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"Gerechtigkeit" im Rollenspiel


Empfohlene Beiträge

Geschrieben
Weil jemand es angesprochen hat:

Würfel sind an sich weder objektiv noch gerecht. Sie sind zufällig.

Blödsinn, natürlich sind Würfel objektiv. Wenn nicht, dann müssten sie ja subjektiv sein. Wie soll das gehen? Es sind schließlich Objekte und keine Subjekte!

Nur dass Objekte gar nicht objektiv sein können, da dies ein erkenntnistheoretischer Begriff ist. ;) Diese Begriffe haben recht wenig mit Subjekt (im Sinne von handelnd) und Objekt (im Sinne von erleidend) zu tun.

Ein Würfel kann nicht objektiv sein, weil er nicht handelnde Person ist, sondern nur Werkzeug. Objektivität setzt Entscheidungs- und Erkenntnisfähigkeitvoraus. Dem Würfel fehlt dies vollkommen.

 

Alles, was du sagst, ist richtig, und geht dennoch an meinem posting vorbei, was ich mir vermutlich selbst zuzuschreiben habe, da ich das Wortspiel mit der Doppelbedeutung von "Objekt" gemacht habe. Was aber klar sein dürfte, ist: Wenn der Spielleiter selbst entscheidet, kann das subjektiv sein; wenn er Würfel nach unabhängig von ihm festgelegten Regeln benutzt, ist es auf jeden Fall objektiv (=frei von persönlichen Wertungen).

 

Mit freundlichen Grüßen vom Schnitter

 

Und was ist in Situationen in denen gewürfelt werden kann, nicht muss?

Ein einfaches und recht harmloses Beispiel ist Sprache in Midgard. In der Fertigkeitsbeschreibung steht ausdrücklich drinnen, dass ab einem gewissen Wert für bestimmte Situationen nicht mehr gewürfelt werden muss.

Welche bestimmten Situationen? Oder wird pauschal immer gewürfelt?

Der Spielleiter ist hier gefragt, objektiv zu beurteilen, ob es gerechtfertigt ist, dass der Wurf ausgelassen wird. Macht ja auch Sinn, dass ein Charakter der Sprache +12 hat ohne Probleme (=kein Wurf) eine Pizza bestellen kann, aber einer mit nur +4 dort erhebliche Schwierigkeiten hat.

Das gilt übrigens für alle Fertigkeiten, zumindest wenn man nach den Regeln geht. Jeder einigermaßen erfahrene Pflanzenkundige erkennt eine Rose, wenn er sie sieht. Da muss nicht gewürfelt werden.

 

Der Spielleiter muss das objektive Element sein und er muss gerecht sein. Zu seinem Handwerkszeug gehört mitunter der Würfel. Aber er entscheidet (nach den Regeln die ihm einen Ermessenspielraum geben), ob ein Wurf gemacht werden muss und welche Würfelmodifikatoren gelten.

Ein Würfelwurf muss aber weder objektiv gerechtfertigt sein noch für gerecht empfunden werden.

 

P.s.:

Sonst wäre ja ein würfelloses Rollenspiel niemals objektiv ;)

(Auf Spielleiterlose Rollenspiele möchte ich mal nicht eingehen, die haben ja wieder einen komplett anderen Ansatz)

______________________________________

 

Zum Thema Gerechtigkeit gegen Spielfiguren:

Wie ich ja schon gesagt habe, darf man beide Arten von Gerechtigkeit nicht entkoppelt sehen. Die erlittene Ungerechtigkeit der Spielfigur beeinflusst mitunter das Gefühl des Spielers, ob ihm Gerechtigkeit zuteil wird.

Zum Beispiel kann es sein, dass der Spielleiter logisch begründen kann, warum Charakter XY noch keine wirklich sinnvolle Belohnung bekommen hat. Eigentlich erleidet die Spielfigur die Ungerechtigkeit.

Trotzdem kann sich der Spieler von XY ungerecht behandelt fühlen, da sein Charakter seit einem Jahr nichts mehr bekommen hat und alle anderen in dieser Zeit schon 2-3 gute Artefakte abgestaubt haben.

Die Regeln haben mit dieser Situation überhaupt nichts zu tun. Der Spielleiter ist hier auf sich allein gestellt.

Mitunter ist es auch in Ordnung einen kleinen Logikbruch in der Spielwelt in Kauf zu nehmen.

Wir hatten es schon mal, dass der Charakter eines Spielers in einem Jahr Spielzeit keine sinnvolle Belohnung für seinen Charakter bekommen hat. Der Spieler hat mehrmals im Guten auf diesen Fakt hingewiesen, bis er dann endlich was bekommen hat ;)

Seit dem planen die unterschiedlichen Spielleiter so, dass die Belohnungen möglichst gerecht verteilt werden.

Geschrieben
Gerecht ist, wenn sich alle gerecht behandelt fühlen! Ob das jetzt mit knallharter Regelauslegung oder mit 'Schummeln' oder 'Gnade vor Recht' geschieht ist doch scheißegal!

 

Womit wir bei dem Grundproblem wären, das Rollenspieltheorie lösen helfen soll: Wann fühlen alle gleich? Es ist in der Tat völlig egal, wie ich rollenspiele, solange alle an den gleichen Dingen Spaß haben. Das ist aber höchst selten der Fall, da Menschen nun einmal unterschiedlich empfinden. Rollenspieltheorie sollte nur herausarbeiten, welch unterschiedliche Einstellungen es da gibt, z. B. wann man sich "gerecht" behandelt fühlt.

Ich finde, die Rollenspieltheorie kann beim Thema "Gerechtigkeit" überhaupt nicht helfen. Das läuft meines Erachtens auf einer ganz anderen Ebene ab.

 

Ich kann der beste Spielleiter sein, der alle Facetten der Rollenspieltheorie kennt und erfolgreich umsetzen kann, so kann ich dennoch ungerecht sein. Indem ich zum Beispiel die Wünsche eines Spielers, den ich persönlich nicht mag, weniger Berücksichtige als die der anderen Spieler. Die Rollenspieltheorie hilft mir aber nicht, den benachteiligten Spieler zu mögen.

 

Der letzte Absatz ist richtig. Nur begründet das nicht den Schluss, die Rollenspieltheorie könne "überhaupt nicht helfen". Sie wird dir nicht alle Fragen beantworten, aber es gibt bestimmte Bereiche, wo sie helfen kann. Z. B. kann sie dir klar machen, welcher Spielertyp knallharte Regelauslegung als gerecht empfindet, und welcher nicht.

Knallharte Regelauslegung ist aber keine Frage der Gerechtigkeit, sondern des Spielstiles.

 

Willst du mir jetzt vorhalten, was ich selbst schon in meinem ersten post hier (#5) geschrieben habe? Warum habe ich wohl "gerecht" noch im ersten hier zitierten post in Anführungszeichen gesetzt?

 

Und was ist in Situationen in denen gewürfelt werden kann, nicht muss? [...] Der Spielleiter ist hier gefragt, objektiv zu beurteilen, ob es gerechtfertigt ist, dass der Wurf ausgelassen wird.

 

Es hat ja auch niemand behauptet, dass der SL nicht objektiv urteilen könne. Es ist halt nur möglich, dass er sich von subjektiven Vorstellungen beeinflussen lässt. Das kann der Würfel nicht. Wenn der SL etwas durch Würfelwurf festlegt, dann kann er allenfalls bei den Rahmenbedingungen (z. B. der Verteilung auf dem Würfel) subjektiv sein, beim Würfelergebnis aber nicht. Das ist hier mit "Objektivität der Würfel" gemeint.

 

Mit freundlichen Grüßen vom Schnitter

Geschrieben
Willst du mir jetzt vorhalten, was ich selbst schon in meinem ersten post hier (#5) geschrieben habe? Warum habe ich wohl "gerecht" noch im ersten hier zitierten post in Anführungszeichen gesetzt?

Wie kommst du jetzt darauf? :?:

 

Ich habe auf deinen Post geantwortet und hatte vielleicht nicht alles bisher geschriebene vor Augen. :dunno:

 

Davon ab diskutiere ich sachorientiert. D.h. von "Vorhaltungen" halte ich gar nichts.

