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Emotionaler Anspruch als Spaßquelle im Rollenspiel


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Geschrieben

Von der aktuellen Diskussion angestoßen liefere ich hier mal eine Facette, die MIR im Rollenspiel wichtig ist:

 

Damit Rollenspiel mir Spaß macht muss es mich emotional ansprechen. Wenn es mir egal ist, was in der Fiktion passiert, dann brauch ich auch nicht spielen. Für einen One-Shot taugt als Motivation auch mal ein "gewinnen wollen" oder "sanfte Neugier, was wohl als nächstes passiert". Damit es richtig gut wird brauche ich aber mehr. Dafür brauche ich einen emotionalen Bezug zum Charakter oder zum Geschehen. Da muss ich mitfühlen und mitleiden, da muss es mich mitnehmen, da muss ich mich mit den Dingen, die passieren, in irgend einer Art und Weise identifizieren können.

 

Abgrenzung:

"Atmosphäre"

Ein ähnliches Thema ist die sogenannten "Atmosphäre", die manch einer zu erreichen versucht, in dem er sogenannte "atmosphärische Beschreibungen", Dekorationen, Kerzenlicht, Hintergrundmusik etc. einsetzt. Brauch ich nicht, bringt mir nichts. Falls die Bemühungen um "Atmosphäre" in den Einsatz von stinkenden Räucherstäbchen, Schalmeien-Gedudel oder ellenlange SL-Monologe/Vorlesetexte entartet, schadet es sogar.

 

Method Acting

Auch verwandt ist das sogenannte "Method Acting", bei dem man versucht, sich so weit wie möglich in seinen Charakter hineinzuversetzen und nur noch aus der Warte seines Charakters wahrzunehmen und zu handeln. Kann man machen, muss man aber nicht. Ich "bin" nur selten mein Charakter, meistens bin ich nur nah dran. Wenn andere am Tisch "drin" sind schadet das so lange nicht, bis nicht das "mein Charakter ist aber so"-Geweine anfängt.

 

Emotionale Manipulation

Meist unpassend, aber verzeihlich ist das plumpe Diktat der Emotionen der Charaktere durch den SL. "Du wirst traurig." Äh ja, nein.

Schlimmer ist die verdeckte Manipulation, bei der der Spielleiter bewusst versucht, an bestimmten Stellen bestimmte Emotionen in den Spielern zu provozieren. Damit ursupiert er eine Machtposition, die ich ihm im Rollenspiel nicht zugestehe, er schwingt sich zum Herren über die Emotionen der Spieler auf, anstatt gemeinsam, als Mitspieler in diese Emotionen einzutauchen.

Dabei sind die Grenzen hier sehr fließend. Eine Szene mit dem Potential, Emotionen hervorzurufen (akzeptabel) kann sich auf den ersten Blick kaum von einer Szene mit der Absicht, eine bestimmte Emotion zu provozieren (nicht akzeptabel) unterscheiden. Letztendlich ist da Vertrauen in und Fingerspitzengefühl vom SL gefragt. Die Type Mensch, die hinterher damit prahlt, wie sie drehbuchmäßig die passenden Emotionen in den Spielern geweckt hat, kann ich bei mir am Spieltisch nicht brauchen.

 

 

Wie erreiche ich nun aber diesen emotionalen Anspruch?

Ein paar Punkte, die für mich ganz stark dazugehören:

 

Menschliche Charaktere

Pappaufsteller taugen schlecht als Identifikationsfigur. Wenn mein Krieger den 387sten gesichtslosen, bösen Ork schnetzelt, dann ist der emotionale Impakt gleich null. Die Figuren in der Spielwelt brauchen Profil, brauchen Tiefe, brauchen nachvollziehbare Motivationen. Erst dann hat die Interaktion (die auch mit Schwert oder Plasmakanone erfolgen kann) mit ihnen Bedeutung. Das gilt umso mehr für die Spielercharaktere, die ja meist im Zentrum des Geschehens stehen.

