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[Blick über den Tellerrand - Teil 2] Battlestar Galactica RPG


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Geschrieben

Im Schwampf hat mich Slüram nach dem Battlestar Galactica Rollenspiel (BSG-RPG) gefragt, was ich jetzt einfach mal zum Anlass nehme, eine wohl doch nicht so kurze Kurzrezi auf Basis von Slürams Fragen zu schreiben.

 

Battlestar Galactica RPG

Erscheinungsform:

Das BSG-RPG gibt es seit 2007 regulär im Handel, der Quickstart Guide war sogar schon Herbst 2006 erhältlich. Seit 2008 gibt es noch den Spielleiterschirm mit einem großformatigen Plan der Galactica und einige wichtigen Tabellen. Es ist ein normalpreisiges Rollenspiel, wobei es aufgrund der Dolarschwäche bei Amazon für sehr günstige 26,65 Euro erhältlich ist.

 

Worum geht's?

Seit 2003 gibt es ja eine Neuauflage der alten Kampfstern Galactica Fernsehserie aus den 70ern. Ich will hier keinen Inhalt der Serie darlegen, da kann sich jeder bei Wikipedia informieren: http://de.wikipedia.org/wiki/Battlestar_Galactica

 

Nur kurz. Das BSG-RPG ist ein Science Fiction Rollenspiel, das in Richtung Space Opera vom Exodus weniger überlebender Menschen nach einem versuchten Genozid durch Roboter erzählt. Der Serienhintergrund bildet auch den Hintergrund für's Spiel, wobei man aber theoretisch auch alle Arten von SciFi-Szenarien spielen kann.

 

Nun zu Slürams Fragen:

Wie sind die Möglichkeiten der Charakterentwicklung?
Die Charaktererschaffung

ist ein Punkte-Kaufsystem. Je nach Powerlevel des Spiels, erhält ein Spieler mindestens (Rekruten) 42 Attributspunkten, 62 Fertigkeitspunkten und 0 Traitpunkte. Wenn man in die vollen geht (Veteranen), können es auch bis zu 54 Attributspunkten, 74 Fertigkeitspunkten und 8 Traitpunkten sein.

 

Damit kauft man sich dann die entsprechenden Attribute, Fertigkeiten und ggf. noch Traits (Vorteile - Assets) ein. Wenn man mit 0 Traitpunkten startet, muss man die Vorteile mit Nachteilen (Complications) erkaufen.

 

Es gibt beim BSG-RPG keine abstrakten Attributs- oder Fertigkeitswerte, sondern man hat ähnlich wie bei Earthdawn verschiedene Würfelarten, die das Können ausdrücken sollen. Die Stufen:

 

  1. W4 (kostet 4 Punkte)
  2. W6 (kostet 6 Punkte)
  3. W8 (kostet 8 Punkte)
  4. W10 (kostet 10 Punkte)
  5. W12 (kostet 12 Punkte)
  6. W12 + W2 (kostet 14 Punkte)
  7. W12 + W4 (kostet 16 Punkte)
  8. W12 + W6 (kostet 18 Punkte)
  9. usw.

Es gibt sechs Attribute (Agility, Strength, Vitality, Alertness, Intelligence, Willpower), die ich jetzt aber nicht näher erklären will.

 

Fertigkeiten und Traits werden ebenso in Würfelwerten gekauft, bei einem Wurf (später mehr) werden dann diese Würfel zum Ergebnis hinzuaddiert oder abgezogen. Fertigkeiten sind bis zur Stufe W6 unspezialisiert, höhere Fertigkeitswerte gibt's nur mit einer Spezialisierung. Man hat dann beispielsweise Pilot W6 und Pilot (Viper) W10.

 

Des Weiteren gibt es noch ein paar abgeleitete Attribute (Initiative, Lebenspunkte), die entsprechend errechnet werden. Ausrüstung usw. wird noch dazu gegeben, aber das Spiel ist in dieser Richtung eher Story orientiert als für Hartwurst ausgelegt. Man muss hier nicht grundsätzlich jedes Detail präzise ausarbeiten und buchhalten, sondern kann ähnlich der Serie wohl auf die übliche Ausrüstung zurückgreifen.

 

Das Lernsystem (die Charakter-Weiterentwicklung)

funktioniert recht einfach. Nach jeder Spielsitzung bekommt man 1 bis 4 Advancement Points (AP), über die man ausdrücklich verhandeln soll, wobei jeder Spieler die gleiche Anzahl bekommt und der SL natürlich das letzte Wort hat.