Geschrieben
Lieber Jakob Richter,

nur am Rand möchte ich zu Protokoll geben:

 

(...)

 

1) Wenn Freiheit und Notwendigkeit zusammenhängen - wie ist dann der Übergang vom Einen zum Anderen definiert?

Oder anders formuliert: Wenn in meiner Spielrunde das ausnahmslose Einhalten der Regeln unerwünscht ist, dann muss ich wissen, ab wann ich willkürlich handeln soll und muss. Wo liegt diese Schwelle? Wie kann ich mich auf diese Grenze einigen? Oder verlasse ich mich auf mein Bauchgefühl, meine Intuition - und darauf, daß am Spieltisch jedes Problem gemeinsam gelöst werden kann?

 

2) Wenn Gerechtigkeit im Brechen der Regeln besteht - wie nenne ich dann die Tätigkeit, die den Regeln gemäß erfolgt? Welches adjektiv verwende ich?

Es sei <gerecht>, den Patzer zu ignorieren - es sei <XXX>, den Patzer hinzunehmen. Ja, was ist das denn? Regelkonform?

 

3) Wenn Gerechtigkeit erst in der Anwendung einer Regel entstehen soll - wie entsteht dann die Regel? Ist eine Regel nicht selbst Ergebnis eines sozialen Prozesses, einer Auswahl und einer Erprobungszeit? Hat nicht jede Regel einen Sinn? Oder ist sie nicht zumindest Artefakt eines vergessenen Sinns? Zumindest hat jede Regel einen ursprünglichen Anlass, und kann nicht ohne diesen gedacht werden.

 

4) Sind die Begriffe, die hier verwendet werden, wirklich nötig? Hilft uns eine Gerechtigkeitsdebatte weiter(denn: Was ist "Gerechtigkeit"? :turn: ). Können wir konkrete Probleme am Spieltisch nicht viel besser ohne problematische Abstrakta lösen, dafür aber anhand von Beispielen, Erklärungen und ständigen Verbesserungen?

Bringen uns Moralabstrakta ("gut", "böse", "schlecht"), oder Tugendkataloge (wie "Tapferkeit", "Weisheit", "Mässigung" und, tja, "Gerechtigkeit" :whatsthat:) wirklich weiter?

 

(...)

 

* der durchaus der Meinung ist, dass sich Gott an seine eigenen Naturgesetze halten müsste, wenn er diese denn einmal aufgestellt hätte :) *

 

Lieber Rabe,

 

danke für Dein freundliche Aufnahme meiner Argumentation.

 

Ich habe gerade nicht so viel Zeit, deshalb schreibe ich erst Mal nur was zu Deinen ersten beiden Punkten:

 

1. Bei der Frage, auf welche Art man sich nicht an Regeln halten soll (oder darf), kommt es meiner Meinung entscheidend darauf an, welches Reflexionsniveau und welcher soziale Zusammenhalt in der Gruppe herrscht in der man spielt. Normalerweise bildet sich da recht schnell nach einigen Sitzungen eine Art "stillschweigender sozialer Vertrag" zwischen allen Beteiligten heraus. Zu Weilen wird dieser auch durch öffentlich ausgesprochene Regeln verdeutlich.

Streit in einer Gruppe entsteht meiner Meinung nach genau dann, wenn über diesen "stillschweigenden sozialen Vertrag" keine Einigkeit herrscht.

Auf Cons stellt sich so ein Vertrag normalerweise auf etwas andere Art her: Der Spielleiter hat hier - so finde ich - die Verantwortung dafür zu sorgen, dass einige seiner "Vertragsbedingungen" vor dem Abenteuer geklärt werden. Ich bin auf Cons schon vor Jahren dazu übergegangen, vorab meinen Spielleitungsstil zu erläutern. Unter anderem vordere ich die Mitspieler auf, mir direkt im Abenteuer zu sagen, wenn ihnen etwas an meinem Leitungsstil nicht passt (übrigens ein Bruch der Midgardregeln, wo man das ja angeblich erst nach dem Spiel tun soll).

 

2. Die Möglichkeit (!) zum Bruch der Regeln ist aus meiner Sicht Grundlage für Spielgerechtigkeit. D.h. im Umkehrschluss keinesfalls, dass die Einhaltung von Regeln zwingend ungerecht ist.

Das Gefühl, dass eine Rollenspielsitzung gerecht verläuft, hat meiner Meinung nach mit den Regeln an sich wenig zu tun, sondern eben vielmehr damit, ob sich alle an den von mir oben genannten "stillschweigenden sozialen Vertrag" halten. Das blöde an diesem Vertrag ist aber, dass er in gewissen Grade "unbestimmt" bleiben muss, weil es (aus meiner Sicht) beim Rollenspiel um im Kern unbestimmte Begriffe, wie "Spielspass", "Flucht aus dem Alltag", "Phantasie der Beteiligten", "Gruppenerlebnis" etc. geht. Alle diese Dinge sind der Natur nach individuell und nur sehr schwer zu kodifizieren.

Ich glaube, dass der Grund für die vehemente Debatte um "Regeltreue des Spielleiters", "Railroding" etc. auch darin liegt, dass es einigen Menschen nicht liegt, mit solchen Graden von "Unbestimmtheit" umzugehen.

 

Herzlicher Gruß

 

Jakob

  • Like 1
Geschrieben
PS.: Ich bleibe übrigens dabei, dass Würfel diktatorische Willkürmaschinen sind. Was an Würfeln "frei" oder "gerecht" ist und was die zwingende Benutzung dieser Objekte mit dem Spielgleichgewicht zu tun hat, müsste man mir schon - und zwar einigermaßen argumentationsstark - erklären.

 

Ist das wirklich so schwer zu verstehen?

 

Vor dem Würfel sind alle gleich. Das ist gerade das Gegenteil von Willkür. Der Würfel ist vollständig willkürlos, weil er keinerlei eigenen Willen hat, sondern vollständig neutral ist. Auch wenn es uns manchmal anders vorkommt (die eine Gruppe, die Würfelergebnisstrichliste führt, hat da erstaunliche Erkenntnisse gehabt), im statistischen Durchschnitt würfle ich im Verhältnis zur Gesamtanzahl Würfelwürfe genau so viele zwanziger wie mein Nebensitzer.

 

Der (ideale) Würfel wird langfristig jede Figur mit der gleichen Anzahl jedes Würfelwurfs beglücken - gleich viele einser, gleich viele zwanziger, gleich viel von allem dazwischen. Auf dieser Grundlage baut das Spielgleichgewicht auf. Wenn Spielerkrieger im Schnitt nicht 10.5, sondern 15, würfeln, dann passen die Gradangaben der Abenteuer nicht mehr, dann passen sie im Verhältnis zu ihren Magierkollegen nicht mehr, etc etc.

  • Like 1
Geschrieben
Ich hatte es so verstanden, dass "Railroading" - wenn er sich auf die Beugung von Regeln bezieht - letztlich nur ein anderes Wort für Spielleiterwillkür ist. Spannend wäre es zu schauen, ob und in wie weit das auch für Argumentationen gilt, die das Wort "Erzählung" (SchErz) zum negativen Kampfbegriff machen.

 

Zumindest theoretisch (und wir sind ja im Theorieforum) ist Willkür denkbar, die nichts mit Railroading zu tun hat - zum Beispiel fühlten sich vor nicht zu langer Zeit die Spieler/innen von Magiern diskriminiert.

Geschrieben
Ich habe nur argumentiert, dass es für Freiheit und Gerechtigkeit im Rollenspiel zwingend nötig ist, zu wissen, dass man sich manchmal nicht an die Regeln halten muss. Alles andere führt zur technokratischen Diktatur der Regeln.

Letzters kann übrigens auch Spass machen, aber dann spiele ich ein - in meinem Fall - möglichst komplexes Brettspiel.

 

"Zwingend" ist mir hier ein bißchen zu stark.

Ein sehr großer Anteil von Midgard ist nicht durch Regeln reguliert. Es geschieht z.B. ständig, daß eine Spielerfigur eine Nichtspielerfigur anspricht. Der Spielleiter muß dann entscheiden, ob die Art und Formulierung dieser Ansprache dem Gemütszustand der Nichtspielerfigur entspricht, und wie diese reagiert. Da gibt's (vom Verhaltensindex mal abgesehen, und auch der funktioniert nur mit ganz breitem Interpretationsspielraum für den SL) keine Regeln für.