 

Glaubwürdige Spielwelt

Die Welt, in der diese Charaktere interagieren, muss glaubwürdig sein, am besten ist sie sogar realistisch. Die reale Welt ist eine Umgebung, mit der ich gewohnt bin zu interagieren, zu der ich leicht einen Bezug herstellen kann. Je mehr die fiktive Spielwelt Bezug nimmt auf die Realität, desto leichter fällt es, auch zu ihr einen Bezug herzustellen. Dort, wo die Spielwelt von der Realität abweicht sollten diese Abweichungen durchdacht und ohne allzu große Logik-Lücken sein. "Suspension of Disbelief" ist da ein Stichwort. Bei mir ist es so, dass ich zwar den größten Unsinn als Prämisse akzeptieren kann, bei den Folgerungen aus diesen Prämissen aber sehr empfindlich bin. Auch hier: In One-Shots stört mich das nicht groß, eine Kampagnenwelt, die keinen Sinn ergibt geht aber gar nicht.

"Realistische" Regeln haben damit nur in sofern zu tun, als dass ich Regeln, die nicht glaubwürdige Ergebnisse liefern oder dem Kontext der Spielwelt widersprechen, vermeide. "Der Spieler sagt an, der Spielleiter entscheidet nach gesundem Menschenverstand, was passiert" ist z.B. in meinen Augen eine ziemlich gute Regel, so lange sich der GMV des SLs nicht groß von meinem GMV unterscheidet.

 

Charakterrelevante Handlung

Das, was passiert, muss mit den Charakteren zu tun haben. Einen x-beliebigen Dungeon plündern oder einen x-beliebigen Mordfall aufklären ist öde. Damit es interessant wird muss für die Charaktere etwas auf dem Spiel stehen, muss es für sie einen wichtigen Unterschied machen, ab die Sache so oder anders ausgeht. Motivation ist hier ein großes Thema, das eng mit dem Thema "menschliche Charaktere" zu tun hat. Menschen tun Dinge aus bestimmten Gründen, nicht "weil das eben das Abenteuer ist". Eine Abstimmung von Charakteren und Kampagne ist hier fast schon zwingend, damit die Kampagne nicht am Charakter oder der Charakter nicht an der Kampagne vorbeiläuft.

 

Ergebnisoffenheit

Das ist ein sehr merkwürdiger Punkt: Wenn ich einen Film sehe oder ein Buch lese, dann kann ich mitfiebern, obwohl ja schon von Anfang an feststeht, was passiert. Wenn beim Rollenspiel der Verlauf schon feststeht, dann klappt das bei mir mit dem Mitfiebern nicht, zumindest nicht so richtig.

Anektodisch dazu waren die besten Spielerlebnisse meiner Rollenspiel-Frühzeit auch allesamt reine SC-interne Momente, wo man eben wusste, dass das jetzt nicht nach dem Skript des SLs laufen kann, und die Würfel auch offen fallen und nicht hinter dem Schirm.

 

Exkurs - Spannung ohne Fiktion

Ein spannendes, fesselndes Spielerlebnis ist auch ohne emotionalen Bezug zu einer fiktionalen Handlung möglich, z.B. bei abstrakten Brett- und Kartenspielen. Auch hier wächst die Spannung in dem Maße, wie der Einfluss von Zufall und Glück schrumpft. Nur dann kann auch die Spannung hoch sein, wenn das Ergebnisses in hohem Maße von den Entscheidungen der beteiligten Personen beeinflussbar ist. In sofern passt das Stichwort "Ergebnisbeeinflussbarkeit" besser als das Stichwort "Ergebnisoffenheit".

Eine Szene, deren Ausgang rein von einem Würfelwurf abhängt, ist allenfalls mäßig spannend, auch wenn das Ergebnis offen ist - es ist eben nicht beeinflussbar. Anders sieht es nur aus, wenn der Würfelwurf der Endpunkt einer Entscheidungskette ist, die von allen beteiligten Personen beeinflusst werden konnte.

 

Fazit:

Damit ich langfristig Spaß an einer Rollenspiel-Runde habe müssen dort menschliche Charaktere im Mittelpunkt stehen, die in einer glaubwürdigen Spielwelt relevante Dinge beeinflussen können.

 

Das sind natürlich notwendige, keine hinreichenden Bedingungen.

