"Der Zwergenhort muss bleiben, weil Spielbalance."
"Elfen müssen diese Nachteile haben, weil Spielbalance."
"Dieser Zauber/dieses Artefakt/diese Fähigkeit ist zu stark, weil Spielbalance."
"Diese Hausregel ist schlecht, weil Spielbalance."
Ich kann's nicht mehr hören. In jeder Diskussion kommt früher oder später jemand mit der heiligen Spielbalance, die unter allen Umständen gewahrt bleiben muss, weil sonst das Rollenspiel automatisch den Bach runtergeht und nichts als Tränen und Frustration bei allen Beteiligten zurückbleiben.
Wer von den Leuten, die immer wieder gebetsmühlenartig die gefährdete Spielbalance heraufbeschwören, hat sich eigentlich wirklich jemals Gedanken darüber gemacht, wie diese Balance zustande kommt? Haben sie mit mit den Autoren am Tisch gesessen, als diese das jeweils aktuelle Regelwerk zusammengeschustert haben? Haben sie selber alles genau durchgerechnet? Haben sie selbst schon mal ein Rollenspielsystem erstellt? Die meisten wahrscheinlich nicht.
Ich verrate euch ein Geheimnis: Ein Regelwerk kann keine Spielbalance herstellen. Das kann nur die jeweilige Gruppe am Spieltisch bzw. der Spielleiter.
Wenn in einer Gruppe ein Spitzbube mit Gs 100, Gw 98, In 97 und ein Assassine mit Gs 62, Gw 83, In 57 vorhanden sind ist die Balance zwischen zwei Charakteren mit ähnlichen Kernaufgaben schon den Weg allen Fleisches gegangen. Also muss der SL dafür sorgen, dass trotzdem beide Charaktere ihr Spotlight bekommen, da kann das Regelwerk nicht weiterhelfen.
Oder nehmen wir die nichtmenschlichen Völker als Beispiel. Immer wieder lese ich, das diese ja deutlich bessere Eigenschaftswerte hätten, und allein deshalb irgendwelche Nachteile haben müssen. Äh, nein. In einem System, in dem die Attribute per Würfel bestimmt werden, ist diese Argumentation unsinnig. Menschen können deutlich bessere Werte haben als Nichtmenschen (insbesondere, da sie auch nirgendwo Höchstwerte unter 100 haben). Wenn jemand einen Menschen spielt, wird ihm ja auch nicht noch schnell ein Nachteil aufgedrückt, nur weil er durch Glück zwei 100er hat (hoffe ich zumindest).
Welch Vorteile haben Nichtmenschen noch? Ein oder zwei ungelernte Fähigkeiten auf +3 bzw. +6 statt auf +0 bzw. +3? Wow, Gamebreaker! Eine automatische angeborene Fähigkeit (Elfen:Nachtsicht, Zwerg/Gnome: Robustheit, Halblinge: Gute Reflexe). Jo, das ist nett. Bessere Resistenzen. Das ist sehr nett. Eigentlich sind die Resistenzen in meinen Augen der einzige wirklich spielrelevante Vorteil der Nichtmenschen. Rechtfertigt dieser die, teilweise heftigen, Nachteile? Vor allem Elfen kommen da in meinen Augen ganz schön schlecht weg. Können verschiedene nützliche Fähigkeiten nicht lernen, dürfen keine schwarzmagischen Zauber beherrschen und brauchen noch zusätzlich mehr EP. Das Regelwerk sagt mir jetzt, dass dies gerechtfertigt ist, um die Spielbalance zu wahren.
Ich erlaube mir, anderer Meinung zu sein. Ich denke, ich werde die zusätzlichen Lernkosten für Elfen in Zukunft unter den Tisch fallen lassen. Zerstöre ich damit irgendeine Spielbalance? Werden meine Mitspieler in Zukunft nur noch Elfen spielen, weil die ja jetzt total viel stärker sind als Menschen? Nope. Werden sie nicht.
Langer Rede kurzer Sinn: Spielbalance entsteht am Spieltisch, nicht im Regelwerk.