"Komplexes Brettspiel" paßt deswegen m.E. auch nicht. Das gibt es übrigens auch schon, von Lutz Stepponat. Es ist doch deutlich etwas anderes als Midgard, das Rollenspiel.

Geschrieben
Ich habe nur argumentiert, dass es für Freiheit und Gerechtigkeit im Rollenspiel zwingend nötig ist, zu wissen, dass man sich manchmal nicht an die Regeln halten muss. Alles andere führt zur technokratischen Diktatur der Regeln.

Letzters kann übrigens auch Spass machen, aber dann spiele ich ein - in meinem Fall - möglichst komplexes Brettspiel.

 

"Zwingend" ist mir hier ein bißchen zu stark.

Ein sehr großer Anteil von Midgard ist nicht durch Regeln reguliert. Es geschieht z.B. ständig, daß eine Spielerfigur eine Nichtspielerfigur anspricht. Der Spielleiter muß dann entscheiden, ob die Art und Formulierung dieser Ansprache dem Gemütszustand der Nichtspielerfigur entspricht, und wie diese reagiert. Da gibt's (vom Verhaltensindex mal abgesehen, und auch der funktioniert nur mit ganz breitem Interpretationsspielraum für den SL) keine Regeln für.

"Komplexes Brettspiel" paßt deswegen m.E. auch nicht. Das gibt es übrigens auch schon, von Lutz Stepponat. Es ist doch deutlich etwas anderes als Midgard, das Rollenspiel.

 

Lieber Ma Kai,

 

ich gebe zu, dass "zwingend" eine starke Konnotation hat. Sie ist an dieser Stelle aber von mir mit bedacht gewählt und nicht nur um ein bisschen zu provozieren (was ich durchaus manchmal mache).

 

Ich finde Du hast vollkommen Recht, ein großer Teil von Midgard ist real nicht durch Regeln kodifiziert (obwohl es verdammt viele Regeln gibt). Das ist wohl aus unserer beider Sicht der zentrale Unterschied zu einem Brettspiel, in dem möglichst alles kodifiziert ist. Im freien Rollenspiel ist aber die freie Interaktion zwischen Spielleiter und Spielern maßgeblich. Außerdem ist Rollenspiel (zumindest Midgard) im Vergleich zum Brettspiel nicht kompetitiv - es gibt keine Sieger unter den Spielern (oder dem Spielleiter).

 

Meiner Meinung nach geht es bei der ganzen Diskussion auch darum, den unkodifizierten Teil des Spiels möglichst klein zu machen und viele Regeln zwingend zu setzen. Außerdem habe ich manchmal den Verdacht, dass eine möglichst große kompetitive Komponente ins Rollenspiel eingeführt werden soll.

 

Beides heißt aus meiner Sicht, den Kern des Rollenspiels zu beschneiden. Insofern finde ich es durchaus legitim zu sagen, das für möglichst freies Spiel der "Bruch" oder sagen wir besser die "Nichtanwendung von Regeln" "zwingend" nötig ist.

 

Ich habe hier aber etwas noch anderes gemeint. Ich glaube, dass es auch in ganz streng geregelten Situation wie z.B. Kämpfe für "freies" und "gerechtes" Spiel wirklich "zwingend" notwendig ist, die Möglichkeit (!) zum "Regel vergessen" offen zu halten.

 

Das liegt an meiner Sichtweise auf die Funktion von Regeln und Würfelwürfen im Spiel. Regeln dienen dazu möglichst große formale Gleichheit herzustellen und Würfelwürfe wiederum haben den Sinn bei sonstiger Gleichheit, wieder Ungleichheit durch Einführung des Zufalls herzustellen. Beides sind aber technische Mechanismen, deren Sinn es ist möglichst die freie Entscheidung von Spielleiter und Spielern zu beschneiden. "Freiheit" im Spiel - ich habe es inzwischen öfter geschrieben - entsteht erst dann, wenn "die siebte Möglichkeit" gewählt (!) werden kann. Wer sich zwingend an die Regeln hält, wählt eben den Weg der Technokratie.

 

Diese technokratische Art des Umgangs mit Regeln und Würfeln findet man normalerweise in Brettspielen: Von "Mensch ärgere Dich nicht" bis zu "A world at war". Da gehört sie auch hin. Und ich betone sie machen Spass - jedenfalls mir.

 

Gruß

 

Jakob

 

PS.: Natürlich ist das Midgard Rollenspiel was anders als das Midgard Brettspiel: abstrakt ist das ein Kern meines Arguments (siehe oben).

 

PPS.: Das Midgard Brettspiel ist für meinen Brettspiel Geschmack übrigens etwas "unterkomplex". Ich stehe auf deutlich komplexere historische Simulationen, wie "Path of Glory" oder gar "Empires in arms" - und da liebe ich technokratisches, regelkonformes Spiel!

Geschrieben

Vor dem Würfel sind alle gleich. Das ist gerade das Gegenteil von Willkür. Der Würfel ist vollständig willkürlos, weil er keinerlei eigenen Willen hat, sondern vollständig neutral ist.

 

Diese Aussage halte ich für nicht durchgehend tragfähig. Schließlich werden die Würfelergebnisse in der Regel, nämlich auf die konkrete Situation bezogen, interpretiert und dadurch notwendigerweise auch oft in ihrem Ergebnis abgewandelt. Am meisten Interpretationspflicht obliegt der Spielleitung, denn die Regeln geben nur einen ungefähren Rahmen vor. Insofern heißt "6" nicht immer sechs, sondern dieses Ergebnis muss vor dem Hintergrund zahlreicher Faktoren gesehen werden. Oft genug wollen die Spieler auch ein bestimmtes Ziel erreichen, was nicht eindeutig von den Regeln abgedeckt wird. Auch hier ist in der Regel der Anspruch, nicht zu sagen, das geht nicht (weil es keinen Würfelmechanismus gibt, der ein eindeutiges Ergebnis anzeigt), sondern nach einer Lösung zu suchen, sprich eine geeignete Regelableitung zu finden. Also wieder Interpretation.

 

Oft wird diese Interpretationspflicht, aus Gründen des Spielflusses, überwiegend der SL übertragen. Das heißt, die Spieler vertrauen der SL, dass sie im Sinne der Regeln und des Gruppenvertrags geeignete Interpretationen vornimmt. Das hat nichts mit Willkür zu tun, sondern mit Entscheidungsgerechtigkeit gegenüber der spezifischen Situation in der sich die handelnden Figuren/Spieler befinden (siehe auch Jakobs Vergleich mit dem Gericht weiter oben).

 

Gruß

 

fabian

Geschrieben
Weil jemand es angesprochen hat:

Würfel sind an sich weder objektiv noch gerecht. Sie sind zufällig.

Blödsinn, natürlich sind Würfel objektiv. Wenn nicht, dann müssten sie ja subjektiv sein. Wie soll das gehen? Es sind schließlich Objekte und keine Subjekte!

Nur dass Objekte gar nicht objektiv sein können, da dies ein erkenntnistheoretischer Begriff ist. ;) Diese Begriffe haben recht wenig mit Subjekt (im Sinne von handelnd) und Objekt (im Sinne von erleidend) zu tun.

Ein Würfel kann nicht objektiv sein, weil er nicht handelnde Person ist, sondern nur Werkzeug. Objektivität setzt Entscheidungs- und Erkenntnisfähigkeitvoraus. Dem Würfel fehlt dies vollkommen.

 

Alles, was du sagst, ist richtig, und geht dennoch an meinem posting vorbei, was ich mir vermutlich selbst zuzuschreiben habe, da ich das Wortspiel mit der Doppelbedeutung von "Objekt" gemacht habe. Was aber klar sein dürfte, ist: Wenn der Spielleiter selbst entscheidet, kann das subjektiv sein; wenn er Würfel nach unabhängig von ihm festgelegten Regeln benutzt, ist es auf jeden Fall objektiv (=frei von persönlichen Wertungen).

