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Mein erster Tag auf Ynis Maen


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Mein erster Tag auf Ynis Maen  oder die Druidenschule Teil 1

(niedergeschrieben von Myrddin, Sohn eines Edlen aus Darncaer)

 

An einem verregneten Frühlingsmorgen, gleich meiner Stimmung, verabschiedete ich mich von meiner Familie. Knapp eine Tagesreise von meiner Heimatstadt Darncaer entfernt werde ich die Druidenschulde auf Ynis Maen besuchen; mehr nach dem Willen meiner Mutter und meines Vaters, weniger nach meinem eigenen Dafürhalten – und der Zuspruch von Rhys ap Trimble, dem tiefsinnigen Druiden und Berater des Pennadd unserer Tolwydd, der die in mir schlummernden Fähigkeiten bereits in meiner frühen Jugend erkannte. Nach seinen Worten muss meine Gabe, den Weltengeist und den Fluss der Lebensenergie zu schauen, unbedingt durch eine Ausbildung zum Gwysgwerin gefördert werden. So schnüre ich mein Bündel mit dem Notwendigsten und lege Reisekleidung und einen dicken Umhang an, der mich vor den dicken Tropfen des morgendlichen Regens schützen wird. Mein kurzer Marsch durch die bereits erwachte und betriebssame Stadt führt mich zum Hafen, was man am zunehmenden Geruch nach Fisch unschwer ausmachen kann, dort wartet bereits ein kleiner Segler auf mich.

Wir folgen der Küstenlinie nach Westen und mit jedem Augenblick werden die Fischer und Arbeiter am Hafen kleiner, bis sie nur noch kleine, sich bewegende, Punkte sind, dann ist auch bald von Darncaer nichts mehr zu sehen. Die Wolken hängen tief und bedrohlich über der Bucht, kleine Pfützen bilden sich im Boot. Etwa gegen Mittag, genau lässt es sich wegen dem fehlenden Blick auf die Sonne nicht bestimmen, entfernen wir uns von der Küste und nehmen Kurs in südwestliche Richtung. Der Regen hat aufgehört und vom Meer her frischt der Wind zunehmend auf und treibt die Wolken weiter auf das Land zu. Ich streiche die Kapuze meines Umhangs zurück, als die ersten Sonnenstrahlen auf uns herabfallen, jedoch wegen des Windes keine wirkliche Wärme bringen. Vor uns zeichnet sich bereits Ynis Maen ab, die Wellen brechen sich an einigen Felsnasen, die sich vor dem Strand aus der Brandung erheben, wie Wächter. Die Insel scheint viel größer als ich sie mir aus Erzählungen vorgestellt hatte.

An einer kleineren Hafenanlage als in Darncaer legt der Segler an, außer einem Jüngling, der nicht mehr Winter erlebt hat als ich selbst, ist niemand zu sehen. Mit einer kurzen Begrüßungsfloskel und gezwungenem Lächeln stellt er sich als Finn ap Anwen vor, ein Eleve an der Druidenschule. Ich packe mein Bündel und folge ihm den ansteigenden Pfad, zwischen einigen Lagerhäusern hindurch, von der Hafenanlage weg. Nach kurzer Dauer durchschreiten wir ein massives Eichentor, welches einen Erdwall trennt, der sich zu beiden Seiten soweit erstreckt, dass sich sein Ausmaß nicht abschätzen lässt. Der Pfad führt noch ein Stück weiter aufwärts, auf einige Gebäude zu, die dem Anschein nach bereits vor sehr langer Zeit errichtet wurden. Ausgewachsene Bäume, Eichen, Buchen und Ulmen stehen zwischen den freien Flächen der Gebäude, sie spenden sicher im Sommer, sobald sich ihre Blätter im satten Grün voll zeigen, ausreichend Schatten.

Im Hauptgebäude befindet sich ein großer Versammlungssaal, der auch als Speisesaal genutzt wird, in welchem alle Schüler und Lehrer ihre Mahlzeiten gemeinsam einnehmen. In der angrenzenden Küche werden Gerichte vorbereitet, mehrere Türen führen in Vorratskammern. Die hochverehrten Leiter der verschiedenen Disziplinen haben ihre Unterkünfte in diesem Gebäude, ebenso ein kleinerer Empfangsraum für besondere Gäste.

Die weiteren Gebäude, die unregelmäßig oder doch einem Muster folgend, auf der flachen Ebene des kleinen Hügels verteilt stehen, beherbergen jeweils Unterrichtsräume und Unterkünfte der Meister und Schüler der unterschiedlichen Fachrichtungen. Aufzuzählen wären da Geschichte unseres Landes und Ahnenkunde, die Pflanzen und Kräuter, die Tiere und Fabelwesen, Gesetze und Verbote sowie Pflichten, Gesang und Dichtkunst sowie musizieren, Heilkunde und Anwendung der Kräuter, Dweomer und Zauberkunst, um die wichtigsten zu nennen. Auffallend ist das Fehlen jeglicher schriftlicher Aufzeichnungen, wird das Wissen doch nur mündlich vermittelt. Eine Ausnahme gibt es, die Lehre der Ogam-Zeichen, eine Schrift aus alter Zeit, einstweilen findet man auf den Wegen durch unser Land Menhire, auf denen sich Texte in Ogam-Zeichen befinden.

Abseits der Gebäude sind noch zwei ungewöhnliche Orte zu erwähnen, Labyrinthe. Eines mit Abgrenzungen aus Dornensträuchern, das Andere aus aufeinandergeschichteten Steinen, beides mindestens mannshoch. Mein junger Führer meinte dazu nur, dass sie zum Zwecke von Prüfungen angelegt wurden.

Vom Rand der abgeflachten Kuppe sieht man weit ins Inselinnere und kann einige Gehöfte, bestellte Felder und umzäunte Weideflächen erkennen. Alles eingefasst von einem Wald, der sich rechts und links an den Fuß des Hügels anschmiegt. Der Gesang der munter pfeifenden und zirpenden Vögel wird von der kraftvollen Würze sprießender Blätter abgerundet. Langsam stellt sich bei mir auch ein wohliges Gefühl ein, am richtigen Ort zu sein.

