war, ein. Mira und ich setzten dem Küstenstaatler hinterher, doch konnten wir ihn im dunklen Wald nicht mehr einholen. In der Zwischenzeit weckte Gray den Söldner und erklärte ihm, dass Bernardo mit dem Schmuck auf und davon sei. Wütend folgte der Söldner ihm in den Wald und rief seinen Namen, doch es kam keine Reaktion. Wir kehrten ans Feuer zurück und warteten. Eigentlich dachte ich, dass auch Iros mit seinem Teil des Hab und Guts flüchten würde, aber er kam zurück und gab, ich weiß nicht ob alles, aber zumindest das meiste, an Melodyn und Aldwyn. Sie dankten uns noch einmal und trennten sich am nächsten Tag von uns, um sich in den Süden aufzumachen. Iros begann eine Diskussion mit Dylan über das Geschehene, nach einem kleinen Ausbruch meinerseits, hatte ich genug und ging zu Bett. Es grämte mich, dass es zu so einem Ausgang gekommen war. Die Strapazen und Ereignissen der letzten Tage hatten uns alle mitgenommen und erschöpft, trotzdem bereute ich es so schnell meine Hand gegen den Küstenstaatler erhoben zu haben.
Wir gingen in Richtung Norden, da wir vermuteten, dass Begor bereits aufgebrochen war. Wir gelangten nach vier Tagen aus dem Wald und nach acht an die Stadttore von Twineward.
Iros, Gray und ich machten einen Bogen um die Stadt und warteten am Nordtor, während Mira und Dylan Twineward betraten, in der Hoffnung Begor zu treffen und Heilung für Dylans Verletzungen zu finden. Beides geschah und so kam uns der Wagentross aus dem Tor entgegen.
Auch Bruna schien es wieder besser zu gehen. Ich bemerkte jedoch augenblicklich, dass Briana, unsere Stute fehlte. Als ich mich erkundigte erzählte sie mir, dass Bernardo das Tier mitgenommen hatte. Er hatte Bruna erzählt, er bräuchte schnell ein Reittier, da einer von uns verletzt war. Sie hatte ihm diese Geschichte abgenommen umso mehr, da er einen Teil von dem Schmuck hinterlassen hatte. Den Schmuck, der weder ihm, noch uns rechtmäßig gehörte. Wie Verhöhnung kam es mir vor und ich bin mir sicher, dass er das beabsichtigt hatte.
Begor war sichtlich verstimmt, aufgrund von unserer Verspätung. Ich konnte ihn verstehen. Bisher hatten wir, besonders ich, ihm eigentlich nur Unannehmlichkeiten bereitet. Ich sprach mit ihm und meinte ich wäre zufrieden, er würde mir nur Essen und Unterkunft bezahlen, doch als gütiger und großzügiger Halbling, winkte er ab. Noch größer waren meine Dankbarkeit und meine Achtung nach diesem Gespräch.
Nun sind wir wieder auf dem Weg ins Halfdal, doch einiges hat sich verändert. Bernardo ist nicht mehr bei uns, uns fehlt ein Pferd, Gray muss sich verstecken, da seine Haut eisblau ist, ich muss mich bedecken, da meine Haut mit Schuppen übersät ist. Auf Iros sind wir ziemlich schlecht zu sprechen. Wenigstens dem Barden und Bruna geht es wieder gut, darüber bin ich sehr erleichtert.
Oh Mutter, was ist mir schon alles wiederfahren seitdem ich auf Gray, Mira und Bruna gestoßen bin. Ich kann es nicht fassen. Die momentane Situation stellt mich vor große Herausforderungen. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Noch frage ich mich, wie das geschehen konnte und wie es ich erklären soll, wenn mich jemand fragt. Ich bin mir sicher, dass man mich wegen des verbrannten Kleids ansprechen wird. Was soll ich ihnen nur sagen? Ich kann ihnen nichts enthüllen, aber wenn ich es nicht tue, bliebt mir nichts anderes als Lügen. Und was ist mit meiner Haut, wie werde ich diese Schuppen wieder los? Ein rechter Arm voller Schuppen, damit kann man leben, aber sie am ganzen Körper zu haben, sogar im Gesicht…letztendlich würde man mich doch als Hexe verbrennen und da das nicht geht, auf eine andere Art hinrichten.
Möge Er mir Kraft geben, dies durchzustehen. Auch wenn mir in den letzten Tagen eher nach Tränen und Verzweiflung zu Mute ist, habe ich meine Zuversicht und meine Hoffnung nicht verloren. Ich habe Gefährten an meiner Seite und gemeinsam werden wir eine Lösung finden.
