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Selbstbeschränkung im Rollenspiel


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Geschrieben
Hallo Malódian!

 

Was glaubst Du, was ich mir alles als "möglich" denken kann, wenn ich das "moralische Korsett" weglasse...
Rollenspiel hat aus meiner Sicht generell moralisch wertfrei zu sein. Ich will schließlich nicht meine Spieler zu einer bestimmten moralischen Weltsicht erziehen, sondern ihnen völlig freie Hand in der Entwicklung ihrer Rollen gewähren. Hierbei sehe ich lediglich dort Grenzen, wo sich Mitspieler peinlich berührt fühlen.

 

Liebe Grüße, :turn: , Fimolas!

 

Ich schließe mich deiner Meinung an Fimolas. Ansonsten kommen Spielleiter, die sich berufen fühlen, auf die Idee ihre Meinungen anderen aufzudrängen.

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Geschrieben

[Zum Beleg: ich habe Perry Rhodan / Atlan etc von Anfang an gelesen. Und fand vieles als Jugendlicher spannend. Wenn ich heute mal wieder Hefte von damals in die Hand nehme, erfaßt mich beim Lesen pures Entsetzen.

Bei KarlMay und JulesVerne, um ein paar bedeutende Erzähler zu nehmen, ist das nicht so schlimm, bei Tolkien gar nicht der Fall (obwohl letzterem gerne eine zu schematische Ethik unterstellt wird. Sehe ich nicht so)]

 

Ich verstehe nicht wie du hier differenzierst.

Es war geradezu eine Tradition in der Vergangenheit Urängste zu schüren und den Feind entweder auf die Tierstufe zu stellen, oder als lebensfeindliche Kinderfresser zu stigmatisieren, die sich immer für das Böse entscheiden.

Natürlich um die Notwendigkeit eigener kriegerischer Handlungen zu rechtfertigen.

 

In einer aufgeklärten Zeit sind solche Feindbilder nicht zu halten.

Also erfindet jemand Orks oder das Alien um diese Urängste wieder anzusprechen. Auf die Auslöschung der Menschheit ausgerichtet, haben diese Gruppen ihr existensrecht quasi verwirkt.

 

Gerade Tolkien greift dieses "Überlebenskampf" Thema voll auf. Der Krieg der

guten Seite ist nicht zu hinterfragen und selbstverständlich gerecht.

Das "was wäre wenn es tatsächlich einen solchen Feind gäbe" Spielchen ist doch auch nur ein simpler Trick um Pseudo-Moral zu installieren.

 

KarlMay: kommt in seinen Romanen kaum ohne Gewalt als adequaten Problemlöser aus. Wird der Oberbösewicht skalpiert, war es ein Akt der Gerechtigkeit.

Um krasse Gewalt darzustellen, wird der Bösewicht manchmal Opfer seiner Verbündeten, also Opfer seiner eigenen "Boshaftigkeit".

Lynchjustiz wird gefeiert und als notwendiges und gerechtes Schicksalsurteil definiert. Gleichzeitig werden Handlungen als Notwehr betrachtet, die vor einem modernen Gericht lebenslange Haftstrafen zur Folge hätten.

Der "gesetzeslose wilde Westen" ist eben auch nur ein Fantasy-Modell, in dem Gewalt legitimiert wird.

 

Alle diese Settings enthalten wenig hinterfragte Gewalt. Warum? Weil die Entscheidung Leben oder Tod in sich spannend ist. Durch diese Spannung entsteht Unterhaltung. Keiner dieser Romane beansprucht Wahrheit oder Erziehung für sich. Solche Gewalt-Konzepte sind auch kein grundsätzlicher Hinweis auf die Qualität von Literatur. Auch "das Parfum", "Othello" sowie "Romeo und Julia" enthalten massive Gewaltdarstellungen, die nicht wirklich moralisiert werden.