Stimmen werden immer lauter, aus den Unterrichtsgebäuden treten Schüler und Lehrer ins Freie und eilen auf das Hauptgebäude zu. Es muss Zeit für das Abendessen sein, die Sonne ist bereits zur Hälfte im Meer im Westen versunken. Der große Saal ist gut gefüllt, nur vereinzelt sind noch leere Plätze auszumachen. Ich setze mich mit Finn an einen Tisch, er stellt mich den bereits Sitzenden vor. Als ich mich umschaue, Mädchen und Knaben, Frauen und Männer, alle unterschiedlichen Alters. Auf einem erhöhten Podest ist ein langer Tisch, die Meisterinnen und Meister sowie die Leiter der Druidenschule, wie man anhand ihres Alters und ihrer Kleidung ablesen kann.

Die Müdigkeit scheint sich in meinem Gesicht abzuzeichnen, denn Finn führt mich nach dem Essen und einer kurzen Unterhaltung mit unseren Tischnachbarn in eines der Unterrichtsgebäude. Eine Kammer, die ich mir mit ihm Teile, wird für die nächste Zeit meine Schlafstätte sein. Ich bedanke mich bei ihm für die Führung und er geht zurück in den großen Saal. Ich räume meine Sachen in die für mich vorgesehene Truhe und lege mich auf das Bett. Einige Gedanken gehen mir durch den Kopf, an die ich mich anderntags nicht mehr erinnern werde können, mit der Geschichte unseres Landes wird mein morgiger Tag beginnen…

Bearbeitet von Torfinn
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Ein weiterer Tag auf Ynis Maen  oder die Druidenschule Teil 2

(niedergeschrieben von Myrddin, Sohn eines Edlen aus Darncaer)

 

Die Geschichte und unzählige Legenden unseres Landes reichen weit zurück, noch vor der Zeit als das EIS nach Süden vorstieß, und sich die Kälte auf unserem Kontinent bemerkbar machte. Der Prydydd Talhearn ap Awen, ein Legendenbewahrer dessen Ruf weithin reicht, hat es sich zur Aufgabe gemacht, uns die Geschichte unseres Landes nahezubringen. Untermahlt mit bildhaften Reimen erweckt er Legenden zum Leben, die sich wahrlich vor unseren Augen abspielen. In wieweit dabei Zauberei im Spiel ist, vermag ich nicht zu sagen, hänge ich doch zu sehr gefesselt an seinen Worten. Gebannt lauschen wir der Erzählung von Drachen, Riesen, mutigen Frauen und Männern, siegreichen Helden und vieles mehr. So vergeht Stunde um Stunde und eher wir uns versahen, stand die Sonne im Zenit.

 

Das Tischgespräch während der Mittagsmahlzeit drehte sich natürlich um den morgendlichen Unterricht. Finn, mein Zimmerkamerad, wiederholte eine der Geschichten fast so gut, wie der Meister der Legendenerzähler. Gebratenes Fleisch mit einem Brei aus Linsen und Bohnen, duftendes Brot und Käse, dazu frisches Quellwasser war unsere Speise. Abwechselnd war an jedem Tag eine andere Klasse eines Unterrichtsgebäudes für das Austeilen des Essens und das anschließende Abräumen sowie den Abwasch des Geschirrs zuständig, egal welchen Alters. Das Hauptgebäude besteht vollständig aus Stein, selbst das Dach ist mit Schiefertafeln gedeckt. Die einzelnen, unregelmäßigen Steinplatten des Bodens sind durch die über Jahrhunderte darüber gewanderten Sohlen vieler Schüler völlig glatt geschliffen. Der Dachstuhl, die Türen und das Mobiliar besteht aus massivem Eichenholz mit reichlichen Verzierungen von geschnitzten Efeuranken und großen Blättern und Abbilder von Bäumen.

 

Den verschiedenen Regionen und Kleinreiche gehörte am Nachmittag unsere Aufmerksamkeit, von vielem hatten wir noch nie gehört. Damit wir alles Besser in unseren Köpfen behalten werden, verknüpfte der Meister Dafydd ap Gwilym die zahlreichen Gebiete mit den Geschichten und Legenden des Vormittags. Dadurch wurden die Bilder in unseren Köpfen noch lebendiger, jetzt konnten wir den Geschichten noch Orte, tiefe Wälder und hohe Gebirge hinzufügen. Wir sitzen auf warmen Tierfellen, direkt auf dem gestampften Lehmboden, im Halbkreis um den Meister und folgen seinem Unterricht. Auch seine Aufzählung von schneebedeckten Kipfeln, saphirblauen Seen, tausendjährigen Eichen und tosenden Wasserfällen lässt durch seine bildhaften Umschreibungen Bilder vor unserem geistigen Auge entstehen. Wohnen wir doch in einem herrlich schönen Land mit einer reichen und weit zurück reichenden Geschichte, wieder stellt sich ein wohliges Gefühl bei mir ein.

 

Wir verlassen bei tiefem Sonnenstand das niedrige, völlig aus Holz errichtete Unterrichtsgebäude mit seinem aus Grassoden bedecktem Dach und gehen ins Hauptgebäude. Unser Abendmahl aus getrockneten Früchten, Nüssen, Brot und Käse rundet ein Krug Met oder dunkles Bier ab. Fackeln an den Wänden und Kerzen auf den Tischen sorgen für ausreichend Erhellung und Kohlebecken für angenehme Wärme. Die schmalen Fenster wurden mit schweren Stoffen abgehängt, damit die heraufziehende Kühle der Nacht nicht in den Versammlungsraum dringen kann. Als Finn sich erneut an die Wiederholung einer Geschichte des Vormittags mit der dazugehörigen Beschreibung des Gebietes vom Nachmittag versucht, fällt mir die hübsche junge Frau auf, die auch an unserem Tisch sitzt. War sie auch gestern Abend und heute Mittag schon bei uns?