Es tut mir leid, dass ich nicht eher geschrieben habe. Fühle dich umarmt, Mutter. Ich habe ein weiteres Lied für dich. Es ist ein Lied, was ich vielleicht eines Tages meinen Kindern vorsingen werde, was meinst du Mutter? Ich werde es beifügen.
Ich muss mich erst einmal wieder sortieren und abwartet, was die nächsten Tage bringen werden. Du wirst bald wieder von mir hören.
Aber bevor ich den Brief beende habe ich eine Bitte an dich. Der Vorfall mit Bernardo, wie soll ich es sagen, beschäftigt mich. Könntest du diesen Mann ausfindig machen und ihm den Brief geben, den ich beifüge? Wie du ansonsten mit ihm widerfährst, sei dir überlassen, ich vertraue auf dich, Mutter. Viele Dank und ich hoffe von dir zu hören, ich möchte wissen, was du zu sagen hast.
In Liebe
Enya
---------------- Anhang ----------------
Lullaby
The day is passing by
The moon lights the nightly sky
Close your eyes, little one
The night has just begun
Huddled against my arm
I will keep you from any harm
There is no need to be wary
Tonight you will meet the fairy
The Fairy with golden hair
Her gown of sparkling stars so fair
Now sleep, let go of your fears
The night will gently dry your tears
The day is passing by
The moon lights the nightly sky
Close your eyes, little one
The night has just begun
Rest your weary head
My lap will serve as your bed
There is no need to be afraid
As to the gods I have prayed
For your safety in the night
For a dream full of delight
Now sleep, let go of your worries
And listen to the dreamland’s stories
The day is passing by
The moon lights the nightly sky
Close your eyes, little one
The night has just begun
The day passed by
The moon lights the nightly sky
Close your eyes, little one
The night has yet begun
Shush, the night will soon pass by
And then the sun will light the sky
Brief an Bernardo:
Seid gegrüßt, ich hoffe Ihr habt euch gut um Grays und meine Stute Briana gekümmert.
Erst einmal möchte ich mich bei Euch entschuldigen. Dafür, dass ich impulsiv gehandelt habe, ohne wirklich nachzudenken und meine Magie gegen Euch verwendet habe.
Es grämt mich, dass es letztlich zu so einem Ende gekommen ist. Wir waren alle müde, angespannt und gereizt nach den Ereignissen der vergangenen Tage, was wahrscheinlich zu diesem Ausgang beigetragen hat. Ich wünschte es wäre anders verlaufen, ich denke es hätte sich eine andere, friedlichere Lösung finden können. So bleibt mir nichts anderes, als zu hoffen, dass Euch meine Nachricht erreicht und Ihr meine Entschuldigung annehmen könnt.
Ich habe Euch als Reisegefährten geschätzt, auch wenn ich Euch eure Einfältigkeit nicht abgenommen habe. Doch ich habe Euch als freundlichen Menschen kennengelernt, weshalb ich es umso bedauernswerter finde, dass sich unsere Wege auf diese Weise trennten.
Ich kann es nicht verstehen, warum Ihr nicht einfach das, was euch nicht gehörte, zurück gegeben habt. Diesen beiden Menschen war nichts mehr geblieben und nach diesen Ereignissen, war es das Mindeste was wir hätten tun können. Ist euch das Gold so wichtig? Dass Ihr meine Bitte, den Schmuck Aldwyn und Melodyn zu überreichen, ausgeschlagen, Euch damit auf und davon gemacht und dann auch noch Bruna angelogen und unser Pferd mitgenommen habt, kann ich Euch erst einmal nicht verzeihen. Umso mehr, da ich Eure Gründe und Denkweise nicht nachvollziehen kann.
Ihr wusstet, in welchen Konflikt Ihr mich bringen würdet, als ihr den Schmuck bei Bruna zurück ließt, ist es nicht so? Wenig erregt meinen Zorn, doch Ihr habt es geschafft. Diese Verhöhnung ist Euch gelungen.
Unsere Wege werden sich wohl nicht mehr kreuzen, zumindest ist das in nächster Zeit nicht anzunehmen. Sollten wir uns doch jemals wiedersehen, hoffe ich, dass Vergangenes vergeben wurde und es möglich ist, dass wir uns ohne Groll begegnen.
Alles Gute auf Eurer weiteren Reise, wohin sie Euch auch immer führen wird.
~Enya
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