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Enyas Briefe

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19. Brief - Aonadag, 1. Trideade Draugmond


Die Hexe

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Liebste Mutter,

nach der Verhandlung begaben wir uns in den Staubigen Zwerg. Nachdem wir etwas zu uns genommen hatten – so gut hatte albischen Essen noch nie geschmeckt – gingen wir ins Badehaus. Dort sprachen Dylan und ich darüber, dass er nicht mitkommen würde, denn mit seinen Händen war er uns keine große Hilfe. Es viel ihm schwer, doch er sah ein, dass er uns mehr im Weg sein würde. Ich gab ihm meinen zweiten Ohrring, den letzten, den ich noch hatte, als Erinnerung an mich. In mir war es ein Versprechen, dass ich zu ihm zurückkommen würde. Ich konnte seine Sorge verstehen, doch ich meinte, dass wir mit dieser Unsicherheit zu leben hatten. Endlich konnte ich ihm mein Gedicht, das Lied für ihn singen. Wir redeten auch über das Vergangene, doch ich hatte wenig Lust auf diese Erinnerungen, so dass wir das Gespräch bald beendeten.

Von Nervan erfuhren wir mehr über unseren Auftrag. Wir sollten in der verlassenen Zwergenbinge Nierthalf am Rande der Nebelberge, einen alten Folianten der Zwerge bergen und ihn zu Nervan bringen. Alles andere was wir dort finden würden, stünde uns zur freien Verfügung. Die Reise würde acht Tage dauern, fünf bis zum Schlauen Fuchs, dem Gasthaus, in welchem Nervan auf uns warten würde. Wir hatten Zeit bis zum Myrkdag des Wolfmondes. Sehr zu meinem Erstaunen feilschten Bruna, Mira und Iros um unsere Belohnung. War ihnen nicht bewusst in welcher Lage wir uns befanden? Nervan konnte uns nicht einen Penning zahlen und wir würden den Auftrag trotzdem erfüllen, denn schließlich verdankten wir ihm unser Leben und waren seiner Gnade ausgeliefert. Mir wurde bewusst wie sehr mich die Vorstellung traf, aus Alba fliehen zu müssen. Ich liebe mein Heimatland, trotz des Wetters und des Essens, trotz der Menschen und ihren Eigenheiten. Schließlich zahlte er uns von den 25 Oring Belohnung zehn im Voraus.

Am nächsten Tag zogen wir los, um uns für die Reise auszurüsten. Um Heilränke zu kaufen ging ich unter anderem zu den Priestern des Vraidos. Dort gab ich mich als eine der ihren zu erkennen. Wir hatten unsere letzten Münzen zusammengelegt um uns einen starken Heiltrank zu kaufen. Mira hatte mir heimlich noch die Summe für einen weiteren gegeben. Verwundert nahm ich das Gold an. Ich frage mich woher der Halbling so viel Gold hat, wo ich nach kurzer Zeit wieder in einen leeren Beutel schaue. Ich bin mir nicht sicher ob ich es tatsächlich wissen möchte…

Wir verblieben noch sechs Tage in Thame um uns von dem Kerkeraufenthalt zu erholen und unsere Fertigkeiten zu verbessern. Gray, Dylan und ich spielten jeden Abend in den Gasthäusern der Stadt, um etwas Kleingeld zu verdienen. Unter anderen Umständen wäre es für uns ertragreicher gewesen, doch im Allgemeinen schien man uns aus dem Weg zu gehen.