 

Letzteres halte ich für ein Gerücht, da der Spielleiter/die Spielrunde die Würfelergebnisse immer im Rahmen einer konkreten Situation interpretieren muss. Da im Rollenspiel die Regeln zur Simulation von Handlungen genutzt werden, und nicht um des Spielmechanismusses selbst, müssen die Ergebnisse des Würfelwurfs immer übersetzt, also konkretisiert werden. In diesem Prozess wirken jede Menge subjektive wie situationsabhängige Faktoren mit, so dass von Objektivität nicht gesprochen werden kann.

Geschrieben

Es gibt in der Spielgruppen einen speziellen unausgesprochenen social contract, d.h. eine Übereinkunft hinsichtlich des Spielstils, des Leitungsstils, der Regelinterpretation usw.

 

Solange das Spiel den Vorgaben des social contracts erfüllt, fühlen sich die Spieler subjektiv gut und damit auch richtig behandelt. Man mag es auch "gerecht" nennen.

 

Wie regeltreu diese Spielweise sein muss, ist dahingestellt und kann variieren.

Geschrieben

Hallo,

 

ich möchte auf einzelne Beiträge hier im Forum nicht weiter eingehen, nur ein paar Fragen stellen:

 

Was ist an einem Würfelwurf zu interpretieren ?

 

1W20+Fähigkeit = 20 oder höher = geschafft

1W20+Fähigkeit <20 nicht geschafft

1W100> Attribut = Geschafft

1W100>Attribut nicht geschafft

Attacke+Waffenfertigkeit größer/gleich 20 getroffen

Parade+Fertigkeit größer/gleich 20 pariert

Schaden=1W6 + Waffenwert + Schadensbonus

 

Alles absolut eindeutig und nicht zu interpretieren.

Geschrieben
Hallo,

 

ich möchte auf einzelne Beiträge hier im Forum nicht weiter eingehen, nur ein paar Fragen stellen:

 

Was ist an einem Würfelwurf zu interpretieren ?

 

1W20+Fähigkeit = 20 oder höher = geschafft

1W20+Fähigkeit <20 nicht geschafft

1W100> Attribut = Geschafft

1W100>Attribut nicht geschafft

Attacke+Waffenfertigkeit größer/gleich 20 getroffen

Parade+Fertigkeit größer/gleich 20 pariert

Schaden=1W6 + Waffenwert + Schadensbonus

 

Alles absolut eindeutig und nicht zu interpretieren.

 

Könnte man so sehen, ist bei mir aber anders. Bei einem Wurf auf Spurensuche z.B. gibt es bei mir nicht nur geschafft/nicht geschafft, sondern von der Höhe des Wurfs mache ich die Menge der Informationen abhängig, die die Spielerin von mir erhält.

 

Ähnlich bei vielen anderen Fertigkeiten.

 

Tschuess,

Kurna

Geschrieben
Was aber klar sein dürfte, ist: Wenn der Spielleiter selbst entscheidet, kann das subjektiv sein; wenn er Würfel nach unabhängig von ihm festgelegten Regeln benutzt, ist es auf jeden Fall objektiv (=frei von persönlichen Wertungen).

 

Letzteres halte ich für ein Gerücht, da der Spielleiter/die Spielrunde die Würfelergebnisse immer im Rahmen einer konkreten Situation interpretieren muss. Da im Rollenspiel die Regeln zur Simulation von Handlungen genutzt werden, und nicht um des Spielmechanismusses selbst, müssen die Ergebnisse des Würfelwurfs immer übersetzt, also konkretisiert werden. In diesem Prozess wirken jede Menge subjektive wie situationsabhängige Faktoren mit, so dass von Objektivität nicht gesprochen werden kann.

 

Du vermengst unzulässigerweise Würfelergebnisse und deren Interpretation. Wenn ich Ergebnisse von 1 bis 20 haben will, dann liefert mir die der Würfel, und zwar völlig objektiv und ohne irgendwelche Vorlieben. Wenn das Regelwerk dann aus dem Würfelergebnis eindeutig Folgen ableitet, ist sogar die Umsetzung im Spiel objektiv. Dass das nicht immer der Fall ist und der Sl bei zu interpretierenden Ergebnisse immer noch Willkür einfließen lassen kann, ist klar. Nur kommt diese Willkür dann nicht vom Würfel, sondern vom Sl!

 

Mit freundlichen Grüßen vom Schnitter

Geschrieben

Ich verstehe gerade nicht, wo ihr dran hängt.

 

Ein Würfelwurf ist in meinen Augen weder objektiv noch subjektiv, sondern ein Mechanismus, der eine Zufallszahl liefert. Bei Midgard geht es praktisch aber nie um diese Zufallszahl selbst, sondern der Würfelwurf beschreibt die Qualität eines Ereignisses, dass der Spieler oder der SL eintreten lässt.

 

Und alle Ereignisse, die nicht von den Spielern ausgehen, hängen in Häufigkeit und Intensität von SL-Einschätzungen ab.

 

Lange Rede, kurzer Sinn: Der Räuber würfelt eine 7, aber dass er damit auf eine 20 kommt und er mit 8 Kollegen an dem Tag schon die 3. Zufallsbegegnung ist, hängt alles vom SL ab. Ich kann als SL mit den entsprechenden Listen und Wurffrequenzen alles Mögliche zusammenwürfeln.

 

Ist die gewürfelte 7 dann "objektiv" oder "gerecht"?

Geschrieben

 

Du vermengst unzulässigerweise Würfelergebnisse und deren Interpretation. Wenn ich Ergebnisse von 1 bis 20 haben will, dann liefert mir die der Würfel, und zwar völlig objektiv und ohne irgendwelche Vorlieben. Wenn das Regelwerk dann aus dem Würfelergebnis eindeutig Folgen ableitet, ist sogar die Umsetzung im Spiel objektiv. Dass das nicht immer der Fall ist und der Sl bei zu interpretierenden Ergebnisse immer noch Willkür einfließen lassen kann, ist klar. Nur kommt diese Willkür dann nicht vom Würfel, sondern vom Sl!

 

Mit freundlichen Grüßen vom Schnitter

 

@Storr

Genau da widerspricht Dir in dem parallel laufenden Strang Jakob Richter, bzw. stellt mit dem gleichen Ansatz die aus meiner Sicht völlig schlüssige Gegenthese auf:

 

Nimmt der SL jeden Würfelwurf genau so hin wie er kommt (z.B. weil er alle kampfrelevanten Würfe offen werfen lässt und dann keinen Spielraum zur Interpretation hat), unterwirft er sich immer der Willkür der starren Würfelergebnisse. Natürlich sind die Würfe selbst eine pure Technik, aber in diesem Fall kommt das Element der Willkür eben durch unterlassene Interpretation.

 

Das ist doch das alte Spiel: Nur weil jemand ein Gesetz/ eine Regel buchstabengetreu erfüllt lässt er nicht zwangsläufig größere Gerechtigkeit walten.

 

Ich persönlich kann bezogen auf das Rollenspiel mit beiden Spielarten leben, teile aber die Aussage, dass eine freiere Auslegung von Regeln durchaus auch mehr Freiheitsgrade im Spiel liefern kann.

 

Natürlich kann ich mir auch SL ausmalen die diese Freiheit übertrieben, oder nur zur Befriedigung eigener Interessen einsetzen aber geht man von einem durchschnittlichen SL aus wird er im Laufe der Zeit durch entsprechendes Feedback seiner Spieler und eigener Erfahrung das richtige Maß lernen.

 

Von vornherein aber den SL auf eine Stufe mit den Spielern zu stellen und praktisch einen Codex auszurufen, dass er in seiner Funktion als neutraler Schiedsrichter / Leiter der Gruppe sich genauso starr an die Regeln halten muss halte ich für falsch.

