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Heiraten und Verführen


McFloyd

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@Egima: Was du hier ausführlich darstellst, ist die offizielle Lesart, die diejenigen überliefert haben, die an solchen Aufzeichnungen Interesse haben.

 

Aber zu deinem Beispiel der alten Juden: Lies dir mal die Bibel durch, da wird fleißig zu Huren gegangen und selbst Ehebruch wird auf Umwegen betrieben, nämlich als König David einen seiner Generäle mit einem Himmelfahrtskommando in den sicheren Tod schickt, nur weil er auf dessen Frau scharf war, die er hinterher dann tatsächlich als x-te Frau nahm.....

 

Und es ist z.B. ziemlich klar, dass im Mittelalter auf den Bauernhöfen über Winter mehr gemacht wurde, als Nasebohren - und das quer Be(et)t von der ganzen Hofgemeinschaft.

 

Und so weiter, und so weiter...

 

Grüße

 

Bruder Buck

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@ egima:

Sorry, so ganz teile ich deine Lesart der Geschichte nicht.

1. Ist zu unterscheiden zwischen Ehe und Sexualität.

2. Ist zu unterscheiden zwischen Ideologie und gelebter Praxis.

 

Zudem kommen wir hier gerade in ein grundlegendes Problem der Geschichtswissenschaft:

Wenn etwas explizit und unter hoher Strafe und wiederkehrendund öffentlich verboten wurde, wie ist dieses Verbot zu verstehen?

a) Der Gesellschaft war dieses Verbot wichtig, weil sie ihre Abscheu gegen diese Praktiken dokumentieren wollte. Nur in Ausnahmen wurde gegen dieses Verbot verstoßen.

oder

b) der Gesetzgeber hielt das Verbot für wichtig, weil diese Handlungen in den Kern der Gesellschaft eingedrungen ist.

 

In der Geschichtswissenschaft neigen wir heute eher zur Lesart b).

 

Es ist einfach so, dass man meist nie nötig hat, auf das allgemein übliche Hinzuweisen, während das besondere erwähnt werden muss.

Wenn sich also die Mehrheit an die Ideologie halten würde, dann bräuchte es keine Gesetze dagegen.

 

Aber mal im einzelnen:

 

Irgendwann dämmerte jeder Kultur, daß beim Geschlechtsakt Kinder entstehen können, daß also der Mann an der Entstehung des Nachwuchses Anteil hatte (und nicht nur Spaß). Wie kann der Mann sicher sein, daß er SEINE Kinder aufzieht? Indem er auf die Jungfräulichkeit der Braut besteht und der Frau den körperlichen Umgang mit anderen Männern verbietet.

Das war schon sehr früh bekannt. Weswegen alle (patriarchalen) Kulturen eigene Mechanismen entwickelt haben, dies sicher zu stellen. Diese Mechanismen haben nicht unbedingt mit Enthaltsamkeit zu tun, sondern eher mit Techniken der Empfängnisverhütung. Außerdem betreffen diese Frage vor allem die Ehe, die man aber streng von Sexualität trennen sollte. Es gibt übrigens weit verbreitete Techniken, wie man eine eventuell verlorene Jungfräulichkeit vortäuschen kann. Wäre dies unnötig, hätte sich dieses Wissen wohl kaum verbreitet. ;)

 

Sieh Dir bspw. das Judentum an. Jahrhunderte vor Christi Geburt wurde Homosexualität mit dem Tode bestraft, galt Selbstbefriedigung als Verbrechen und durfte Sex nur mit der eigenen Frau und nur zum Zwecke der Fortpflanzung betrieben werden.

Steht in der Bibel. Das ist aber ein Dokument, das eher vom erzkonservativen Teil der Israeliten stammt... Dort steht aber eben auch, dass es eben nicht gar so streng gelebt wurde, wie die Autoren es gerne gehabt hätten.

 

In der griechischen und römischen Antike hatte nur der Mann die ach so gepriesene Freizügigkeit, Frauen - ausgenommen Sklavinnen und Hetären - erfuhren Sex nur im Rahmen der ehelichen Pflichten als Notwendigkeit. Liebe/Zuneigung zu einer Frau war für viele Zeitgenossen Platons ein geradezu ekelerregender Gedanke.

Na ja... Da kommen wir wieder zu unserem Quellenproblem. ;) Überliefert wurde uns hier nur ein kleiner Ausschnitt der damaligen Literatur. Wir wissen vor allem über die Oberschichten Bescheid. Deine Hauptquelle Platon ist als misogyn bekannt. Aus dessen Werk kann man nicht wirklich auf die Rolle der Frau schließen. (Abgesehen davor, dass du damit nicht den griechischen, sondern den athenischen Standard hast.) Ich mag da gerne mal auf die Lyrik Sapphos verweisen, als ein kleines Gegenbeispiel. ;) Auch war von den spartanischen Frauen (aus der Oberschicht) bekannt, dass sie sexuell recht freizügig waren. Man sehe sich die griechische Mythologie an, in der der Seitensprung durchaus üblich war. Auch in der griechischen Tragödie und vor allem Komödie wird das Thema (von meist eher konservativer Seite) beleuchtet. Die griechische Kunst ist voller erotischer Darstellungen... Natürlich galt für die (wohlhabende) Ehefrau das Ideal der Treue, Natürlich waren die Möglichkeiten des (wohlhabenden) Mannes ungleich größer als die seiner Frau. Aber es ist eine Illusion, diese Zeit als körperfeindlich zu bezeichnen oder Sexualität als allgemein verpönt anzusehen.