 

Zwischen den Sitzungen kann man dann für die AP Attribute und Fertigkeiten erhöhen oder sich neue Assets zulegen, bzw. alte Complications loswerden. Die Kosten sind allerdings eher hoch, sodass man meiner Erfahrung nach nach vier bis sechs Sitzungen entweder ein Attribut eine Stufe erhöhen kann oder nach etwa zwei, drei Sitzungen eine Fertigkeit verbessern kann. Die genauen Kosten mag ich jetzt nicht darlegen, sie finden sich im Grundregelwerk auf S.52 (eine Seite!).

 

Wie aufwendig ist sie?
Ich finde die Entwicklung (nach den üblichen, anfänglichen Nachforschungen was denn was ist) sehr einfach und schnell. Wesentlich einfacher als bei Perry Rhodan mit seinen Symbolen oder Midgard mit den unterscheidlichen Steigerungskosten.

 

Kann man "nur" Pilotenhelden spielen, oder auch die üblichen Verdächtigen wie z.B. Techniker, Marines, Wissenschaftler, Mediziner, etc.?
Es gibt keine Charakterklassen, die Figur wird über seine Fertigkeiten definiert. Bei unserer Runde spiele ich ein Piloten-Ass (aber hautpsächlich im Raptor), meine Frau eine Mathematikerin, dann haben wir noch einen Mechaniker (Deck Hand), zwei weitere Piloten und einen Marine (Soldaten). Ohne Probleme wären auch Politiker, Diplomaten, Wissenschaftler, Mediziner usw. möglich, die entsprechenden Fertigkeiten sind alle vorhanden.

 

Auf dem Charakterblatt findest du alle Fertigkeiten. Die wenigen genügen völlig, da man sie ja zwangsläufig spezialisieren muss.

 

Stellt es ein Abbild der Serie dar - also ständige Flucht vor der zahlenmäßig und auch technologisch erdrückenden Cylonen dar?
Jein. Das liegt am SL, wie er die Kampagne gestalten will. Offiziell wird allerdings davon ausgegangen, dass du entweder im Konvoi mit der Galactica (also seriennah) unterwegs bist oder einen eigenen Konvoi bildest, der ebenfalls von den Cylonen verfolgt wird. Ich sehe aber kein Problem darin, eine anderen Background zu erfinden.

 

Das Kapitel 7 (Game Master) ab S.156 bis S.191 bietet einiges an Hilfestellung, wie man interessante Kampagnen gestalten kann.

 

Wie spielbar gestaltet sich das Würfelsystem?
Das ist ein kleines bisschen der Schwachpunkt, da es ähnlich des Earthdawnsystemes nicht so hunderprozentig ausbalanciert und viel stärker zufallsbasiert ist wie beispielsweise Midgard.

 

Grundsätzlich würfelt man mit oftmals mehreren unterschiedlichen Würfeln und muss eine Augenzahl zwischen 3 (Easy) und 31 (Impossible) erreichen, wobei aber auch der Grad des Überwürfelns zusätzliche positive Folgen hat (Extraordinary Success, immer bei 7 Punkte mehr als nötig). Der "Average" Zielwert liegt bei 7, demzufolge der "Extraordinary Success" bei 14.

 

Gewürfelt wird im Regelfall immer mit dem passenden Attributswürfel und dem entsprechenden Fertigkeitswürfel.

 

Mein Charakter hat beispielsweise eine Agility von W6 und Pilot (Raptor) auf W12, also würde ich beim Fliegen normalerweise W6+W12 würfeln und müsste so bei durchschnittlicher Schwierigkeit über 7 kommen. Allerdings ist er noch per Trait Talented (Raptor), was mir einen zusätzlichen W6 bringt und er ist ein Dogfighter, was nochmals einen W4 in Kampfsituationen bringt. Fliegt er einen Raptor in einer Kampfsituation, dann darf ich W4+W6+W6+W12, also vier Würfel werfen.

 

Bei einem Konflikt (also einem Wurf gegeneinander) muss man im Regelfall einfach höher als der Gegner werfen, wobei aber unter Umstände doch noch ein Zielwert überschritten werden muss. Das ist situationsabhängig.

 

Das Regelsystem ist manchmal etwas anstrengend und durch den völligen Verzicht auf fixe Fertigkeitswerte recht zufallsbasiert, funktioniert aber anstandslos und sorgt bei richtiger Nutzung für spannende Situationen.

 

Player-Empowerment durch Plot-Points

Das richtig Geile am System sind allerdings die Plot Points (PP). Jeder Spieler fängt mit sechs PP an und kann auch welche im Spiel dazu bekommen. Man kann aber nicht mehr als 12 PP haben. Die PP sind die Hauptbelohnung im Spiel für gutes Rollenspiel, gute Ideen, Ausspielen der Complications (Nachteile) usw. Man bekommt sie auch, wenn man Ziele erreicht oder einfach nur 'ne coole Szene im Spiel abliefert.