 

Das Geschirr war abgeräumt und jetzt wurden die Tische an die Seite geschoben und die Bänke zu zwei Kreisen aufgestellt, in deren Mitte ein größerer Platz freiblieb. Einige Bardenschüler nahmen auf der freien Fläche Aufstellung und es wurden noch Krüge mit frischem Quellwasser, Met und Dunkelbier verteilt. Nachdem die Kerzen von den Tischen im Kreis vor den Sitzenden der ersten Reihe am Boden im Rund angeordnet waren, wurde es langsam still. Abwechselnd boten die Bardenschüler den gespannt Lauschenden in Erzählungen, Reimform und Gesang die Geschichte von Maolyn Mor ap Don, unseren ersten Hochkönig, dar. Unser geeintes Volk unter einem starken Anführer hielt nicht nur gegen das Seemeisterimperium stand, sondern hat sie in mehreren verheerenden Schlachten soweit geschwächt, dass sie sich aus Vesternesse wieder zurückziehen mussten. Immer wieder schweift mein Blick suchend durch die Reihen der Sitzenden, da, die junge hübsche Frau, auf der anderen Seite. Sie fängt meinen Blick ein und schenkt mir ein Lächeln…

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Ein neuer Tag auf Ynis Maen  oder die Druidenschule Teil 3

(niedergeschrieben von Myrddin, Sohn eines Edlen aus Darncaer)

 

 

Trotz der kurzen Nacht wurden wir am Morgen bei Sonnenaufgang geweckt, erledigten unsere morgendliche Waschung und traten aus dem Unterrichtsgebäude ins Freie. Als ich zur aufgehenden Sonne schaue und mich am Morgenrot erfreue, welches einen schönen Tag ankündigt, erspähe ich einen Fischadler über uns. Er lässt sich in großen Kreisen immer weiter absinken – wie er wohl die Druidenschule mit ihren runden Gebäuden zwischen den vielen ausgewachsenen Bäumen wahrnimmt und offenbaren sich die kreisförmig gehaltenen Labyrinthe für ihn als solche? Die frische Prise, die zu dieser frühen Stunde vom Meer her den flachen Hügel hinauf und über uns hinweg zieht lässt uns etwas frösteln.

 

Wir freuen uns schon auf unser Frühstück in der wohligen Wärme des großen Saales und die fröhliche Unterhaltung zu Tisch. Wild durcheinander übertrumpfen alle sich gegenseitig bei der Kundgabe ihres neu erworbenen Wissens, nur die hübsche, junge Frau an unserem Tisch und ich hören schweigend zu. Unsere Blicke treffen sich und wir müssen beide ob der komischen Situation lachen. Die Zunahme der Lautstärke war ein sicheres Zeichen, dass alle mit dem Frühstück fertig waren und so ermahnten einige Meister zum Aufbruch in die Unterrichtsgebäude. Beim Verlassen des Hauptgebäudes nahm mich die hübsche Frau, mit ihren zu mehreren Zöpfen geflochtenem blonden Haar, zur Seite und fragte mich nach meinem Namen. Sie stellte sich mir als Morgwen ap Don vor und sei im zweiten Jahr hier in der Druidenschule, die Unterweisung in den Gesetzen unseres Landes steht bei ihr an. Sofort spürte ich eine Verbindung zwischen uns, als ich in ihre tiefgrünen Augen schaute, ähnlich einem Silberfaden – obwohl ich den Begriff zu der Zeit noch nicht kannte.

 

Durch die schmalen, mit buntem Bleiglas gefassten Fenstern dringen die Sonnenstrahlen ins Innere unseres Unterrichtsraumes. Bei genauer Betrachtung sind die bunten Bleiglaseinfassungen bei weitem nicht so alt wie das aus massiver Eiche erbaute Unterrichtsgebäude. Wir sitzen wieder im Halbkreis um den Meister der Legenden herum und lauschen gespannt seinen Worten. Vieles hatten wir bereits am Vortag gehört, wurde jedoch in anderen Metaphern neu erzählt. Stetige Wiederholung fördert wohl das Einprägen in unsere Köpfe. Meister Talheam brachte uns auch einige Eselsbrücken bei, mit deren Hilfe wir uns besser Abläufe und Reihenfolge der einzelnen Teile unserer Geschichte merken können. Ich greife noch heute vereinzelt darauf zurück.

 

Zur Mittagszeit sitzen wir wieder im großen Saal des Hauptgebäudes und warten bei hitzigen Debatten zu dem Gelernten des Morgens ab, bis die Speisen aufgetragen wurden. Morgwen saß auch wieder an unserem Tisch. Als ich meine Augen von ihr abwende und den Saal genauer Betrachte fällt mir auf, dass in alle Steinwände Bäume und Sträucher eingeritzt  wurden, als verweilte man auf einer Waldlichtung. Selbst die steinernen Fackelhalterungen und Kohlebecken sind mit Motiven von Ästen ,Sträuchern und Blättern verziert. Das Geschirr wurde abgeräumt und in die Küche getragen, am kommenden Tag wird es die Aufgabe unserer Gruppe sein.

 

Das warme und herrlich angenehme Frühlingswetter gab den Anlass, den Unterricht im Freien zu beginnen. Meister Dafydd führte uns zum Rand des Hügels, von wo aus wir weit in das kleine Tal mit den Bauernhöfen, Feldern und Weiden schauen konnten. Heute wollte er uns alles über Ynis Maen erzählen, von seiner ersten Besiedlung, der Gründung der Druidenschule und die lange Zeit bis zum heutigen Tag. Ynis Maen wurde als Erstes wegen seines fruchtbaren Bodens genutzt, der für reichhaltige Ernten verantwortlich ist. Die Versorgung der Druidenschule und ihren Besuchern werden vollständig von den Feldfrüchten und Gaben der Natur, welche Ynis Maen so zahlreich hervorbringt gedeckt. Der Überschuss wird an den Hochkönig nach Darncaer geschickt, der sich seit Generationen dem Schutz der Druidenschule verpflichtet fühlt.

 

Später am Nachmittag verlegten wir unseren Klassenraum wieder nach drinnen, mit sinkendem Sonnenstand nahm auch die Kraft ihrer Strahlen ab und der hier ständig wehende Wind wurde kühler. Die Ankunft der ersten Druiden auf Ynis Maen fesselte unsere Aufmerksamkeit, folgten sie doch den Kraftlinien bis zu einer Linienkreuzung hier auf der Insel. Ein heiliger Hain kennzeichnet für die sehenden Augen die Stelle, da die Kraftlinien nur von Kundigen erkannt werden können – also noch von keinem von uns. In drei Tagen, Ljosdag der ersten Trideade des Luchsmondes, werden wir gemeinsam in der Nacht an einer Zeremonie am heiligen Hain teilnehmen. Auf die Frage nach den beiden Labyrinthen wurde uns nur so viel gesagt, dass sie zu Übungszwecken geschaffen wurden und wir zu einem späteren Zeitpunkt unseres Unterrichts damit noch Bekanntschaft machen werden. Das Hauptgebäude wurde kurz nach Ankunft der ersten Druiden errichtet, die anderen Gebäude entstanden erst später, als sich die Druidenschule hier gebildet und erweitert wurde.