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Geschrieben

Jepp, da erkenne ich mich ebenfalls in großen Teilen wieder. Besonders der Punkt, dass sich letztlich alles Spielhandeln um die Spielfiguren dreht und diese im Geschehen auch die Hauptfiguren sind, ist mir sehr wichtig. Bei den Stichworten "mifühlen und mitleiden" habe ich noch ein wenig Kopfschmerzen. Ich führe keine echte Trauer, bloß weil etwas für meine Figur traurig ist. Und ich empfinde sicherlich zwar auch (große) Freude, wenn wir siegen oder einen Meilenstein erreichen, aber es sind definitiv andere Gefühle mit einem anderen Schwerpunkt als eine echte Person in einer tatsächlichen, vergleichbaren Situation wie die fiktive Spielfigur haben würde.

 

Beispiel:

Im Spielgeschehen ist uns der langjährige Chefobermotz der Gegenseite im letzten Moment doch noch entwischt und konnte seinen Plan, der unter anderem die Ermordung nahestehender NSC vorsah, doch noch erfolgreich in die Tat umsetzen. Meine (eher sanfte und zurückhaltende) Spielfigur müsste da dann vermutlich, eine Mischung aus Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und Trauer empfinden. Ich selbst hatte auch durchaus heftige Gefühle, aber die waren dann doch eher Ärger über falsche Entscheidungen/Ressourcenverwendung und etwas Würfelpech, Enttäuschung wegen des Verlustes der NSC (wir hatten damit schöne Spielszenen), aber auch Freude über eine superspannende Spielsitzung und Vorfreude auf die sich nun sicherlich entspinnende Verfolgungsjagd und dann eben der passende Rachefeldzug. Des Weiteren genoss ich die sich entwickelnde Geschichte sehr stark. Da würde ich sagen, dass die Gefühle des Spielers wohl eher nicht deckungsgleich mit den vermuteten der Spielfigur sein dürften.

Geschrieben (bearbeitet)

Klingt vielleicht komisch, aber manchmal habe ich an einem Spielabend Spass gehabt, obwohl das Abenteuer Mist war und ich mein Rollenspiel nicht anbringen konnte - also eine miese Herausforderung/ein mieser Plot und Stimmung für mich, in der meine Assassinin einbringen konnte, auch nicht.

 

ABER: Die Interaktion am Abend, die Witze, Gespräche und Würfelwurfergebnisse haben mich stundenlang zum Lachen gebracht. Es war deswegen ein toller Abend! So was kann man auch erreichen, wenn man Doppelkopf/Schafskopf spielt.

 

Also ist das für mich AUCH eine Spaßquelle im Rollenspiel.

Bearbeitet von Panther
Geschrieben
Bei den Stichworten "mifühlen und mitleiden" habe ich noch ein wenig Kopfschmerzen. Ich führe keine echte Trauer, bloß weil etwas für meine Figur traurig ist. Und ich empfinde sicherlich zwar auch (große) Freude, wenn wir siegen oder einen Meilenstein erreichen, aber es sind definitiv andere Gefühle mit einem anderen Schwerpunkt als eine echte Person in einer tatsächlichen, vergleichbaren Situation wie die fiktive Spielfigur haben würde.

Das man nicht die gleichen Gefühle haben kann, als wenn man selbst diese Figur wäre, ist denke ich klar. Aber DASS eine gewisse emotionale Verbindung zu den Figuren oder zum Geschehen da sein muss, das ist für mich ein zentraler, wichtiger Punkt, der zu meiner Spielfreude beiträgt. Ich weiß, dass das nicht bei jedem so ist, sonst wäre es ja nicht erwähnenswert. ;)

 

Und das ist z.B. eine der Trennlinien, die ich im Rollenspiel zwischen "guten Mitspielern" und "nicht so guten Mitspielern" ziehe: Wie weit lassen sich die Spielteilnehmer auf die gemeinsamen Emotionen im Rollensipel ein?

 

Beispiel (offensichtlich nicht Midgard): Ich war SL, und spielte einen Arzt, der einem SC mitteilen musste, dass eines seiner Kinder eben im Krankenhaus gestorben sei. Diese Szene ging dem Spieler nahe. Und sie ging mir als SL nahe. Ich sass nicht da und hab von außen "Knöpfchen gedrückt", um den Spieler traurig zu machen, sondern ich habe eben mitgelitten, wie ich z.B. auch in einem guten Roman oder einem Spielfilm mit der Hauptfigur mitleiden würde. Und der Spieler hat auch nicht gedacht: "Hm, ärgerlich, da hab ich falsche Entscheidungen getroffen und so wichtige Resourcen verloren."

