6. Eintrag ~ Deachdag, 2. Trideade Draugmond (enthält keine Abenteuer-Spoiler)
Ich hatte mich entschieden. Ich würde meiner Melodie im Weltenlied folgen und nicht länger die Ohren für sie verschließen. Ich konnte den Ruf der Klinge, das Gefühl, dass etwas fehlte, nicht länger ignorieren. Ich musste meine Vorstellung, das alles hinter mir lassen zu können, aufgeben und meinen Weg im großen Weltenrad weiter beschreiten. Selbst wenn ich nicht weiß, wie ich diese Aufgabe meistern soll, sie kommt mir so groß vor und ich so klein…
Meine Künste mit dem Schwert umzugehen haben sich in den letzten Tage, die ich bei Vater verbrachte, kaum merklich verbessert, ich war froh, wenn es mir nicht aus den Händen fiel. Dieser Körper ist so schwach und meine Begabung für die Schwertkunst nicht sonderlich stark ausgeprägt. Und doch weiß ich nun endlich mit Gewissheit warum Vater in dieser Angelegenheit keinen Widerspruch meinerseits geduldet hat.
Bevor ich das Gebirge verließ, hatte Vater mir noch einmal die Bedeutung der Klingen vor Augen geführt. Es ist nicht bedeutsam, dass ich einer ihrer Träger bin, doch es ist von großer Wichtigkeit, dass sie nicht in die falschen Hände geraten. „Die Träger der Klingen werden Helden sein oder dem Land zu Plage gereichen.“ Die Prophezeiung an die mich Vater erinnerte, kommt mir immer wieder in den Sinn. Ich hoffe, dass die Klinge in meinen Händen kein Unheil bringen wird. Bevor dies geschieht, gebe ich sie lieber in andere, fähigere Hände.
Als ich meine Entscheidung getroffen hatte, suchte ich das erste Mal nach der Klinge. Ich spürte sie südlich des Gebirges, möglicherweise in Thame. Die Stadt als Überwinterungsort ihres Trägers konnte ich mir gut vorstellen. Mein Pferd scheint ebenfalls dort zu sein. Auch das ist nicht weiter verwunderlich, schließlich hatten Glannis und ich uns dort verabredet, auch wenn seitdem bereits einiges an Zeit vergangen ist. Ich hoffe es geht ihr gut und meine Stute Finna ist wohlbehalten. Ich frage mich, was mit meinem kleinen Freund Fion geschehen ist, vielleicht hat er bereits selbst ein neues zu Hause gefunden. Die Ungewissheit über seinen Verbleib grämt mich.
Als ich alles wusste, nach dem es Herz und Verstand begehrt hatte, verabschiedete ich mich von Vater und verließ das Pengannion-Gebirge. Das Gefühl, endlich wieder vollständig zu sein, war überwältigend. Doch ebenso überwältigend sind Schmerz und Trauer, welche die Erinnerungen mit sich brachten...
Nun befinde ich mich in Eadsholm. Hier habe ich die letzten Notwendigkeiten für mein Unterfangen besorgt. Bald werde ich die Königsstraße verlassen. Mein Weg führt mich geradewegs nach Südwesten, mitten durch das Atrossgebirge. Der Aufenthaltsort der Klinge hat sich die letzten Tage stetig verändert. Sie scheint sich Richtung Atrossmassiv zu bewegen. Mitten in ein Gebiet, welches die Menschen und sogar die Zwerge meiden. Orcgebiet. Irgendetwas geht nicht mit rechten Dingen zu. Vielleicht ist die Klinge bereits in den falschen Händen oder jemand ist ebenso verzweifelt wie ich… Ich kann nur hoffen, dass die Klinge noch bei Gray ist. Gray... Möglicherweise werde ich ihn wiedersehen. Doch wie soll ich ihm begegnen, nach allem was vorgefallen ist? Wie soll ich ihm von dem schrecklichen Verlust erzählen? Und was ist mit all den anderen passiert? Von Vater weiß ich, dass Gray immer noch glaubt, ich kann mich nicht erinnern. Vielleicht ist es besser ihn erst einmal in diesem Glauben zu lassen. Und dennoch, es wäre nichts anderes als ihn zu belügen... Oh, warum musste das alles so passieren. Ich vermisse ihn so sehr...
Morgen werde ich aufbrechen. Mir graut es vor der kommenden Reise, doch mir bleibt keine Wahl, die Gefahr die Klinge zu verlieren ist zu groß. So bleibt die Hoffnung, rechtzeitig ihren Weg zu kreuzen, bevor natürliche Gegebenheiten oder Zauber sie vor mir verbergen. Mein Pferd und Glannis, so denn sie noch in Thame, müssen wohl noch ein wenig länger warten…
Quer durch das Atrossmassiv, im tiefsten Winter, alleine, ich muss wahnsinnig sein…
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