 

Bei Jules Verne ist Gewalt tatsächlich kein Thema. Die meisten Romane leben von Utopie. Dennoch handeln die Figuren innerhalb der Zwänge, Werte und Vorstellungen ihrer fiktiven Umgebung. Hier wird Spannung anders erzeugt, und das ist schöne Abwechslung, aber sicher nicht das einzig akzeptable Konzept.

Z.B. in Midgard 1880, das ja auch historische Nähe sucht, findet man viele ähnlich aufgebaute Abenteuer. Sowie ich aber nicht ausschließlich Jules Verne lese, möchte ich nicht das jedes Abenteuer einen solchen Verlauf nimmt.

 

Warum es die Pseudo-Ethik tut:

1. Weil die Komplexität der Realität den Mensch überfordert. Spiel- und Romanwelten können nur vereinfacht sein. Es ist unmöglich Realität abzubilden. Nicht mal Fotos können das leisten. Gut und Böse unterscheiden zu können ist da nur ein Mittel von vielen. Der Tod des Grendel ist letztlich nur ein Symbol für den Sieg des Guten, und keine zu analysierende Bluttat.

 

2. Weil es keine einzig wahre Super-Ethik gibt die man überstülpen könnte. Selbst Religionen überlassen i.d.R. das letzte Urteil lieber ihrem Gott. Hat man doch eine, ist man mindestens ein Totalitarist, möglicherweise schlimmeres.

 

Fazit: Mir geht es beim Rollenspiel, sowie beim Roman um gute Unterhaltung. Dies kann sehr abwechslungsreich erreicht werden. In jedem Abenteuer vom SL eine Mords-Katharsis aufgebrannt zu bekommen, ist genauso eintönig wie ständige Metzelorgien.

Geschrieben

@JOC:

Wunderbar, da hast du mir absolut aus der Seele gesprochen, JOC.

Danke.

 

Letztlich ist es genau das. Ich will Rollenspiel betreiben und nicht die Realität, wie ich sie mir mit meiner heutigen Moral vorstelle oder wünsche auf die Spielwelt übertragen. (Also Sklaverei z.B. weglassen, obwohl es zu einer Figur passt.)

 

Das mag der eine als schlechtes Rollenspiel definieren, der andere wird genau daran Gefallen finden.

 

Ich will Unterhaltung und kein ständiges Drama zwischen der SF und deren Um- oder Gefühlswelt. Ich mag beim Rollenspiel die Vereinfachung und den nichttherapeutischen Ansatz. Es gibt im richtigen Leben genug anstrengende, schwierige Dinge. Das brauche ich nicht bei meinem Hobby. Aber es ist ok, wenn das andere anders sehen.

 

Ich stelle mir gerade vor, daß ich als SL Psychogramme meiner NSFen anfertigen müsste, um deren Motivation zu erklären. Natürlich rein nach modernen Gesichtspunkten, mit Therapieplan im Falle der Gefangennahme, schließlich sind die BÖSEN ja früher mal traumatisiert worden.

 

Ich glaube, daß dies vielleicht einmal nett sein kann, aber auf Dauer, nein danke.

  • 4 Wochen später...
Geschrieben

[Zum Beleg: ich habe Perry Rhodan / Atlan etc von Anfang an gelesen. Und fand vieles als Jugendlicher spannend. Wenn ich heute mal wieder Hefte von damals in die Hand nehme, erfaßt mich beim Lesen pures Entsetzen.

Bei KarlMay und JulesVerne, um ein paar bedeutende Erzähler zu nehmen, ist das nicht so schlimm, bei Tolkien gar nicht der Fall (obwohl letzterem gerne eine zu schematische Ethik unterstellt wird. Sehe ich nicht so)]

 

Ich verstehe nicht wie du hier differenzierst.

(...)

 

Salut,

 

ich trau' mich nicht, diese Debatte weiter zu führen [Jules Verne ohne Gewalt???] (Resultat ständigen Moderiertwerdens). Ich hatte das nur als Beispiel für Einstellungsänderungen bei mir selbst nehmen wollen. [Literatursoziologie hatte ich als Hauptseminar im Studium...]

