"Gruppenvertrag" klingt ja zunächst mal sehr formell und ist eigentlich nur ein Terminus für ein Konstrukt der (Rollenspiel-)Theorie, vergleichbar mit einem Gesellschaftsvertrag in der Staatsphilosophie.
Die rudimentärste Form des Gruppenvertrag (für eine Midgardgruppe) lautet: "Wir spielen Midgard und du bist Spielleiter." In diesem Fall werden Genre, Regeln sowie die Rechte des SL (abgeleitet aus den Regeln) automatisch festgelegt.
Insofern hat jede Gruppe durch Konvention automatisch einen Gruppenvertrag. Durch weitere Konventionen kann der Vertrag erweitert werden; wir spielen jeden 2. Samstag und wir spielen mit Hausregel "H". Nahezu alles weitere ergibt sich in meinen Augen dynamisch während des Spiels durch gemachte Erfahrungen und wird durch Konvention ebenfalls mehr oder weniger unbewusst und mehr oder weniger dauerhaft in den Gruppenvertrag übernommen (musikalische Untermalung mag aus einem Ghettoblaster im Garten ein Stimmungstöter sein, aber auf der Stereoanlage im heimischen Wohnzimmer das Tüpfelchen auf dem i).
Im Normalfall würde keine Gruppe von sich aus sagen, dass sie einen Gruppenvertrag habe, und kein Mitglied ist sich bewusst, einen solchen Vertrag zu haben. Erst wenn einzelne oder alle Gruppenmitglieder versuchen das Gruppengeschehen zu analysieren (bspw. weil sie mit dem Spielablauf unzufrieden sind), oder sich jemand mit der Theorie beschäftigt, wird unvermeidlich auf das Konstrukt "Gruppenvertrag" zurückgegriffen, wie der Einzelne das dann auch immer nennen mag.
Bei Neuzugängen von einem "Bewerbungsgespräch" zu sprechen ist mir zu formell.
Es hängt von der Ausgangssituation ab, wie es zu einem Neuzugang kommt:
Man unterhält sich mit jemanden, kommt dabei aufs Rollenspiel zu sprechen und, wenn man während des Gesprächs bemerkt, dass man (auch auf das Rollenspiel bezogen) auf der gleichen Wellenlänge liegt, kommt irgendwann die Frage "Hast du Lust mal mitzuspielen?"
Ein andere Sache ist es, wenn man aktiv auf der Suche nach einem neuen Mitspieler (oder einer neuen Gruppe) ist. Hier sind sich beide Parteien bereits im Vorhinein darüber klar, dass es um potentielle Mitspieler geht und in diesem Fall ist es sinnvoll, nach den jeweiligen Präferenzen zu fragen.
Die nächste Stufe ist dann ein unverbindliches Mitspielen (Probespielen hat etwas von "Das ist gar kein richtiges Spiel"), bei der beide Seiten ihren Spielstil gegenseitig kennen lernen können und danach entscheiden, ob sie weiterhin zusammen spielen wollen, oder eben nicht.
Wichtig erscheint mir, dass der "Gruppenvertrag" dynamisch und flexibel ist, sonst kann es passieren, dass man irgendwann einen bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Vertrag hat, aber niemanden mehr, der mitspielt.