 

Gruß

 

Neq

 

PS: Es sei noch angemerkt, dass die Würfel in der Gerechtigkeitsdiskussion nur das plakativste Element sind, ähnlich verhält es sich ja auch mit anderen Dingen:

 

  • wie ist z.B. der Mix aus von den Werten der Spielfigur abhängigen Rätseln/Situationen und vom Spieler durch Überlegung/Rollenspiel lösbaren Rätseln,
  • wie verhält es sich mit Charakterbögen von neu beigetretenen Spielern die nicht am Tisch erwürfelt wurden,
  • wie werden passivere Spieler gegen sehr dominante Spieler geschützt ohne dass einer von beiden verprellt wird,

 

Alles Situationen die höchstens grob vom Regelwerk abgedeckt sind sondern eher eine eigenständige Entscheidung des SL erfordern um seinen Spielern ein möglichst hohes Maß an Gerechtigkeit und damit Spielspass zuteil werden zu lassen.

Geschrieben

Vielleicht ist es die Kunst, ein Spielleiter zu sein, der ein Abenteuer nur auf Durchschnittswürfe und Ergebnisse ausarbeitet. Der genug Anhaltspunkte liefert und Charaktere auch sterben lässt, wenn alles ignoriert wird, oder alles sich falsch entwickelt.

Geschrieben

Nun, wie in der Paralleldiskussion geantwortet, Würfel sind zufällig, nicht willkürlich. Sie geben weder ein besonders "nettes" noch ein besonders "fieses" Ergebnis - nur ein zufälliges.

Wenn nun der SL an den Würfeln dreht, kann das Ergebnis dadurch entweder besser, gleich gut, oder schlechter werden. Welches eintrifft, hängt wesentlich davon ab, wie gut er seine Spieler kennt. Kennt er sie gut, kann er (oder sie!) Ärger vermeiden - sowohl, indem er dreht, als auch, indem er aufs Drehen verzichtet. Kennt er sie nicht so gut, kann es schlechter werden...

Geschrieben
Nun, wie in der Paralleldiskussion geantwortet, Würfel sind zufällig, nicht willkürlich. Sie geben weder ein besonders "nettes" noch ein besonders "fieses" Ergebnis - nur ein zufälliges.

Wenn nun der SL an den Würfeln dreht, kann das Ergebnis dadurch entweder besser, gleich gut, oder schlechter werden. Welches eintrifft, hängt wesentlich davon ab, wie gut er seine Spieler kennt. Kennt er sie gut, kann er (oder sie!) Ärger vermeiden - sowohl, indem er dreht, als auch, indem er aufs Drehen verzichtet. Kennt er sie nicht so gut, kann es schlechter werden...

 

Ich wieß nicht wo Diskussionen enden- ich kenne nur ein Spiel. Ist so eine Sache die man in der Freizeit macht um angenehm mit netten Leuten seine Zeit zu vertreiben. Dieses angenehme Gefühl für alle zu erleben, ist meine Art zu spielen und zu leiten.

Geschrieben (bearbeitet)
Der Vergleich, der hier von Schnitter angestellt wird impliziert folgendes: erstens, die Spieler seien die Tibeter, zweitens der Spielleiter sei die Chinesen.

 

Falsch, ich habe hier gar keinen "Vergleich" angestellt, sondern deinen Gedanken einfach nur weiter gedacht, um dir zu zeigen, wohin er führt und wie unsinnig er ist (weshalb ich, nebenbei bemerkt, auch keine Beleidigung sehe). Dein Beispiel war doch, dass der Sl bei einem Wurf von 1-6 als Ergebnis 7 festlegt, damit die Regeln bricht und dadurch für die Spieler "Freiheit" entsteht, weil sie mit ihm darüber diskutieren können. Ich verstehe das allgemein so, dass du einen Regelbruch oder eine Willkürmaßnahme (oder wie immer du das Geschehene nennen willst) deshalb nicht als schlimm ansiehst, weil man sich ja dagegen auflehnen können. Dieser Gedanke ist so lächerlich, dass ich dir einmal gezeigt habe, wohin bei Anwendung auf andere Sachverhalte führt.

 

"Anwendung auf andere Sachverhalte" ist eine klassische Definition für "Vergleich".

 

Eine derartige "Anwendung auf andere Sachverhalte" ist beleidigend - und auch beleidigend gemeint, was die Wortwahl "lächerlich" deutlich zeigt. Da kann man noch so oft behaupten, dass sei "einfach nur einen Gedanken weitergeführt".

 

Wenn Dein Gedanke einfach so vom Rollenspiel Midgard zur chinesischen Diktatur "weiterführt", dann fällt dieser Gedankengang allerdings auf Dich zurück. Es ist ausschließlich Dein Gedankengang der Dich von meinem außerordentlich harmlosen Beitrag hier im Forum zur chinesischen Diktatur führt. Ich habe in meinem ersten Beitrag, der Dich zu dieser "Anwendung auf andere Sachverhalte" "weitergeführt" hat, nichts dazu geschrieben. Ich bin allerdings in der Lage zu begründen, warum die "Anwendung auf andere Sachverhalte" wie Du es (offensichtlich bewusst verschleiernd nennst) nicht statthaft ist. Dir ist das nicht ein Wort der Begründung wert.

 

Du behauptest nur einfach, Du hättest meine Gedankengang "weitergeführt" und "gezeigt", dass er "lächerlich" und "unsinnig" ist. Das ist ein Meta- und kein Sachargument (und eine lahme Erwiderung). Es ist außerdem moralisch unstatthaft, was ich (vollkommen in der Tradition von unstatthaften "Anwendungen" über Diktaturen) ausgeführt habe - worauf Du es aber auch nicht für nötig befindest, einzugehen.

 

Dann zeig doch Mal "en detail" wo der "Unsinn" liegt. Und dann zeig doch mal, was mein Beitrag im "Rollenspiel Forum zu Midgard" (!) Deiner Meinung nach konkret (!) mit der chinesischen Diktatur zu tun hat - und zwar ohne die Opfer derselben dabei implizit zu relativieren. Das absolute Minimum wäre, zunächst zu zeigen, warum ein Beitrag im Midgard-Forum überhaupt bedeutend genug sein sollte, um mit den realen Gegebenheiten der Unterdrückung in Tibet in irgendeiner Verbindung zu stehen.

 

Nun zu Deiner "nicht beleidigenden" Fortführung meiner "lächerlichen" Gedanken: Du zeigst nur, dass Du den Regelbruch genau deshalb verhindern willst, weil Dir die "Auflehnung" gegen die Regel von vorne herein nicht passt. Und ja Du hast Recht, ich finde die Möglichkeit sich gegen eine Regel "auflehnen" zu können, prinzipiell sehr begrüßenswert.

 

Ich sage aber: Im Gegenteil, erkennen wir an, dass Regelbruch sinnvoll sein kann, weil wir uns dann gar nicht erst dagegen "auflehnen" müssen, wenn uns die Regel den Spass verdirbt. Ich gehe sogar soweit, diese Möglichkeit dadurch zu "befördern", dass ich offensiv erkläre: "Es ist gut zu wissen, dass weder Spielleiter noch Spieler sich nicht zwanghaft an die Regeln halten". Und zwar genau deshalb, weil sich dann niemand "auflehnen" muss, sondern offen darüber reden kann, ob ihm diese spezielle Situation im Spiel gefallen hat oder nicht (ob regelgerecht oder nicht spielt dafür a priori überhaupt keine Rolle).

 

Dann und erst dann kann ich ohne "Auflehnung" sagen: "Ich hätte es aber lieber regelgerecht gehabt." oder "Du hättest die Regel nicht gnadenlos anwenden sollen." Beide Argumente sind nämlich vor dem Hintergrund des Spielspasses vollkommen gleichberechtigt. Es kann einem Spass machen sich in einer konkreten Situation an die Regel zu halten, es kann einem aber auch keinen Spass machen.

 

Das letztere möchtest Du aber mit dem Todschlag Argument "Die Regel hat immer Recht!" verbieten. Was nur heißt, "Egal ob es irgendeinem Mitspieler gerade so richtig den Spass verdirbt, die Regel gilt in jedem Fall!" "Die Regel hat immer Recht" ist aber eine im Kern ähnlich dogmatische Aussage, wie der "Der Spielleiter hat immer Recht!". Es besteht nur der feine Unterschied, dass man mit dem Spielleiter diskutieren kann - mit "Der Regel" niemals (und auch nicht mit "dem Würfel"). Und ja, ich bin vehement der Ansicht, dass es der Gleichberechtigung aller Beteiligter gut tut, wenn ab und an über den Spielspass diskutiert wird.