 

Den Abend verbrachten wir im großen Saal des Hauptgebäudes und jeder erzählte etwas über sich und sein Zuhause, was unsere Gemeinschaft stärkte. Die fehlende Sitzordnung führte dazu, dass sich Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Wissensgebiete an einem Tisch zusammenfanden. Auch die Meister gesellten sich abwechselnd an unsere Tische und gaben etwas über ihr Leben preis und hörten den Ausführungen der Schüler zu. So erfuhren wir über Morgwen, dass sie eine Nichte des Hochkönigs ist, worauf man bei ihrem Schmuck und ihrer Kleidung nicht schließen konnte – was von ihr beabsichtigt war. Ich, als zweitgeborener Sohn des Pennad unseres Tolwydd und aufgewachsen im Dun (Burganlage) unserer Sippe in der Nähe von Darncaer. Der Dun unserer Sippe, welcher innerhalb von Erdwällen auch eine kleine Ansiedlung beherbergt und in deren Mitte sich der aus Stein errichtete, dreistöckige massive Broch (großer Wohnturm, mit steinerner Mauer umgeben) majestätisch in die Höhe streckt, war zu meiner Kindheit der Mittelpunkt der Welt.

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Im Heiligen Hain auf Ynis Maen  oder die Druidenschule Teil 4

(niedergeschrieben von Myrddin, Sohn eines Edlen aus Darncaer)

 

Am Abend, drei Tage später, es ist Ljosdag der ersten Trideade des Luchsmondes, wir machen uns für den Abmarsch bereit. Alle sind schon sehr aufgeregt, vor allem die Neuen. Die Sonne ist bereits zur Hälfte im Meer versunken, jeder hat ein kleines Bündel dabei und eine Fackel in der Hand. Nach dem kargen Mittagsmahl und dem kompletten Ausfall des Abendessens knurrt uns allen ein wenig der Magen. Es dient der besseren Konzentration für die Meditation am Heiligen Hain, wenn unsere Körper nicht mit der Nahrung beschäftigt sind, sondern wir uns mit Körper und Geist auf unser Tun fokussieren. Wie immer in den letzten Tagen weht eine frische Prise vom Meer her über die flache Hügelkuppe. Unser Zug ist in den Gruppen eingeteilt, die jeweils einen gemeinsamen Unterricht besuchen – unsere Gruppe ist an vierter Stelle. Unter den Schülern vor uns mache ich Morgwen aus und zwei Schritte hinter hier einen gerüsteten und bewaffneten Krieger. Als ich fragend dreinschaute, half mir Finn sofort weiter, es handelt sich um den Leibwächter von Morgwen. Immer wenn sie sich außerhalb der Wallanlage der Druidenschule aufhält, ist er an ihrer Seite.

 

So setzt sich der Zug in Bewegung, als die letzten Sonnenstrahlen noch etwas Licht spenden und wir den Hügel in Richtung der Höfe verlassen. Das Tor im Erdwall wurde geöffnet und wir zogen mit unserer Prozession zwischen den Feldern und Weiden ostwärts. Zur Abenddämmerung erreichten wir den Wald, die Fackeln wurden entzündet, es ging weiter, die Felder hinter uns lassend. Die Äste und erste kleinen Blätter in den Baumkronen halten das fahle Licht der Abenddämmerung zurück und lässt unsere Umgebung in Dunkelheit sinken, nur das Licht unserer Fackeln weist uns den Weg. Am Nachmittag bereits wurden wir von den Meistern angewiesen, während unseres Marsches nicht zu sprechen und uns auf die Umgebung einzulassen. Es war fast ein wenig unheimlich, nur die leisen Schritte der Schüler und gelegentlich ein davonsprintendes Tier, welches wir aufgeschreckt haben. Der Duft des Waldes war sehr intensiv und das stetige Rauschen des Windes in den Baumkronen wie ein nachhaltiges Hintergrundgeräusch, so tiefgreifend habe ich den Wald noch nie wahrgenommen.

 

Die Bäume treten immer weiter zurück und geben den Weg auf eine Lichtung frei. Um eine Fläche in der Mitte stehen mannshohe Menhire wie Wächter. Die Helligkeit des Vollmondes kommt uns nach der Finsternis des Waldes wie ein heller Sommertag vor. Durch die schweigsame Stille lässt sich das plätschern eines Baches auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung hören. Wir löschen die Fackeln und nehmen an den uns von den Meistern zugewiesenen Plätzen Aufstellung. Alle Meister und der Erzdruide versammeln sich im Zentrum an einem kleinen Feuer, in dessen Schein lassen sich einige kleine Säcke erkennen und irdene Steinschalen. Ich betrachte die Menhire genauer und kann im Mondschein viele Ogam-Zeichen erkennen, leider jedoch noch nicht lesen. Mit zunehmender Dauer und anhaltender Stille steigt die Anspannung in mir, was werde ich erleben, empfinden und fühlen?

 

Die Meister entzünden mitgebrachte Kerzen an dem kleinen Feuer im Zentrum und kommen zu ihren Schülern. Jeder holt jetzt seine Kerze aus dem mitgebrachten Bündel und entzünde sie an der Kerze des Meisters. Jede Gruppe setzt sich dann im Kreis zusammen und stellt die Kerze vor sich auf den Boden. Begonnen wird mit dem Feuerritual, ein Manifestationsritual, dadurch lassen wir Sorgen, Bedenken und Ängste zurück und schaffen Raum für etwas Anderes in unserem Leben, neue Handlungen, Überzeugungen, Beziehungen und Wissen. Jeder für sich fokussiert sich auf die Flamme seiner Kerze, sein Geist wird eins mit ihr und er bittet das Feuer, seine Sorgen, Bedenken, Ängste und schlechte Gedanken von ihm zu nehmen und in universelle Energie umzuwandeln. Es lässt sich nur schwer abschätzen, wie lange ein jeder in diesem meditativen Zustand geblieben ist, danach fühlt man sich leichter, von Altem befreit und Platz für Neues. Wir löschen die Kerzen, stehen auf und schauen wieder zum Zentrum.