 

Der Spielleiter vergibt sie, wobei aber die Spieler auch gehalten sind, den SL an die Vergabe zu erinnern, wenn ein Spieler 'was Cooles gemacht hat. Idealerweise werden PP auch durch irgendwas (Münzen, Chips o.Ä.) dargestellt, denn man gibt sie auch schnell wieder aus.

 

Man kann die Plot Points auf fünf Arten ausgeben:

 

  1. Aktionen verbessern: Vor einem Wurf kann man sich einen zusätzlichen Würfel kaufen. Immer eine Würfelstufe pro Punkt (von W2 für 1 PP bis W12+W12 für 12 PP, siehe das oben verlinkte Charakterblatt)
  2. Den Arsch retten: Nach einem missglückten Wurf kann man noch das Ergebnis pro PP um einen Punkt erhöhen. Nicht so effektiv wie 1., aber im Bedarfsfall sehr nützlich.
  3. Am Leben bleiben: Man kann mit PP Wunden reduzieren. Aber um das genau zu erklären, müsste ich das Kampfsystem erklären, was mir jetzt zuviel ist. Funktioniert aber und kann auch mal bitter notwendig sein.
  4. Assets befeuern: Manche Assets (Vorteile) brauchen Plot Points, um ihre positiven Effekte voll zu entfalten.
  5. Story Manipulation: Das ist das wirklich Coole. Mit Plot Points kann ich mir Erzählrechte einkaufen und für mich nützliche Änderung in der Szenerie bezahlen. Natürlich hat der Spielleiter ein Veto, wenn die Änderung den kompletten Plot vernichten würde, aber kleine Änderungen sind durchaus erlaubt. Die Höhe der eingesetzten Punkte bestimmt das Maß der Auswirkung:
    1-2 = Minimale Änderung: Du findest einfach die richtigen Schuhe beim Ausrüster.
    3-4 = Kleine Änderung: Du hast doch den Extra-Munitionsclip mit eingesteckt.
    5-6 = Moderate Änderung: Du stolperst über ein Medizin- und munitionslager im besetzten Caprica.
    7-8 = Signifikante Änderung: Unter den neuen Rekruten für das Viper-Training findest du eine Handvoll fast fertig ausgebildeter Kampfpiloten.
    9-10 = Große Änderung: Gerade wenn die Flotte es benötigt, stolperst du über eine Tylium Mine.
    11+ = Riesige Änderung: Sie senden koloniale Signale, Sir! ;)

Das Spiel mit den Plot Points macht richtig Spaß.

 

Das ist jetzt mal ein Überblick über das System. Es funktioniert gut und zuverlässig - man muss sich halt auf das zufallsbasierte Würfelsystem einlassen. Die Charaktere werden dank der Traits und der Plot Points von Anfang an ausgespielt und sind auch ausgestaltet mit persönlichen Sträken und Schwächen. Ich mag das sehr!

 

In der mir eigenen Rosendorn-Wertung gebe ich dem Battlestar Galactica RPG 8 von 10 Dornen - das ist wirklich sehr gut! Somit also sehr empfehlenswert.

 

Liebe Grüße...

Der alte Rosendorn

  • Like 4
Geschrieben

Danke @ Rosendorn für diese Rezension!:thumbs:

 

Ein paar Fragen habe ich noch:

 

Wie ist das Angebot an vorgefertigten Raumschiffstypen?

Sind deren Spielwerte adäquat dargestellt?

Gibt es Spielbeschreibungen/Blaupausen/Risszeicnungen für einen Battlestar und/oder weitere Raumschiffe der Flotte?

Gibt es Spielbeschreibungen/Blaupausen/Risszeicnungen für eine Cylonenbasisschiff die Jäger und/oder weitere Raumschiffe der Cylonenflotte?

Gibt es Beschreibungen von Planetensystemen und Raumstationen?

Geschrieben

Erst mal vorweg: BSG ist Space Opera, kein Hard-SF. Demzufolge ist man wirklich falsch, wenn man präzise physikalische Erklärungen für das Funktionieren des FTL-Drives, der künstlichen Schwerkraft usw. sucht. Es ähnelt eher Star Wars als Star Trek ...

 

Das bedeutet, dass wir hier auch kein (womöglich figurenbasiertes,) detailiertes und hochsimulatives Raumkampfsystem haben. Es ist eher ähnlich der Serie auf Action, Drama und cineastisch angelegt.