 

Weil man aber mit dem Spielleiter oder Spielern wenigsten diskutieren kann (oder um in Deiner Terminologie zu bleiben, sich gegen ihn "auflehnen" kann), ist es besser, wenn ab und an gegenüber der Regel willkürlich gehandelt wird, denn dann steht von vorne herein fest, dass "Die Regel" eben nicht "immer Recht" hat.

 

Deshalb ist es gut, wenn allen am Spieltisch klar ist, dass es "Willkür" im Bezug auf die Midgard-Regeln geben muss. Nur dann werden die Regeln relativiert, nur dann kann man sagen "diese Regel macht mir keinen Spass" und nur vor diesem Hintergrund kann man diskutieren, ohne sich "auflehnen" zu müssen.

 

Gruß

 

Jakob

Bearbeitet von Jakob Richter
  • Like 1
Geschrieben
Nun, wie in der Paralleldiskussion geantwortet, Würfel sind zufällig, nicht willkürlich. Sie geben weder ein besonders "nettes" noch ein besonders "fieses" Ergebnis - nur ein zufälliges.

Wenn nun der SL an den Würfeln dreht, kann das Ergebnis dadurch entweder besser, gleich gut, oder schlechter werden. Welches eintrifft, hängt wesentlich davon ab, wie gut er seine Spieler kennt. Kennt er sie gut, kann er (oder sie!) Ärger vermeiden - sowohl, indem er dreht, als auch, indem er aufs Drehen verzichtet. Kennt er sie nicht so gut, kann es schlechter werden...

 

Ich wieß nicht wo Diskussionen enden- ich kenne nur ein Spiel. Ist so eine Sache die man in der Freizeit macht um angenehm mit netten Leuten seine Zeit zu vertreiben. Dieses angenehme Gefühl für alle zu erleben, ist meine Art zu spielen und zu leiten.

Und genau da scheint es mehrere Wege zu geben. Denn nicht jeder "nette Mensch" versteht das gleiche unter angenehmen Zeitvertreib. ;)

Um nicht zu sagen, diese ganze Diskussionsgruppe "Rollenspieltheorie" gründete in deiner jetzt eingeworfenen Aussage und dem daraus entstandenen Frage: Was wird denn eigentlich als "angenehmer Spielabend" empfunden. Wie kann ich (als Spieler, Spielleiter) dazu beitragen, dass ich, aber auch alle anderen am Tisch diesen Abend als angenehm und gelungen betrachten. Dass jeder seine individuellen Spielziele erreichen konnte. (Diese individuellen Spielziele sind selbst bei Brettspielen nicht durch das objektive Spielziel definiert und können deutlich abweichen. Ich hab da in diversen Brettspielkreisen auch schon reichlich Diskussionen und Unverständnis angetroffen, da scheidet es sich eher in die "Leistungsspieler" und die "Funspieler". Erstere spielen hart und suchen zu optimieren, letztere neigen stärker zu Hausregeln, die das Spiel "sozialisieren", damit alle irgendwie ihr Erfolgserlebnis haben.)

Die Frage der Gerechtigkeit am Spieltisch ergibt sich eigentlich direkt aus dieser Grundfrage.

 

In seiner allgemeinsten Form mag man die These aufstellen:

 

Gerecht ist im Rollenspiel, was dafür sorgt, dass alle am Spieltisch ihre (formulierten oder impliziten) individuellen Spielziele möglichst gut umsetzen können.

 

100% ist fast nie erreichbar, da sich manche Spielziele widersprechen können, sogar in Bezug auf einen einzelnen Spieler.

Dazu ist es aber sinnvoll, sich darüber klar zu werden, was genau einem überhaupt am Rollenspiel wichtig ist. Erst wenn man in der Lage ist, seine Bedürfnisse zu formulieren, kann man sie auch erfolgreich "einfordern".

 

Deswegen halte ich aber auch die Frage nach der "Gerechtigkeit von Würfeln" für verfehlt. Klar, der Würfel ist (fast) unbestechlich. Aber relevant ist nicht das Wurfergebnis, sondern in welchem Kontext er gefordert wird und zu welchen Konsequenzen das dann führt. Die Fordergrenzen sind in den Regeln unterschiedlich stark angelegt. Eigenschaften sind fast völlig der Interpretation des SL unterworfen, Fertigkeiten zumeist auch, Kampffertigkeiten bieten einen eher geringen Spielraum zur Interpretation, bei Schadenswürfen, Ergebnistabellen und Zaubern ist deren Anwendung immer eindeutig geregelt.

Daher führt die Frage, der "Gerechtigkeit des Würfels" am Thema vorbei. Er ist immer in einen Kontext eingebunden. Die Frage der Gerechtigkeit entscheidet sich nicht am Würfelergebnis, sondern daran, wie die individuellen Spielziele aufgestellt sind. Das harte Anwenden von Würfelergebnissen kann gerecht sein, wenn dies dem Gruppenkonsens entspricht, kann aber eben auch zu Verwerfungen führen, wenn dies nicht der Fall ist. Gerechtigkeit erfordert die "gleiche, angemessene" Regelanwendung in allen Fällen, nicht eine möglichst harte Regelauslegung.

Geschrieben

@Jakob Richter: Du entfernst dich mit deinem letzten Beitrag weit von allem, was ich ansprechen wollte, wahrscheinlich sogar vom Thema. Mir geht es nicht um Tibet-China, egal wie sehr du mir das unterstellen willst. Da du mein Sachargument aber weder damit, noch mit dem einfacheren Auto-Hindernis-Beispiel zu verstehen scheinst und stattdessen einen Kreuzzug gegen die strenge Regeleinhaltung beginnst, setze ich noch einmal von vorne an bei deiner #66, die ich bisher ja nur verkürzt "gewürdigt" habe.

 

Es werden immer wieder zwei falsche Prämissen zu Grunde gelegt:

 

1. Die strikte Anwendung von Würfelergebnissen (und den dahinterliegenden Rollenspielregeln), erhöhe die "Wahlmöglichkeit / Selbstständigkeit / Freiheit / Einflussmöglichkeit" der Spieler.

 

2. Spielleiter-Willkür gehört ausgeschaltet, weil sie die Freiheit der Spieler einschränke.

 

Das Problem liegt bereits darin, dass du die Gegenauffassung nicht wirklich verstanden hast und daher falsch wiedergibst. Die richtige Auffassung kann man am Beispiel der "trigger events" verdeutlichen: Rosendorn hatte in dem thread dazu den Ausgangsfall gebildet, dass wenn die Spielergruppe in einem Dorf ankommt, dieses gerade von Waelingern zerstört wurde, so dass die Gruppe immer zu spät kam, auch wenn sie sich beeilte. Das kann man so spielen, nur sollte man sich dann darüber klar sein, dass die Handlungen der Spieler insoweit (bzgl. der rechtzeitigen Ankunft) keine Relevanz hatten. Das wiederum bedeutet, dass die Spieler nicht die Haupt-, sondern nur (zumindest in diesem Punkt) bedeutungslose Nebenpersonen sind, da sie ja keinerlei Einfluss auf das Geschehen haben. Es geht also weniger um "Freiheit" oder "Wahlmöglichkeiten", sondern darum, dass die Spieler wichtig sind, dass sie den Fortlauf der Ereignisse entscheidend beeinflussen können und ihn nicht nur hilflos mitverfolgen (womit wir endlich wieder beim Thema dieser ganzen Diskussion wären).