 

Durch die laute Stille der Vollmondnacht haben sich die Geräusche des Waldes wieder genähert und sind deutlich zu hören, als ob die Tiere neugierig beobachten wollen, was die Menschen dort treiben. Dann nimmt jeder ein Tuch zum Abtrocknen und ein kleines, hölzernes Schälchen aus seinem Bündel und Gruppenweise gehen wir zum Bach, zuerst die Frauen und nach ihrer Rückkehr die Männer. Das Reinigungsritual, der Frühlingsputz mit den vier Elementen beginnt. Am Bach wäscht sich ein jeder gründlich ab, nach der Reinigung des Geistes muss auch der Körper gesäubert werden, mit dem Wasser wäscht man den Schmutz fort. Jeder füllt dann noch das kleine Schälchen mit Wasser und geht zu seinem Platz zurück. Während des Waschrituals haben die Meister zu jeder Gruppe eine irdene Steinschale, gefüllt mit ein paar glühender Kohlestücke von dem Feuer im Zentrum. Unser Meister legt einige Zedernholzspäne auf die Glut, welche sofort zu qualmen anfangen und einen angenehmen Duft verbreiten, mit Hilfe des Feuers wird die alte stagnierte Energie verbannt. Kurz darauf kommt ein heftiger Wind auf und lässt die Kohlestücke hellrot erglühen, durch die Luft werden schlechte Einflüsse vertrieben. Anschließend holt wieder ein Jeder einen kleinen Beutel, gefüllt mit Erde und einen kleinen Schössling aus seinem Bündel hervor. Gruppenweise wird am Rand der Lichtung die mitgebrachte Erde aufgeschüttet und darin der Schössling eingepflanzt und mit dem Wasser aus dem kleinen Schälchen gegossen. Dadurch verbindet man sich mit der Erde und hat jetzt eine Verbindung zu den Kraftlinien.

 

Alle schauen dann wieder ins Zentrum und lauschen wieder eine Weile und nehmen noch den verblassenden Duft des Zedernholzes auf, bevor sich langsam der Duft des Walder wieder durchsetzt. Das Naturritual, Befreunde einen Platz in der Natur beginnt damit, dass sich alle setzen, mit dem Gesicht zum Zentrum und mit einer tiefen Meditation beginnen. Unser Geist soll sich in alle Richtung ausstrecken, so weit es geht, und alles lebende ertasten, jeden Grashalm, jeden Baum, jeden Strauch, sogar die Tiere am Rand der Lichtung. Zuerst war es sehr anstrengend und ich fühlte, naja, nichts, doch dann ertastete mein Geist etwas und nach und nach entstanden Bilder in meinem Kopf. Eine Lichtung im Wald, ein schöner Sommertag, jede einzelne Blume auf der Lichtung konnte ich plötzlich spüren, fast körperlich. Irgendwann dehnte sich mein Geist über die Lichtung hinaus aus, dann vernahm ich verstörende Gedanken. Gedanken eines Tieres? Ich reiße erschrocken die Augen auf und sitze immer noch bei meiner Gruppe im Heiligen Hain. Der Mond ist bereits weiter seine Bahn am Firmament gezogen, es müssen ein paar Stunden vergangen sein. Bevor wir zum Rückzug aufbrechen, weisen uns unsere Meister noch an, in jeder Trideade einmal in den Hain zu gehen und die Meditation zu wiederholen. Im Laufe der Wochen und Monate wird es uns immer einfacher fallen und wie werden die Veränderungen der Natur wahrnehmen und dadurch unsere Verbindung mit diesem Ort festigen.

 

Auf unserem Heimweg sind wir im Wald wieder auf die Fackeln angewiesen, um den Weg zu finden und nicht über Wurzeln zu stolpern. Als wir die Felder und Weisen erreichten, war vom Mond nicht mehr viel zu sehen, jedoch der wolkenlose Sternenhimmel tauschte alles in ein romantisches Licht. Keiner der Schüler sprach auf dem Rückweg ein Wort, alle waren viel zu sehr mit ihren Gedanken bei den Empfindungen der letzten Stunden und so kam uns der Heimweg viel kürzer vor. Die Nacht fand ich keinen rechten Schlaf und ging immer wieder im Geiste mein Erfühlen des, des Lebens durch und erlebte es erneut, ein sonderbares und doch vertrautes Gefühl, irgendwie…

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Der Dweomer und ich im Labyrinth auf Ynis Maen  oder die Druidenschule Teil 5

(niedergeschrieben von Myrddin, Sohn eines Edlen aus Darncaer)

 

Für den geneigten Leser sei angemerkt, dass ein druidisches Labyrinth nichts mit den Labyrinthen zu tun hat, die man hier und da in den Gärten der Reichen und Mächtigen in den Küstenstaaten vorfindet. Bei diesen Labyrinthen oder auch Irrgärten handelt es sich um ein System mit Verzweigungen, das Sackgassen oder geschlossene Schleifen enthalten kann, dass nur zum Zeitvertreib, ohne tieferen Sinn oder Zweck angelegt wurde. Die druidischen Labyrinthe sind ein verschlungener, verzweigungsfreier Weg, dessen Linienführung unter regelmäßigem Richtungswechsel zwangsläufig zum Ziel, dem Mittelpunkt, führt. Gekennzeichnete Stationen auf dem Weg laden zur Meditation und Selbstfindung ein, auf diese Weise offenbart sich einem sein Innerstes.

 

Was ist Dweomer, oder auch Grüne Magie? Lasst es mich so erklären, der Schöpfer allen seins ist der Weltengeist. Er ist der Ursprung des arkanen Musters, welches wir Weltenlied nennen, es beschreibt alle Einzelheiten und alle Gesetze des Multiversums und lässt sie zur Wirklichkeit werden. Durch den Fluss der Lebensenergie, wir kennen sie als Kraftlinien, wird die Existenz und Macht des Weltengeistes immer währen. Alle Wesenheiten, wie die Urmächte des Chaos, Elementarmeister, Dämonenfürsten, ja sogar die Götter selbst, aber auch Menschen und andere Völker bis hin zum niedrigsten Tier sind den Gedanken des einen Geistes entsprungen. Unser aller Aufgabe ist es, das Gleichgewicht zwischen Ordnung und Chaos zu wahren, damit das Weltenlied nicht durch chaosgeborene Magie gestört wird, noch durch ein Übermaß an Ordnung erstarrt und verstummt. Ein Magier oder Hexer und ihresgleichen manipulieren den Fluss der magischen Energie, des Magans. Sie nutzen die schöpferische oder zerstörerische Kraft des Chaos. Sie zupfen und zerren von außen am arkanen Muster, was sich negativ auswirkt. Ein Dweomermeister lenkt die Lebensenergie selbst, anstelle von Magan, was keine Auswirkungen auf das arkane Muster hat. Er wirkt harmonisch von innen direkt auf das arkane Muster ein. Die chaosgeborene Magie steht jedem offen, der unter einem fähigen Lehrmeister studiert und fleißig seinen Kopf in verstaubte Bücher steckt, jedoch zum Dweomer muss man berufen sein! Aber ich schweife ab, reisen wir wieder nach Inis Maen und springen über die Zeiten zurück, die nicht der Handlung dienen.