 

Wenn eine Römerin sich in vorchristlicher, republikanischer Zeit beim Ehebruch erwischen ließ, konnte der Mann sie töten.

Dazu brauchte er nach überliefertem Recht nicht einmal eien Grund. Sie war, rechtlich gesehen, sein Mündel und formal hatte der pater familias die volle Gewalt über Leben und Tod aller Mitglieder seiner Familie - einschließlich aller Kinder und eingeheirateten Töchter! In der Praxis wurde dieses Recht so gut wie nicht angewendet. Das römische Recht ist da doch etwas vielfältiger als diese eine herausgepickte Passage.

In der späten Republik und in der Kaiserzeit ist es nämlich (in der Oberschicht) durchaus üblich, dass Ehen rein politisch geführt werden und beide ihren eigenen Hausstand führen. Es ist üblich, dass Ehen regelmäßig geschieden werden. Wechselnde Sexualpartner waren für die Angehörigen der Oberschicht normal. Auch hier haben wir wieder das Überlieferungsproblem für die unteren Schichten, aber auch hier ist kaum anzunehmen, dass dort deutlich anders gehandelt wurde, jenseits der weniger bedeutsamen Ehe.

Die übliche Form der Ehe in Rom war in dieser Zeit relativ unkompliziert: Man zog zusammen, und nach einem Jahr war man verheiratet, die traditionellere Eheform war nahezu ausgestorben und trat vor allem aus rituellen Gründen auf (vor allem für die flamines als Repräsentanten der Gottheiten). Diese Eheform war nicht mehr zeitgemäß. Schaue dir einfach mal die Biographien diverser römischer Frauen der Oberschicht an. ;)

 

Wie es bei den Christen lief, brauchen wir wohl kaum zu erörtern, schon der Apostel Paulus predigte: "Es ist dem Menschen gut, dass er kein Weib berühre."

Paulus war Fanatiker. Und überlege mal, warum er dies so deutlich sagen muss. Weil seine Zuhörer diese Sicht auch geteilt haben? Sicher nicht! Wenn ich dir heute den Programm der MLPD vorlege als Beispiel unserer heutigen Einstellung zur Welt, würdest du das als eindeutigen Beweis akzeptieren?

 

Daß das Christentum schon lange vor dem von Dir genannten 19. Jahrhundert sehr seltsame Blüten trieb, belegt auch Erzbischof Hinkmar von Reims (*um 800, +882). Er beschreibt die Scheidung auf karolingisch: Der Ehemann schickt seine Frau in die Kirche, wo ihr der Hausschlachtersklave die Kehle durchschneidet. Der Ehemann zahlt die festgelegte Buße an die Familie der Frau, ist nun Witwer und darf wieder heiraten.

Falsches Beispiel. Mit gelebter Sexualität hat es nichts zu tun. Außerdem entsprach das Beispiel gerade weil Hinkmar es brachte, nicht der Vorstellung der Kirche. Nochmal: Sexualität und Ehe haben nur zum Teil etwas miteinander zu tun.

 

Ich weiß nicht, ob ich Tacitus glauben darf, wenn er die Keuschheit der Germanen so derart über den grünen Klee lobt, glaube vielmehr, daß er hier übertreibt - vielleicht komplett lügt - um seinen Mitrömern ihren Lebenswandel vorzuhalten. Sollte Tacitus aber doch die Wahrheit schreiben, dann dürfte ein Wurf auf Verführen einer Germanin um mindestens 10 erschwert gewesen sein ;-) .

Tacitus übertreibt, denn es ist eine ideologische Schrift, die versucht den Römern vorzuhalten, was sie seiner Meinung nach falsch machen, da sie sich von ihren Wurzeln (die er durch die "Germanen" repräsentiert) entfernt hätten. So, Preisfrage: Warum wohl legt er auf die angebliche Keuschheit der Germaninnen so großen wert?

 

Sicher ist bei der Frage noch zu berücksichtigen, wer die zu verführende Frau ist, Biggi die Bauernmagd ist nicht mit Freifrau Fredegundis zu vergleichen. Aber eine Frau mit einem achtbaren gesellschaftlichen Stand ging ein hohes Risiko ein, wenn sie gegen die Moral ihrer Zeit/Kultur verstieß.

