Kreativität will wohl vorbereitet sein. Die wenigsten Menschen, die ich kenne, sind spontan kreativ. (Es gibt solche Leute, die sind aber echt selten.) Insofern spielt die Erfahrung sowohl als Spieler (mit dem jeweiligen Regelwerk, oder auch mit Rollenspiel allgemein) als auch als Spielleiter (Regelwerk, Rollenspiel, Spielleitung, ...) beim Thema Kreativität eine große Rolle. Fehlende Erfahrung kann hier durchaus ein Hemmnis bedeutet. Als Spieler äußert sich das darin, dass man wie der Ochs vor dem sprichwörtlichen Berge steht ("ach so, ich hätte die Tür ja auch mit Schlösser öffnen öffnen können, anstatt sie einzuschlagen!"). Als Spielleiter äußert sich das darin, dass der Spielleiter eben doch mal "nein" sagt und das leider schneller, als man sich das wünscht.
Die Falsch verstandene Regeltreue, die Rosendorn mit seinem Beispiel so schön verdeutlicht hat, ist zum Teil auch ein Problem der Erfahrung und der Regelkenntnis. Es ist nämlich falsch, dass man bei Midgard für jeden Einsatz einer Fertigkeit würfeln muss. Wenn die Herausforderung gering ist und auch kein Zeitdruck besteht, kann der Einsatz einer Fertigkeit auch automatisch gelingen.
Was meiner Meinung nach auch für eine mangelnde Kreativität sorgt ist ein zu geringes Herausfordungsniveau. Wenn die Herausforderung, vor der man steht, mit zwei oder drei einfachen Würfelwürfen zu lösen ist, weil man die entsprechenden Fertigkeiten auf einem hohen Niveau beherrscht, dann wird sie in der Regel auch so gelöst. Wenn man als hochgradige Gruppe kampferfahrener Abenteurer vor einer Gruppe von 10-12 Orks steht, dann metzelt man sich gerne mal eben da durch. Eine Herausforderung sollte immer so gewählt sein, dass sie prinzipiell von der Gruppe schaffbar ist, aber geradlinige Wege wie "einfach mal draufhauen" sollten zumindest auf den ersten und zweiten Blick als potenziell tödliche (für die Spielfiguren) Lösung erkennbar sein.