 

Zwei Jahre sind vergangen, seit meiner Ankunft auf Ynis Maen, und ich habe mein Wissen durch unsere weit zurückreichende Geschichte, unsere langen Ahnenreihen, unsere Gesetze,  unsere Lieder und Gedichte, die Aneignung der Ogam-Schrift vervollkommnet. Heute steht eine Prüfung an, die meine Befähigung zeigen soll, die Lebensenergie zu formen und zu lenken. Welche Rolle hat mir der Weltengeist zugeteilt, werde ich ein Dweomermeister, der Schlaf mied mich des Nachts? Ich muss alleine, ohne Anleitung und Führung das Labyrinth der Steine beschreiten, am Ende offenbart sich mir meine Zukunft. Ich zwang mich selbst, wenigstens ein paar Bissen beim Morgenmahl zu mir zu nehmen, denn ich werde erst am Abend wieder in die große Halle kommen. Finn wünschte mir Glück und Morgwen gab mir einen Kuss auf die Wange, dann war es soweit, der Moment, den ich so lange ersehnt und doch auch gefürchtet habe.

 

Nur mit meiner Kleidung am Leib folge ich dem geschwungenen Pfad, gesäumt von sieben bis 10 Fuß hohen, unregelmäßigen, natürlichen Steinplatten. Es war schattig auf dem Weg, da die tiefstehende Morgensonne noch nicht den Boden erreichte. Als sich der Eingang bereits meinem Blick entzogen hat, bemerkte ich auch die Stille, keine Stimmen, kein rauschen des Windes oder zwitschernde Vögel – nur Stille. Dann erreiche ich einen Menhir, eingefasst in die Steinplatten zu meiner Linken, überragt er die größten um wenigstens zwei Fuß.

 

>>Wenn ein Mensch den Dweomer für sich beansprucht, muss er sich vor allem in Geduld üben. Keine Frucht fällt vom Baum, ehe sie nicht reif ist.<<

 

Weißer Nebel umgibt mich und wird immer dichter, mein Geist ist an einem unbeschreiblichen Ort, ich bin mit meinen Gedanken alleine, an mehr konnte ich mich hernach nicht erinnern. Nachdem sich der Nebel wieder lichtete und letztendlich vollständig auflöste, setzte ich meinen Weg fort. Ein weiterer Menhir, dem Ersten nicht unähnlich und doch anders, diesmal zu meiner Rechten, lässt mich innehalten.

 

>>Jene die den Dweomer studieren, beschweren sich häufig, dass er in Rätseln spricht. Dafür gibt es einen Grund. Und was ist der Grund? Nun, auch dabei handelt es sich um ein Rätsel.<<

 

Ich schaue mich um, der Nebel ist wieder weg, so wie er gekommen war. Meine Füße beginnen leicht zu schmerzen, als ob ich bereits seit Stunden unterwegs wäre, dabei habe ich noch keine hundert Schritte zurückgelegt – oder? Der Weg windet sich weiter, wieder eine Schleife, dann noch eine Schleife, dann der nächste Menhir. Ich betrachte den Boden hinter und vor mir, ein ausgetretener Pfad, viele müssen ihn bereits vor mir beschritten haben.

 

>>Der Dweomer ist eine gewaltige Wildnis, durch die sich nur wenige sichere Straßen ziehen. Auf beiden Seiten dieser Straßen liegt unvermessenes Land, voller wilder Tiere, Abgründe und Sümpfe – Gefahren, die eine unachtsame Seele ebenso leicht töten können wie ein wilder Eber einen unvorsichtigen Jäger. Spotte nicht über sie, ehe du dich ihnen gestellt hast.<<

 

Als ich die Augen öffne und die letzten Fetzen weißen Nebels sich auflösen versuche ich mich zu orientieren. Die Sonne müsste auf ihrer Reise am Himmelsgewölbe doch bereits ihr wärmendes Antlitz zeigen, jedoch ist es so schattig wie zu Beginn. Weiter den geschwungenem Pfad folgend fühle ich Hunger und Durst, wie lange bin ich schon unterwegs? Die nächste Schleife gibt die Sicht auf den bisher größten Menhir frei.

 

>>Jedes Licht wirft einen Schatten. Auch der Dweomer. Es gibt Menschen, die sich dafür entscheiden, im Licht zu stehen, andere bevorzugen das Dunkel. Seid euch immer bewusst, dass das eine Frage von Entscheidungen ist, und lasst nicht zu, dass der Schatten gegen euren Willen auf euch fällt.<<

 

Ich fühle mich so müde, mein Mund ist trocken, mein Bauch knurrt und die Beine schmerzen – ich zwinge mich dazu weiter zu gehen, einen Schritt nach dem anderen. Oh, es geht nicht weiter. Ein kleiner Platz, etwa fünfzehn Fuß durchmessend und mit einem gewaltigen Menhir in seiner Mitte, tut sich vor mir auf. Mit letzter Kraft knie ich mich zur Meditation hin und lesen die Schriftzeichen, langsam steigt der weiße Nebel auf.