 

Das ist natürlich ein Extrembeispiel, und SO emotional muss ich es auch nicht jede Woche haben, aber das Potential und der Wille, falls sich die Gelegenheit ergibt sich dann auch darauf einzulassen, die müssen, damit die Runde für mich großartig werden kann, auf jeden Fall da sein.

Geschrieben

@Pyromancer: Was sagst du zu meinem Beispiel? Ist dir das in der vollen Bandbreite emotional genug? Ich fand's wirklich intensiv und großartig.

 

Ein paar Fragen zu deinem Beispiel habe ich noch: Woher kennst du die Gefühle des Spielers? Habt ihr euch darüber konkret ausgetauscht? Ich könnte mir beispielsweise in der Situation selbst durchaus auch eine gewisse Traurigkeit als eines von mehreren (!) Gefühlen vorstellen, die ich dann gleichzeitig habe. Vermutlich habe ich dann auch noch jede Menge positiver Gefühle, weil mir die Intensität Spaß macht - und warum sollte ich nicht auch ein wenig Ärger verspüren, weil ich ja hoffentlich auch irgendwie mitverantwortlich war und vermutlich beim Verhindern des Todes gescheitert bin?

Geschrieben
@Pyromancer: Was sagst du zu meinem Beispiel? Ist dir das in der vollen Bandbreite emotional genug? Ich fand's wirklich intensiv und großartig.

"Genug" ist da ein blödes Wort. Es wirkt auf mich so, als wärst du trotz allem emotional ziemlich weit vom Geschehen in der Fiktion entfernt, als würden sich deine Emotionen hauptsächlich auf die Meta-Ebene beziehen.

 

Ein paar Fragen zu deinem Beispiel habe ich noch: Woher kennst du die Gefühle des Spielers? Habt ihr euch darüber konkret ausgetauscht?

Wir haben hinterher wahrscheinlich länger über die Session geredet, als sie tatsächlich gedauert hat.

 

Ich könnte mir beispielsweise in der Situation selbst durchaus auch eine gewisse Traurigkeit als eines von mehreren (!) Gefühlen vorstellen, die ich dann gleichzeitig habe. Vermutlich habe ich dann auch noch jede Menge positiver Gefühle, weil mir die Intensität Spaß macht - und warum sollte ich nicht auch ein wenig Ärger verspüren, weil ich ja hoffentlich auch irgendwie mitverantwortlich war und vermutlich beim Verhindern des Todes gescheitert bin?

Ich halte das Wort "Spaß" in diesem Zusammenhang - obwohl ich es selbst ja auch verwendet habe - für irreführend. Mir fehlen aber momentan die Worte, es besser auszudrücken.

Geschrieben

Eines der coolsten erlebnisse, gerade auch emotional, war es als meine Spielfigur wissentlich in den tod für eine gute Sache ging.

 

Ebenso war es eine coole aktion als eine Gruppe sich trennte, die einen um den anrückenden Feind weiter aufzuhalten und die anderen um die Nachricht vom Falle Osgiliaths nach Minas Tirith zu bringen (das war Mittelerde mit M3 Regeln). Die restlichen 3 Spiel-Stunden nach der Trennung ging nur darür drauf den beiden zurückgebliebenen einen möglichst Glorreichen Tod herauszuspielen - ich war nicht beteiligt da mein waldläufer eben nach MT rannte.

 

Und wenn es mal ne Figur von mir erwischt hatte war ich meistens doch schon etwas sauer und gegebenenfalls auch traurig - aber es ist natürlich nichts im vergleid dazu wenn eine "echte" Freundschaft zerbricht oder man auf eine Beerdigung gehen muss,...

Aber es klingen doch ähnliche Seiten an, wenn auch eher gezupft als wie mit dem Dampfhammer angeschlagen.

 

Und das funktioniert im Poeitiven natürlich genauso. Wenn ein Plan aufgeht, wenn ein grosse Bösewicht endlich fällt,... wenn es andere coole erlebnisse gibt.

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