 

Aber in der Tat: Dein Begriff von Pseudo-Ethik ist sauber begründet. Aber mir reicht das eben nicht! Ist mir im Rollenspiel zu einfallslos.

 

@ Jürgen: wenn Du vorne liest, wirst Du sehen, daß es nicht das Thema war, das Setting zu verändern. Sondern die Frage, wieviel Spaß macht es, bestimmte Aspekte davon auszuspielen.

 

Der wichtige Aspekt ist mir der voher genannte: Persönlichkeit im Spannungsverhältnis von Gesinnung - Realität.

 

Halb belesene Grüße von Malódian

  • 7 Monate später...
Geschrieben

Gab es da nicht mal diese Romanserie, wo eine Rollenspielgruppe in ihre Welt versetzt wurde, und die sich am Anfang erst einmal jeweils klarwerden mußten, welche Persönlichkeit (Spieler/Figur) denn jetzt das Kommando hat? Das war z.T. gar nicht schlecht beschrieben. Eine der Figuren ist dann dazu "verdonnert" worden (halb zog sie ihn, halb fiel er hin), die Spielwelt von der Sklaverei zu befreien. Das hat für einige Bücher gereicht (wie ist das dann eigentlich ausgegangen?).

Ich frage mich aber z.B. auf Cons auch, wenn eine der Figuren als "na ja, halt ein Mensch, normale Kleidung mit vielen Taschen, Stab mit magischen Symbolen" beschrieben wird, "na, was wird das wohl für eine Runde? Welche Farbe hat der jetzt wieder?"

Noch eine Beobachtung: ich habe schon mehrfach gehört, wie Spieler sich quasi simultan mit der Handlung ihrer Figur entschuldigt haben, "so ist (Name) halt" oder "so war die Kultur doch damals" (das übrigens nicht nur bei Gewalthandlungen, sondern auch bei einem anderen Tabu - gruppenschädlichen Handlungen, z.B. Unterschlagung). Das schwächt einerseits die Handlung etwas ab, andererseits... willsch es jetzt oder willsch es net?

Schließlich: wenn jede Figur von Anfang an genau so gespielt wird, wie wir sie gerne hätten, wie soll sie sich dann noch entwickeln? Ist es nicht auch reizvoll, jemand aus dem Dunkel ins Licht zu führen? Und wenn das geschieht, wie viel davon sollte vorher/nebenher explizit besprochen werden, wie viel sollte frei und überraschend sein?

  • 3 Monate später...
Geschrieben

Hi,

 

ich denke, man muss es von den Spielern abhängig machen, wie genau man die Gewalt beschreibt. Je sensibler die Spieler sind, desto stärker sollte man die genaue Beschreibung außen vor lassen. Das gilt insbesondere bei Spielerinnen und Vergewaltigungsszenen.

 

Nebenbei bemerkt, bin ich auch eigentlich im wahren Leben eher Pazifistin, aber wir spielen hier eine Fantasy-Welt, und da ist doch alles etwas anders, oder?

 

L G

Alas Ven

Geschrieben
Hi,

 

ich denke, man muss es von den Spielern abhängig machen, wie genau man die Gewalt beschreibt. Je sensibler die Spieler sind, desto stärker sollte man die genaue Beschreibung außen vor lassen. Das gilt insbesondere bei Spielerinnen und Vergewaltigungsszenen.

 

Nebenbei bemerkt, bin ich auch eigentlich im wahren Leben eher Pazifistin, aber wir spielen hier eine Fantasy-Welt, und da ist doch alles etwas anders, oder?

 

L G

Alas Ven

 

Ich gebe dir da vollkommen Recht. Eigentlich findet ein SL recht schnell heraus, wie seine Spieler ticken. Was ihnen noch Spaß macht und was für sie schon zu viel ist. Ich denke aber auch, wir spielen hier Fantasy. Wenn ich Gewalt und ihre psychologischen Auswirkungen genau beschreiben und durchspielen möchte sollte ich eher bei Cthulhu o.ä. bleiben.

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