 

>>Wenn du mit einem Stock in den Sand schreibst, werden bald Wellen und Wind die Zeichen wegwaschen. Solcherart sind die Fehler gewöhnlicher Menschen. Wenn du die Zeichen in Stein meißelst, bleiben sie für immer. Ein Mensch, der den Dweomer für sich beansprucht, wird zum Meißel. All seine Fehler sind für immer in die Zeit graviert.<<

 

Langsam kehrt mein Bewusstsein zurück, ich fühle mich wohl, drehe mich noch einmal auf die andere Seite auf meinem weichen Lager. Das Gezwitscher der Vögel und das Rauschen des Windes in den Blättern dringt an meine Ohren. Ich öffne die Augen und muss zu meinem Erstaunen feststellen, dass ich mich nicht in meinem Bett in meiner Kammer befinde. Nachdem ich mich aufrichte, schaue ich mich um und erkenne sofort den Heiligen Hain, den ich seit dem Ritual in meinem ersten Jahr regelmäßig aufsuche. Der Erzdruide begrüßt mich, erschrocken fahre ich herum und schaffe noch eine ehrfurchtgebietende Verbeugung. Mit einem lächeln teilte mir der Erzdruide mit, dass mich der Dweomer angenommen hat, die Gabe ist stark in mir und muss geformt werden. Auf meine Frage, wie ich hier in Heiligen Hain komme, antwortet der Erzdruide nur wage und verschmitzt lächelnd, die Wege sind verschlungen und liegen im Schatten.

Bearbeitet von Torfinn
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Danke, Torfinn, für diese stimmungsvolle Geschichte!

Zu Ynis Maen habe ich mir im Laufe der Zeit auch ein paar Gedanken gemacht, die vielleicht teilweise etwas weit hergeholt sind.

Da der Austausch von Ideen aber davon abhängt, dass auch Ideen auf den Tisch gelegt werden, hier mal die Stichworte, die ich bislang festgehalten habe, um sie bei Gelegenheit auszuarbeiten:

- Ist Ynis Maen vielleicht geografisch nicht fest verortet? Oder, um sich in diesem Punkt nicht ganz festzulegen, vielleicht nur auffindbar, wenn die oder der Älteste (der älteste Hochdruide, der dem leitenden Zirkel der Insel vorsteht) einwilligt? Vielleicht fahren Uneingeladene nur mit ihrem Schiff oder Boot hin und her und finden nix. Gäste, die erwartet werden, könnten z. B. erleben, wie sich der Morgennebel lichtet und den Blick auf ein Ufer freigibt. Oder die Deckswache auf dem nachts dümpelnden Schiff sieht auf einmal Lichter - anscheinend festliche Lampions, die an Bäumen aufgehängt sind. Ferne Musik ist zu hören, und in den frühen Morgenstunden knirscht das Schiff sachte auf den Sandstrand.

- Ein "Weltenbaum" wächst im Zentrum der Insel in einem Steinkreis auf einer Hügelkuppe. Feenwesen erzeugen in diesem Baum die magischen Lampions, die einem auf der Insel erwarteten Schiff den Weg weisen. Der Baum wächst auf der stärksten Linienkreuzung von ganz Midgard. Ein "Hort der Natur" umgibt ihn. Ein weiterer Schutzmechanismus für dieses Gehölz, in dem der Dweomer stärker leuchtet als irgendwo sonst auf der Welt, ist ein legendärer Baumhirte, ein 12 m großes Wesen von phänomenalem Alter.

Eine weitere lose Idee ist das magische Grab von Maolyn Mor ap Don, wo der erste Hochkönig in zeitlosem Zustand ruht, die Hände um den Knauf eines gewaltigen Schwertes geschlossen (ein Götterbote Plenydds oder Dwiannons hat es ihm einst ausgehändigt). Ich bin mir aber noch nicht ganz sicher, ob ein solches Grab auf "meinem" Ynis Maen existiert, oder ob es vielleicht auf dem Festland an einer Linienkreuzung mit Verbindungen zu den heiligen Bäumen aller fünf Stämme (siehe "Die Welt") liegt.

 

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Eine Reisegruppe und der Abschied von Ynis Maen  oder die Druidenschule letzter Teil

(niedergeschrieben von Myrddin, Sohn eines Edlen aus Darncaer)

 

Mein langes und aufschlussreiches Gespräch mit dem Erzdruiden im Heiligen Hain bestärkten mich, sowohl die Kunst der Dweomerzauberei wie auch die Heil- und Kräuterkunst zu erlernen. Ich erfuhr auch einiges über die Visionen während meiner Meditationen an den Menhiren im Labyrinth, wobei mich viele Antworten und Erläuterungen nicht gleich zu einer neuen Erkenntnis führten. Den Aufenthalt im Labyrinth, die Visionen und Empfindungen sind stets individuell und bei jedem Adepten anders. Auch die Zeit innerhalb des Labyrinths verläuft für jeden Suchenden unterschiedlich, denn der Weg, aus Sicht eines Vogels über dem Steinlabyrinth, ist nicht sehr weit und sollte für einen Menschen keine Stunde in Anspruch nehmen und doch war ich einen ganzen Tag unterwegs.

 

Die darauf folgenden Wochen vertiefte ich meine Studien jetzt auch im Wissen über Pflanzen und Kräuter, ihr Vorkommen, ihre Nutzung als Nahrung und Arznei, der Zubereitung und Lagerung. Weiterhin wohnte ich auch den Unterweisungen unserer Landesgeschichte, der Ahnenkunde, der Sagen und Lieder unserer Kultur sowie unserem Rechtswesen bei. Stetige Wiederholung fördert das Einprägen des Gehörten, unverzichtbar für eine Gesellschafft mit sehr wenigen, bis keinen, schriftlichen Aufzeichnungen. Die spärliche freie Zeit verbrachte ich mit Morgwen und besuchte auch mit ihr zusammen regelmäßig den Heiligen Hain, wie uns aufgetragen wurde. Im Herbst diesen Jahres kam der Abschied von Morgwen, ihre Ausbildung war abgeschlossen und sie wird mit ihrem Leibwächter in ihr Zuhause zurück kehren. Lange stand ich noch an dem kleinen Anleger auf Ynis Maen und schaute auf die Bucht hinaus, vom Segler war seit einiger Zeit bereits nichts mehr zu sehen. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, atmete tief durch und machte mich auf den Rückweg.