Sedag, 1 Trideade Draugmond brachen wir auf. Am Abend des Oachdag kamen wir im Schlauen Fuchs an. Wir fragten nach etwas zu essen, zu trinken und einem Bett. Der Wirt konnte uns neben dem Gemeinschaftsschlafraum nur ein Doppelbett anbieten. Natürlich wollte Iros in dieses Zimmer, doch ich bat ihn, mir diese Nacht mit Dylan zu gewähren. Um ehrlich zu sein, war ich überrascht, als er nachgab. Die Gaststube war gut besucht und es spielte bereits ein Barde. Er trug eine Ballade vor über Heldentaten, Schlachten und Runenklingen vor. Gebannt lauschte ich seiner Stimme und seinem wundervollen Harfenspiel. Auf einmal schrie Mira auf. Ein kleiner Junge hatte ihr den Geldbeutel entwendet. Augenblicklich versuchten wir den kleinen aufzuhalten. Gray gelang dies auch, doch seine Methode ließ mich erschrocken den Atem anhalten. Er hatte eine Eiswand vor die Tür gezaubert, gegen die der Junge lief. Schlagartig wurde es still im Gasthaus. Erinnerungen stiegen in mir hoch, ich hörte den aufgebrachten Ruf der Menge „Hexe!“ und Grauen packte mich. Doch zu meiner Erleichterung konnten Mira und Gray die Menschen beruhigen. Hinterher wendete sich Iros wütend Gray zu. Ausnahmsweise war ich mit dem Chryseier einer Meinung, doch Gray zeigte sich unbeeindruckt. Als der Barde geendet hatte, ging ich auf ihn zu, begrüßte ihn und sprach über sein wundervolles Harfenspiel. Er stellte sich als Tachwallon vor. Aufgrund des Namens und seines Aussehens vermutete ich, dass er erainnischer Herkunft war. Kurz darauf kam auf einmal Iros herbei und stellte uns drei Gläser Schnaps vor die Nase. Irritiert fragte ich mich, was er diesmal bezwecken wollte und teilte ihm mit, dass ich den Alkohol nicht anrühren würde. Nachdem Iros die Hälfte in sein Glas geschüttet hatte, ließ ich mich doch überreden und trank das Gläschen. Im Anschluss fragte ich, ob Tachwallon sich nicht an unseren Tisch setzten wollte. Dort setzte ich mich neben Dylan, der mir seinen Arm um die Schulter legte. In dem Moment hatte ich noch nicht begriffen, was alle dachten. Als der Barde mich „Blume“ nannte, lachte Gray lauthals. Der Barde kam nicht weit mit seinen Erzählungen – Mira hatte ihn nach den Runenklingen gefragt – denn Iros musste ihm irgendetwas in den Schnaps getan haben. Er entschuldigte sich und stand auf. Doch Gray hielt ihn fest und er übergab sich vor unserem Tisch. Alle brachen in schallendes Gelächter aus und ich schämte mich ihrer. Iros hielt Dylan die Hand hin und Iros ließ verlauten: „Dylan…Zelt, Zimmer, Konkurrenz.“ Ich wendete mich dem armen Mann zu und versuchte ihm so gut es ging zu helfen. Ich hätte dazu gerne noch etwas gesagt, doch kurz vor unserer Trennung, wollte ich keine Diskussion anfangen. Als Iros jedoch Anstalten machte, sich und dem Rest den Abend mit Wein zu versüßen, gebot ich dem Einhalt und erinnerte ihn an die letzte Erfahrung mit übermäßigem Verzehr von Alkohol.

Am nächsten Morgen erreichte mich endlich die erwartete Nachricht von dir. Gold befand sich natürlich keines mehr dabei, dies war schon bei Udele angekommen. Wie zornig mich dieser Gedanke macht, Vaters Schätze in den Händen dieser Frau. Meine Gefährten waren natürlich verwundert, doch stellten sie, den Göttern sei Dank, kaum Fragen. Ich fand, es fehlte ihnen etwas an Dankbarkeit, wie hätten sie das Blutgeld in so kurzer Zeit aufbringen wollen? Bis wir wieder aus der Binge zurück sein würden, konnten Trideaden vergehen. Vielleicht wäre es anders gewesen, ich hätte es mit ihnen im Vorfeld besprochen, doch ich muss zugeben, dass meine Handlung aufgrund der Ereignisse unüberlegt und überstürzt war. Immerhin haben wir nun erst einmal eine Sorge weniger.