Jeder geht da ein gewisses Risiko ein. Nur ist es kalkulierbar. Und es wurde hier nicht geschrieben, dass die Zeiten völlig beliebig wären. Aber es war auch nicht so sittenstreng, dass sexuelle Erfahrungen für Frauen generell unbekannt bzw. weitgehend beschränkt gewesen wären. Und die totale Entsexualisierung der (braven Haus)Frau in der Gesellschaft (nicht in der Ideologie) kam eben doch erst im 19. Jahrhundert durch das Bürgertum auf. Auch als Reaktion und deutliche Abgrenzung vom Adel der vorangegangenen Zeit, da sexuelle Erfahrungen in dieser Schicht allgegenwärtig waren. Im Bürgertum galten halt andere Werte...

 

M.E. dürfte eine Frau in den meisten realen Kulturen, die der Mehrzahl der Kulturen in Fantasy-Rollenspielwelten - inkl. Midgard - zugrunde liegen, durch ein zu leichtes Verführtwerden in erhebliche Schwierigkeiten kommen. Alleinerziehende, gesellschaftlich akzeptierte Mütter sind oftmals undenkbar. Und eine Schwangerschaft ist immer möglich, wenn es einmal „geschnackelt“ hat.

Und doch kamen sie immer wieder vor, diese Fälle. Natürlich kommt man (resp. frau) in Schwierigkeiten, wenn man schwanger wird. Aber es gibt da durchaus bewährte Methoden, das zu verhindern. Es ist z.B. im Mittelalter ein häufiges Phänomen, dass Babies vor der Kirchpforte ausgesetzt werden. (Wodurch wir heute dieses Phänomen überhaupt belegen können.) Die Dunkelziffer ausgesetzter Kinder dürfte deutlich höher liegen. Aussetzungen sind unserer Kenntnis nach an der Tagesordnung. Abtreibungen ebenfalls. Wieso das, wenn die Frauen doch deiner Meinung nach gar keine sexuellen Kontakte haben konnten? Es sind einfach zwei Dinge: Ideologie gegen sexuelle Freizügigkeit und deren Praxis.

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Aber zu deinem Beispiel der alten Juden: Lies dir mal die Bibel durch, da wird fleißig zu Huren gegangen und selbst Ehebruch wird auf Umwegen betrieben, nämlich als König David einen seiner Generäle mit einem Himmelfahrtskommando in den sicheren Tod schickt, nur weil er auf dessen Frau scharf war, die er hinterher dann tatsächlich als x-te Frau nahm.....

 

Und es ist z.B. ziemlich klar, dass im Mittelalter auf den Bauernhöfen über Winter mehr gemacht wurde, als Nasebohren - und das quer Be(et)t von der ganzen Hofgemeinschaft.

 

Naja... Spannendes Beispiel. Wenn ein König, um einen Seitensprung zu kaschieren, die Frau erst zur Witwe machen muß, dann sehe ich das eher als Argument gegen eine liberale Grundhaltung - und daß Macht Recht schafft, ist ein uralter Hut...

 

Und die Huren? Wir reden letztlich vom Verführen einer Frau... da dürften nur wenige von Huren, Mägden oder Sklavinnen reden. Ganz davon abgesehen, dürften Hetären, Kurtisanen und Co. viel zu professionell und abgebrüht sein, um einer Verführung zu erliegen ;-)

 

Und der Bauernhof? Klar, der Herr durfte sich einiges erlauben. Aber glaubst Du, daß die Bauersfrau dieselben Rechte hatte? Auch hier rede ich nicht von den Mägden, da diese zu diesem Thema oft gar nicht groß gefragt wurden. Sie hatten "zu Diensten zu sein" und fertig - was nicht heißen soll, daß die Mägde zwingend abgeneigt gewesen sein mußten... Aber glaubst Du, die Ehefrau des Bauern hätte sich mal eine Abwechslung gönnen dürfen? Sie sollte sich besser nicht erwischen lassen, anderfalls wäre sie mit Schimpf und Schande davongejagt worden - wenn sie Glück hatte, denn nach mancherorts geltendem Recht konnte ein Ehemann seine untreue Frau straffrei umbringen. Und die Tochter des Bauern wäre nicht besser gelitten, wenn sie vorehelich experimentiert hätte. Immerhin waren Hochzeiten Geschäfte und ein Geschäft mit "beschädigter Ware" ist selten gewinnbringend.

 

Aber... bevor Du denkst, ich wäre ein völlig vertrockneter Moralist :D mir ist auch klar, daß Sexualität etwas völlig natürliches ist, und, daß zu jeder Zeit reichlich innerhalb und außerhalb der geltenden Gesellschaftsnormen verkehrt worden ist. Immerhin ist ein wesentlicher Grund für die Existenz von Gesetzen der Umstand, daß die Leute eigentlich etwas anderes machen wollen...

Mir geht es nicht darum, daß unsere Helden und die NSCs nur als kastrierte Heilige wandeln, vielmehr habe ich lediglich in diversen Spielrunden und Diskussionssträngen den Eindruck gewonnen, daß sich über die Konsequenzen (mögliche wie tatsächliche) eines nichtehelichen Miteinanders keine Gedanken gemacht wird, weil die Spieler keine Konsequenzen erwarten und der Spielleiter auch keine Konsequenzen befürchten läßt.

 

Grüße,

Frank

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