 

Nun stellst du in #66 zwei "Antworten" auf, die auf deinem falschen Verständnis fußen und daher nicht auf den obigen Fall, eigentlich gar nicht auf das Thema "Fortlauf der Ereignisse" eingehen, sondern sich im wesentlichen mit Wahlmöglichkeiten beschäftigen, nämlich den Beispielswürfelergebnissen 1-6 und der 7. Möglichkeit, diese regelgerechtigen Ergebnisse zu ignorieren. Abgesehen davon, dass das m. E. am Thema oder zumindest am Kern der Gegenauffassung vorbei ist, kranken beide Antworten an schweren Denkfehlern:

 

zu Antwort 1: Es gibt gar keine 7. Möglichkeit! Das Ignorieren des Ergebnisses, das du anführst, und nur das Ändern in ein anderes der ersten 6. Wenn z. B. beim Angriffswurf des Monsters eine 20 fällt und der Sl das ignoriert, dann legt er statt der 20 nicht die 21, sondern ein Ergebnis vermutlich von 2-19 fest (eigenständig oder durch erneutes Würfeln). M.a.W. abgesehen davon, dass es nicht um die bloße Zahl der Wahlmöglichkeiten geht, entsteht diese "7.", die du gefunden haben willst, gar nicht. Es gibt nur eine bestimmte Zahl möglicher Ergebnisse, die Frage ist nur, ob die rein zufällig vom Würfel oder teilweise willkürlich vom Sl festgelegt werden. Da das Ändern des Sl nachträglich erfolgt, kann hier übrigens durch eine dem Spieler nicht genehme Veränderung (sei es zu seinem Nachteil oder sogar zu seinem Vorteil) in der Tat seine "Freiheit" (so es denn darum gehen soll) eingeschränkt werden, z. B. seine Freiheit, mit dem Risiko eines kritischen Treffers um der Spannung willen zu leben und diesen dann bei Auftreten auch voll abzubekommen. Klar gibt es Spielstile, nach denen die Änderung durch den Sl statthaft ist, aber die sollen nicht so tun, als wären die Spieler dort freier.

 

zu Antwort 2: Du behauptest, dass ausschließlich durch die Möglichkeit zur Spielleiter-Willkür die Freiheit der Spieler zur Diskussion entsteht. Daran sind gleich mehrere Sachen falsch: Erstens ist die Freiheit zur Diskussion eine völlig andere als die Freiheit zur Handlung (ich will den fliehenden Bösewicht wegblitzen, nicht mit dem Sl eine Diskussion über Blitze schleudern führen!). Zweitens besteht die Möglichkeit zur Diskussion auch ohne Willkür (es gibt genug Regelunklarheiten und Auslegungsprobleme, die Diskussionsbedarf verursachen, auch ohne dass klare Sachverhalte abweichend vom Regelergebnis geregelt werden). Drittens werden Diskussionen am Spieltisch von einer großen Mehrzahl der Rollenspieler als störend empfunden und daher verboten, was als "Goldene Regel" bezeichnet wird und auch im Midgardregelwerk so ausdrücklich steht.

 

Insgesamt scheinst du ein Problem damit zu haben, dich Würfelergebnissen (dem Zufall) zu unterwerfen. Du siehst wohl darin eine Einschränkung der Freiheit, wenn dir der Würfel (ggf. völlig "unpassenderweise") sagt, dass der EW jetzt fehlgegangen ist und nicht das geschieht, was der Spieler "wollte". Aber die Sache ist doch die: Der Spieler "will" gar nicht unbedingt, dass immer alles gelingt! Vielleicht will er den Zufall, die Spannung des Würfelwurfs! Hinsichtlich des Ausgangs will er nur die Möglichkeit, dass seine Handlung Erfolg haben kann. Er muss gar nicht rechtzeitig vor den Waelingern im Dorf sein, wenn er sieht, dass seine Figur es hätte schaffen können, aber leider bei den Segelnwürfen versagt hat. Er hatte ein faire Chance, und er hatte Spannung beim Auswürfeln derselben. Wenn der Sl aber das Ergebnis willkürlich festlegt, dann hatte er nie eine Chance und all seine Bestrebungen hätte er nie machen müssen; sie wurden damit entwertet.

 

Ich kenne deinen Spielstil, bei dem es klar und ausdrücklich erlaubt ist, dass der Sl die Ergebnisse im Sinne von Story und Spielspaß zurechtrücken darf. Es ist auch völlig in Ordnung, so zu spielen. Aber behaupte nicht, dass dadurch mehr "Freiheit" für die Spieler entsteht bzw. diese (darum geht es eigentlich) noch die Hauptpersonen der Geschichte sind. Das ist - relativ betrachtet! - weniger der Fall, wenn sie sich einem übermächtigen Sl beugen müssen. Durch strenge Regelbefolgung wird dem gegenüber die Freiheit in keinster Weise eingeschränkt, wenn die Spieler sich gerade diesen Regeln (z. B. den zufälligen Würfelergebnissen) bewusst und freiwillig unterworfen haben.

 

Mit freundlichen Grüßen vom Schnitter

Geschrieben
Nimmt der SL jeden Würfelwurf genau so hin wie er kommt (z.B. weil er alle kampfrelevanten Würfe offen werfen lässt und dann keinen Spielraum zur Interpretation hat), unterwirft er sich immer der Willkür der starren Würfelergebnisse. Natürlich sind die Würfe selbst eine pure Technik, aber in diesem Fall kommt das Element der Willkür eben durch unterlassene Interpretation.

 

Du lässt außer Acht, dass die Spielrunde sich vorher die Regeln (einschließlich der Situationen, in den zu würfeln, d. h. ein Zufallsergebnis zu ermitteln ist) freiwillig ausgesucht hat. Zufallsergebnis und "unterlassene Interpretation" (ich gehe mal davon aus, dass das dann das ist, was für den Fall in den Regeln vorgesehen ist, z. B. Erfolg ab 20) sind also gewollt. Ich halte es für reichlich sinnlos, sich bei einem Glücksspiel darüber zu beklagen, dass Glück im Spiel ist; genau darum wird es ja gespielt! Das Gegenteil ist das Problem: Wenn ich vom Regelwerk her Glücksfaktor und damit Spannungselement und Ergebnisoffenheit festgelegt habe, dann kann man sich darüber beklagen, wenn dieses einseitig weggenommen wird. Das ist bei diktatorischen Sls auch regelmäßig der Fall und nur da anders, wo durch Vereinbarung (also quasi eine Änderung des Regelwerks) dieses ausdrücklich für statthaft erklärt wurde. Da hat man das Problem dann nicht mehr zwangs-, aber immerhin noch möglicherweise, wenn der Sl schlecht ist und unangemessen entscheidet.

 

Das ist doch das alte Spiel: Nur weil jemand ein Gesetz/ eine Regel buchstabengetreu erfüllt lässt er nicht zwangsläufig größere Gerechtigkeit walten.

 

Richtig. Die Gegenauffassung (z. B. "Würfel sind gerechter/objektiver") sollte auch nicht so vertreten werden, dass sie das Allheilmittel und in allen Situationen richtig oder gar der einzig wahre Spielstil ist. Ich habe auch schon mehrfach betont, dass "gerecht" hier einfach das falsche Wort ist. Mir persönlich geht es beim Vergleich der Spielstile (regeltreu <=> regelscheu) nur darum, wenn ich die Vorteile von strenger Regelauslegung betrachte, herauszustellen, dass z. B. beim Würfeln weniger der Verdacht aufkommen kann, dass der Sl subjektive Wertungen einfließen lässt, da er sich ja erkennbar eines Mechanismus bedient, den er nicht beeinflussen kann und insofern "objektiv" ist. So ungefähr wie der neutrale Fußballschiri die Seitenwahl nicht selbst festlegt, sondern eine Münze wirft.

 

Mit freundlichen Grüßen vom Schnitter

Geschrieben (bearbeitet)
PS.: Ich bleibe übrigens dabei, dass Würfel diktatorische Willkürmaschinen sind. Was an Würfeln "frei" oder "gerecht" ist und was die zwingende Benutzung dieser Objekte mit dem Spielgleichgewicht zu tun hat, müsste man mir schon - und zwar einigermaßen argumentationsstark - erklären.

 

Ist das wirklich so schwer zu verstehen?

 

Vor dem Würfel sind alle gleich. Das ist gerade das Gegenteil von Willkür. Der Würfel ist vollständig willkürlos, weil er keinerlei eigenen Willen hat, sondern vollständig neutral ist. Auch wenn es uns manchmal anders vorkommt (die eine Gruppe, die Würfelergebnisstrichliste führt, hat da erstaunliche Erkenntnisse gehabt), im statistischen Durchschnitt würfle ich im Verhältnis zur Gesamtanzahl Würfelwürfe genau so viele zwanziger wie mein Nebensitzer.