Ich danke dir aus tiefsten Herzen, Mutter. Bitte teile Vater ebenfalls meine Dankbarkeit mit, ich weiß was er davon hält. Ich werde alles tun, damit das Gold so schnell wie möglich wieder zu ihm zurück findet. Wer weiß, was wir in dieser Binge alles finden werden. Du hast mit deiner Warnung vollkommen Recht. Ich werde mir deine Worte zu Herzen nehmen und aus den Ereignissen lernen. Es soll nicht mehr vorkommen, dass ich euch auf diese Weise um Hilfe bitte. Du sprichst von Vertrauen. Vertrauen…nach allem was geschehen ist, fällt es mir schwer. Trotzdem habe ich noch die Befürchtung, dass ich nach wie vor zu vertrauensselig bin, weil ich an das Gute im Menschen glaube, glauben möchte. Ich frage mich ob mir eines Tages dieser Glaube abhandenkommt, ich hoffe es nicht.

Nachdem sich der Bote wieder verabschiedet hatte, brachen wir auf und Dylan begleitete uns noch einen Tag. Ich hatte den Entschluss gefasst, ihnen zu offenbaren, was ich vor ihnen versteckte, Dylan wollte ich dabei an meiner Seite haben, da selbst er nicht alles wusste. So ließen wir den Wagen bei Nervan, Bernesse nahmen wir jedoch mit, da er mit ihr schneller wieder beim Schlauen Fuchs sein würde, wo er mit dem Gelehrten auf uns warten würde. Auf unserem Weg begegneten uns tatsächlich Begor Balodin und Krund Pöttenschmeißer. Nach einem kurzen Austausch zogen wir jedoch weiter, denn allen war Eile geboten. Bis auf eine Begegnung mit einer alten Kräuterfrau, die uns von einem Hexenmeister, der hier Krähen, Orcs und dergleichen um sich sammeln würde, erzählte, verlief der Tag bis wir das nächste Gasthaus erreichten, ereignislos. Doch uns erwartete kein Feuer im Kamin, keine warme Mahlzeit, denn von der Taverne waren nicht mehr als rußbedeckte Ruinen übrig. Wir bauten unser Lager auf und ich kümmerte mich um das Feuer. Nachdem wir fertig waren, ergriff ich das Wort und meinte, dass ich ihnen etwas mitzuteilen oder viel mehr zu zeigen hätte. Ich trat aus dem Licht des Feuers heraus, löste den Ring an meinen Finger, zog die Stulpe aus und wickelte meinen Ärmel hoch. Auf mein Haar entleerte ich das Fläschchen Entfärbersalz und trat dann wieder ans Feuer heran. Mutter, du weißt was sie sahen. Iros stand auf und ging ins Zelt, die anderen, bis auf Dylan, starrten mich an. Dann kamen die Fragen, doch ich gab ihnen keine Antwort. Das letzte Geheimnis war ich noch nicht bereit zu teilen. Ich erkannte, dass tief in mir immer noch, selbst bei diesen Menschen, die Angst vor Ablehnung saß. Eines Tages vielleicht... Doch dies wurd wohl noch eine Weile dauern, denn nun liegt etwas anderes vor uns. Ich nahm ihnen, bis auf Iros, da er im Zelt verschwunden war, das Versprechen ab, anderen gegenüber, das was sie erfahren hatten, niemals zu erwähnen. Mira ging zu Iros ins Zelt, kam nach kurzer Zeit wieder und meinte, er täte ihr Leid, denn er hatte es von Anfang an gesagt, das etwas mit mir nicht stimmte. Gray erwiderte daraufhin, dass er das gewusst hatte, doch für ihn ändere sich deswegen nichts. Schließlich trat ich mit Dylan die erste Nachtwache an. Es würde für, ich weiß nicht wie lange, die letzte Nacht gemeinsam mit ihm sein. Doch diesmal ist es mir lieber, von ihm getrennt zu sein, als dass er uns in die Zwergenbinge begleitet. Bei Nervan weiß ich ihn in Sicherheit und nichts wird mich von unserem Auftrag ablenken. Nichtsdestotrotz wird es morgen schwer, mich von ihm zu verabschieden. Es ist das erste Mal, dass sich unsere Wege für längere Zeit trennen. Ich hoffe alles wird gut.

Noch einmal, deine Worte sind angekommen, es tut mir leid. Ich werde eine Möglichkeit finden es bei Vater wieder gut zu machen und damit meine ich nicht die Rückzahlung des Goldes.

 

In Liebe

Enya

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