 

Des Weiteren gibt es (momentan) nur das Grundregelwerk. Es war zwar mal ein Quellenband angekündigt, die Ankündigung ist aber wieder verschwunden. Im Pack mit dem SL-Schirm ist zusätzlich nur ein riesiges Poster mit einem recht groben Deckplan der Galactica und einem recht genauen eines kleineren Schiffes enthalten.

Wie ist das Angebot an vorgefertigten Raumschiffstypen?
Colonial: Galactica, Colonial one, Astral Queen, Cloud Nine, Gemenon Traveller, Olympic Carrier, Viper Mark II, Viper Mark VII, Raptor

 

Cylon: Basestar, Raider (Sparrow), Heavy Raider (Turkey)

 

Sind deren Spielwerte adäquat dargestellt?
Was heißt adäquat? Ja, man kann sie damit fliegen und damit echt cool kämpfen. Nein, ich weiß nicht den Spritverbrauch, die Reichweite, Geschwindigkeit usw. da das für das Spiel einfach keinerlei Rolle spielt (siehe oben).

 

Gibt es Spielbeschreibungen/Blaupausen/Risszeicnungen für einen Battlestar und/oder weitere Raumschiffe der Flotte?
Alle obigen Schiffe sind abgebildet und beschrieben, die größeren der Colonial Fleet haben sogar grobe Risszeichnungen.

 

Gibt es Spielbeschreibungen/Blaupausen/Risszeicnungen für eine Cylonenbasisschiff die Jäger und/oder weitere Raumschiffe der Cylonenflotte?
Alle drei obigen Cylonenschiffstypen haben Spielbeschreibungen mit den relevanten Werten. Leider liegen hier keine Risszeichnungen vor, wobei ja zumindest der normale Raider sowieso keine Passagiere aufnehmen kann.

 

Gibt es Beschreibungen von Planetensystemen und Raumstationen?
BSG ist kein Perry Rhodan. Die Menschheit lebte da nur ein einem einzigen Sonnensystem mit den zwölf Kolonien auf den unterschiedlichen Planeten. Ja, dieses Sonnensystem ist im Grundregelwerk beschrieben. Raumstationen spielen in der Serie so gut wie keine Rolle und sind demzufolge auch nicht beschrieben. Andere Planetensysteme ebenso wenig.

 

Nach diesen Fragen habe ich den Eindruck, dass du doch eher weniger ein cineastisches System, als vielmehr ein eher simulationistisches suchst. Dazu kann ich dir Traveller wärmstens ans Herz legen. Das ist wirklich perfekt und bietet dem SL alle Werkzeuge, die er für jegliche Art von SF-Spiel brauchen kann. Bei BSG geht's hauptsächlich um die Charakterentwicklung und die an den Serienhintergrund angelehnte mystische Story. Natürlich kann man auch eine Terroristen-Kampagne im Widerstand auf Caprica spielen, aber es ist schwer, das Regelwerk auf etwas ganz anderes umzuschreiben.

  • 2 Monate später...
  • 6 Monate später...
Geschrieben
Was spielt ihr als Hintergrund? Eigene Flotte?
Wups, das habe ich ja völlig übersehen: Wir spielen eine eigene Flotte. Battlestar Hyperion - haben die Galactica nur um Minuten verpasst und sind nun selbst unterwegs. Stoßen aber auch mal auf Spuren der Galactica oder der Pegasus ...

 

Wir sind aber vermutlich nicht zu eng am Kanon, wobei unser Spielleiter sich aber auch nicht völlig entfernt hat.

 

Gibt es hier inzwischen weitere Erfahrungen?

Ich bin geneigt mir den Regelzwerg auch mal zuzulegen:notify:

Was willst du wissen? Wir spielen noch.
Geschrieben

Ja, eigene Flotte wäre auch meine Wahl. Zu eng am Kanon geht ohnehin nicht, sonst kommt es spätestens dann zu Problemen, wenn man versucht, die "Final Five" auf die eigene Gruppe umzumodeln.

 

Rainer

Geschrieben

Ich muss dazu sagen, dass unser SL ein echter und auch sehr guter Erzählonkel ist. Wir haben nicht übermäßig viel Einfluss, auch wenn meine Figur unter Anderem mit der aktuell höchsten Politikerin ("Präsidentin") schläft und selbst Sohn eines einflussreichen Geldsackes ist. Ich spiele so eine Mischung aus Balthar und Apollo ... ;)

 

Ich kann mir vom System und Hintergrund her eher kein echtes Sandboxing mit viel Spielerfreiheit vorstellen, da muss es wohl eher Storytelling sein.

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