 

Der (ideale) Würfel wird langfristig jede Figur mit der gleichen Anzahl jedes Würfelwurfs beglücken - gleich viele einser, gleich viele zwanziger, gleich viel von allem dazwischen. Auf dieser Grundlage baut das Spielgleichgewicht auf. Wenn Spielerkrieger im Schnitt nicht 10.5, sondern 15, würfeln, dann passen die Gradangaben der Abenteuer nicht mehr, dann passen sie im Verhältnis zu ihren Magierkollegen nicht mehr, etc etc.

 

Lieber MaiLai (liebe?) Mai Lai,

 

meinerseits steht noch eine Antwort auf Deinen Beitrag aus – schließlich habe ich ihn herausgefordert. Ich bedauere, dass die Antwort erst heute kommt. Ich habe einfach nicht genug Zeit, immer schnell zu antworte.

 

Zunächst eine Bitte um Entschuldigung dafür, dass ich mich verschrieben habe. „Der Würfel“ ist selbstverständlich keine „Willkür-“ sondern eine „Zufallsmaschine“. Du hast Recht der Würfel ist „vollständig willkürlos“.

 

Aus meiner Sicht nicht Recht hast Du mit der Behauptung, dass „vor dem Würfel alle gleich“ seien. Dazu ein einfaches Beispiel:

 

„Es wird mit einem W6 ein Schaden gewürfelt – Ergebnis 3. Bei meiner Figur sagt die Regel: Die Figur nimmt drei Punkte Schaden und lebt. Bei Deiner Figur sagt die Regel: Die Figur ist bei einem Ergebnis von 3 gestorben.“

 

Du bist implizit davon ausgegangen, dass die Regel für alle gleich ist. Das muss mitnichten der Fall sein. Es gibt genügend Spiele – etwa historische „KoSims“ (die Du ja auch schätzt), bei denen gleiche Würfelergebnisse für die unterschiedlichen Spielparteien unterschiedliches bedeuten. Woran man sieht, nicht der Würfel macht alle gleich, sondern die dem Würfelwurf vorangehende Regel. Der Würfel ist an sich – ich schrieb es schon öfter - nur eine Maschine, die Zufallsergebnisse produziert.

 

Wenn es „die Regel“ ist, die bei Midgard „Gleichheit“ herstellt, dann haben Würfelwürfe wohl eine andere Funktion. Ich glaube, dass Würfelwürfe „Ungleichheit“ herstellen sollen. Auch dazu ein einfaches Beispiel:

„Wir beide haben jeder eine Spielfigur. Die beiden Spielfiguren sind in ihren Daten in jeder Beziehung genau gleich. Es kommt zu einem Kampf gegeneinander. Die Frage ist, wer gewinnt?“

Die Regel alleine, die ja bei Midgard den Zweck hat, möglichst genau gleiche Bedingungen herzustellen, kann hier keine Lösung bringen, da beide Figuren ja gleich sind. Es wäre also höchst „ungerecht“, wenn per Regel eine zum Sieger bestimmt wird.

 

Genau an dieser Stelle kommt die Zufallsmaschine Würfel ins Spiel. Die Würfel stellen nämlich per Zufall zwischen den ansonsten gleichen Figuren „Ungleichheit“ her. D.h. aus meiner Sicht, Würfel sind mitnichten dafür da „Gleichheit“ herzustellen, sondern entschieden dafür gedacht „Ungleichheit“ herzustellen, eben weil die Regel Gleichheit herstellt.

 

Würfel stellen diese Ungleichheit allerdings auf eine Weise her, die man sich – wie ich meine – im Kontext der sozialen Situation am Spieltisch ziemlich genau betrachten sollte – nämlich „zufällig“. Was zunächst wie ein banaler Allgemeinplatz klingt, ist für den Spielspaß aller Mitspieler manchmal ziemlich entscheidend. Der Zufallsmechanismus macht die Ungleichheit, die zu Entscheidung entstehen muss, nämlich für manche Mitspieler erträglicher. Gerade, weil die Regel ansonsten nichts hergeben kann, was es rechtfertigen würde, dass eine Figur verliert, muss eine Maschine her, um die Sache zu entscheiden, d.h. um Ungleichheit herzustellen.

 

Dieses Herstellen von Ungleichheit durch Würfel hat aber nichts mit „Gerechtigkeit“ im Rollenspiel zu tun. Die Herstellung von Gerechtigkeit ist „per se“ immer ein sozialer Akt. Gerechtigkeit kann man mit einer Würfelmaschine nicht herstellen, dazu bedarf es immer einer sozialen Einbettung (im Rollenspiel sind da verdammt viele Faktoren zu nennen).

 

„Gerechtigkeit“ beruht (nach langläufiger Meinung) auf der prinzipiellen Gleichheit aller beteiligten Menschen. Der Sinn des Würfels aber ist es, „Ungleichheit“ zu erzeugen. Dem Würfelwurf selbst, ich schrieb es oft, wohnt „Gerechtigkeit“ deshalb eben nicht inne. Im Gegenteil er soll „Ungleichheit“ und daraus folgend „Ungerechtigkeit“ auf maschinellem Wege akzeptabler machen. Und genau deshalb sind Zufallsereignisse, die auf Würfelwürfen beruhen - um dem Strangtitel wieder etwas näher zu kommen - keinesfalls "gerecht" für die Spieler.

 

 

Nun noch etwas zu Deinen statistischen Bemerkungen: Dein Beispiel gibt es im Rollenspiel so nie. Es spielt in der Praxis überhaupt keine Rolle, ob es theoretisch bei unendlich vielen Würfeln zu einer statistischen Angleichung kommt. Bei Rollenspielsituationen handelt es statistisch gesehen immer um abgeschlossene Ereignisse. Ob ein Spieler im letzten Abenteuer dauernd super gewürfelt hat, spielt für einen Spielabend drei Monate später überhaupt keine Rolle mehr. Es kann trotzdem sein, dass der Spieler vollkommen zu Recht sein Würfelpech an dem entsprechenden Abend beklagt und erklärt, dieses aktuelle Würfelpech verderbe ihm den Spaß.

 

Wenn es in so einer Situation die Aufgabe des Spielleiters ist, sich in herausgehobenem Maße für den Spielspass aller einzusetzen – wovon ich ausgehe, dann sollte er zugunsten des Pechvogels Würfelwürfe relativieren.

 

Herzlicher Gruß

 

Jakob

 

PS.: Wo wohnst Du? Bin bereit „A World at War“ zu lernen…

Bearbeitet von Jakob Richter
Geschrieben (bearbeitet)

@Jakob Richter: Bevor ich deinen Beitrag ausführlicher würdige (im Moment tut mir noch der Kopf vom Lesen weh), möchte ich mal nur zu einer vielversprechenden Formulierung etwas nachfragen:

 

Dem Würfelwurf selbst, ich schrieb es oft, wohnt „Gerechtigkeit“ deshalb eben nicht inne. Im Gegenteil er soll „Ungleichheit“ und daraus folgend „Ungerechtigkeit“ auf maschinellem Wege akzeptabler machen. Und genau deshalb sind Zufallsereignisse, die auf Würfelwürfen beruhen - um dem Strangtitel wieder etwas näher zu kommen - keinesfalls "gerecht" für die Spieler.

 

Okay, im Strangtitel hier ist zwar kein "gerecht" *, und deine hier deplatzierten* Ausführungen sind auch keineswegs richtig, aber dieses "akzeptabler" weist vielleicht endlich mal den Weg zu einer vergleichenden Betrachtung. Schau dir doch mal die Alternative zum Würfeln an, das ist dann doch nur die Festlegung durch den Sl. Erfolgt diese willkürlich, ist sie nach deiner Argumentation genau wie der Würfelwurf "ungleich" und damit "ungerecht" - nur halt noch weniger akzeptabel, da man den Sl persönlich angreifen kann. Der Würfel nimmt also den Sl aus der Verantwortung und damit aus der Schusslinie. Ist das für dich ein "akzeptabler" Vorteil des Würfelns?

 

Mit freundlichen Grüßen vom Schnitter

 

*PS: Nach Verschiebung durch Moderation sind wir jetzt im richtigen Strang, also vergesst das mit dem "deplatziert".

Bearbeitet von Storr der Schnitter
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