 

In den nächsten zwei Jahren erstreckte sich mein Unterricht immer stärker auf die Zauberei, den Dweomer, also die Beeinflussung und Lenkung der Lebenskraft. Aller Anfang ist schwer und ich ertappte mich immer wieder bei Gedanken über Aufgabe und Verlassen der Druidenschule. Das Anzapfen der Kraftlinien an sich war nicht schwierig, jedoch was dann mit der unvorstellbaren Energie anstellen, wie sie zügeln und manipulieren? Jedoch gelang mir unter der Anleitung der Meister auch dieser Teil und nach jeder erfolgreichen Anwendung wurde es einfacher. Jetzt galt es die verschiedenen Änderungen des Musters zu bewerkstelligen, damit ein gewünschtes Ergebnis dadurch erzielt würde. Auch bei der Zauberei steigert die stetige Wiederholung die Selbstsicherheit und ein Anwachsen der verschiedenen Abfolgen, auch Sprüche genannt.

 

Eine kleine Gruppe aus drei erfahrenen Schülern wurde zusammengestellt, ein angehender Barde, ein angehender Druide und mir, einem angehenden Weisen. Über den Winter wurden wir auf unsere Aufgabe vorbereitet, die Druidenschule für ein halbes Jahr zu verlassen und unsere Kenntnisse und Fähigkeiten auf einer Reise durch unser Land zu vertiefen und zu erweitern. Jeder von uns hatte seine Stärken und soll auch durch die Stärken der anderen wachsen und sie besser kennenlernen. Dovyn ap Awen, der Prydydd, hat eine herrliche Stimme und kennt die wichtigsten Lieder unseres Volkes auswendig. Cadmar ap An, der Derwydd, kennt die Tierwelt unserer Heimat und kann jedes mit Namen nennen, auch die wichtigsten Gebote und Verbote kann er ohne Unterbrechung aufsagen. Wir teilten uns eine größere Kammer, und bis zum Frühjahr waren wir eine verschworene Truppe. Wir verabschiedeten uns vom Erzdruiden im Heiligen Hain, den Meistern der Schule und auch von unseren Mitschülerinnen und Mitschüler, ließen die runden Gebäude auf dem flachen Hügel hinter uns und marschierten frohen Mutes zum Anleger. Ynis Maen wurde immer kleiner und kleiner, bis es nicht mehr auszumachen war und wir der nördlichen Küste in Richtung Osten folgten, es war der 1. Tag der zweiten Trideade des Luchsmondes.

 

Mit einem schnellen, kleinen Segler folgen wir nördlichen Küste der Darnfy-Bucht in Richtung Westen, Darncaer liegt schon weit hinter uns, es ist der 12. Tag im Kranichmond. Nachdem wir uns von der Küste der offenen See zuwenden, kommt nach Kurzem Ynis Maen in Sicht und schon bald lassen sich die Gebäude des kleinen Anlegers ausmachen. In der Abenddämmerung durchschritten wir das Hafentor durch den Erdwall und erklimmen auf dem kurzen Weg die flache Anhöhe der Druidenschule. Die runden, aus Holz errichteten Unterrichtsgebäude zeichnen sich vor dem dunkel werdenden Hintergrund noch deutlich ab. Das erste Laub der großen Bäume ist bereits abgefallen und säumt unseren Weg zur großen Halle. Freudig werden wir empfangen und werden bereits während dem Essen gedrängt, von unseren Abenteuern zu berichten. Bei Met und Bier erzählten wir von unseren Erlebnissen und schmückten sie hier und da etwas aus, was großen Anklang bei den Zuhörern fand.

 

Am Myrkdag des Kranichmondes stand unsere kleine Gruppe in der großen Halle, uns gegenüber auf dem erhöhten Podest sitzen der Erzdruide und die Meister am langen Tisch. Wir trugen unseren abschließenden Bericht unserer Reise vor und mussten viele Fragen beantworten und unsere Angaben genauer Erläutern und Ausführen. Wir kamen uns sehr unbehaglich vor, als wir wie Angeklagte, die von Richtern verhört wurden und deren Antworten nie genügten, so verloren in der großen Halle standen. Doch nach endlosen Stunden schauten sich der Erzdruide und die Meister abwechselnd an und nickten sich zu, bevor sie sich alle uns wieder zuwendeten und lächelnd mitteilten, dass sie mit unseren Ausführungen und Fortschritten sehr zufrieden seien. Erleichtert wurden wir entlassen und verbrachten den restlichen Tag im Freien. Noch vor der Abendmahlzeit wurde ich zu meinem Meister gerufen, der mir noch einmal genau darlegte, wie zufrieden er mit meinen Fortschritten ist und meine Ausbildung hier in der Druidenschule abgeschlossen sei. Alles weitere würde ich durch eigene Erfahrung lernen und verbessern. Die Ausbildung meiner Gruppenkollegen hingegen war noch nicht beendet, als Bard und Druide haben sie noch mindestens eine Dekade vor sich.

 

Nach dem Morgenmahl wanderte ich noch einmal zum Heiligen Hain, meditierte dort und verabschiedete mich von allen empfindsamen Wesen, die man in den vielen Jahren kennengelernt hat. Ein wohliges Gefühl breitete sich in mir aus und ich konnte die ganze macht der Kraftlinienkreuzung spüren und wusste auch, dass ich sie in vollem Umfang nutzen konnte. Die herzliche Verabschiedung vom sonst meist mürrischen Erzdruiden wird mir auch in Erinnerung bleiben, der mir zum Abschied noch die besten Glückwünsche für mein weiteres Leben mit auf den Weg gab. Auf dem Rückweg besuchte ich noch die Höfe im Tal und sprach dort mit den Bewohnern, auch ihre besten Wünsche begleiteten mich. Nach dem Abendessen verabschiedete ich mich auch von meinen Mitschülern und Schülerinnen sowie den Meistern, denn am nächsten Morgen in aller Früher wird mich ein Segler nach Darncaer bringen. Zur Beginn der Morgendämmerung war ich bereits wach, mein Bündel hatte ich am Vorabend bereits gepackt und so nutzte ich die Zeit für einen letzten Sparziergang zwischen den alten Bäumen und runden Gebäuden auf der flachen Anhöhe. Als sich die ersten Sonnenstrahlen die Bucht erhellten, war von Ynis Maen nichts mehr zu sehen und wir strebten an der nördlichen Küste der Sonne entgegen, werde ich noch einmal nach Ynis Maen zurückkommen…

  • Thanks 2
Geschrieben
vor 7 Stunden schrieb Rulandor:

Danke, Torfinn, für diese stimmungsvolle Geschichte!

Sehr gerne, wollte meine Gedanken zu einem Teil des Hintergrundes für meinen Weisen zu "Papier" bringen.

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